Internationaler Aktionstag gegen die Besatzung des Irak am 25.10.2003

Redebeitrag (Konzept) von Joachim Guilliard (Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg)

Wir möchten heute hier mit der Kundgebung und dem Infostand vor allem die britische US-amerikanische Bewegungen gegen die Besatzung im Irak unterstützen. – Entscheidend sein ...

Es ist aber auch hier wichtig das Thema wach zu halten, nicht nach Ende der heißen Phase zur Tagesordnung übergehn.

Einmal schon im Namen der Opfer: mehr als 10.000 zivile Tote (Schätzungen gehen bis 36.000) und wahrscheinlich 60.000 tote irakische Soldaten)

Aktuell sterben 1000 Iraker jede Woche eines gewaltsamen Todes (Raub, Rache, Besatzungstruppen) ....

Vor allem aber gilt: wer jetzt zur Tagesordnung übergeht kapituliert vor dem nächsten Krieg!

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Bestürzend schnell zog man in Deutschland und anderen kriegskritischen Ländern einen Schlussstrich unter den anerkanntermaßen völkerrechtswidrigen Überfall am Golf. Das Kolossalverbrechen eines Angriffkrieges wurde zum Bagatelldelikt herabgestuft und der Widerstand dagegen, so Bundeskanzler Gerhard Schröder, zu einer "Meinungsverschiedenheit". Im UN-Sicherheitsrat versuchten Deutschland, Frankreich und Russland nicht einmal mehr, die Aggression zu verurteilen. Stattdessen wurde sie im nachhinein durch die Resolutionen 1483 und 1511 legitimiert und die Herrschaft der Okkupanten über den Irak völkerrechtlich anerkannt.

Fatal wäre es, wie Schröder und seine europäischen Kollegen fordern, nun nur nach vorne zu schauen. Nur eine schonungslose Kritik der verheerenden Irak-Politik der USA und Großbritanniens, aber auch die der anderen europäischen Staaten und der UNO in den langen Jahren zuvor, kann eine Wiederholung verhindern. Wer jetzt zur Tagesordnung übergeht, kapituliert vor dem nächsten Krieg.

 

Dem Geschehen im Irak hat zentrale Bedeutung weit über die Golfregion hinaus. Es wird maßgeblich bestimmen inwieweit die USA ihre aggressive Kriegspolitik – sog. "Krieg gegen den Terror" .... fortsetzen kann .....

Noch hat die USA im Irak – zumindest politisch nicht gewonnen

Hier wächst der zivile und militärische Widerstand gegen die Besatzung angesichts der katastrophalen Verhältnisse mit jedem Tag.

Angesichts der täglichen Verluste und eskalierenden Kosten rufen Bush & Co. nach Hilfe. Um dem Nachdruck zu verleihen, wurde der Irak nun zur Hauptfront gegen den Terror erklärt.

Sie nutzen dabei schamlos die verheerenden Anschläge auf die UNO und die Gläubigen in Nadjaf für ihre Zwecke aus. In ihrem Entwurf zur gerade diskutierten neuen UN-Res. wird explizit auch der bei diesen Anschlägen getöteten Iraker gedacht – angesichts Zehntausender, die im Krieg und danach durch US-Bomben ums Leben kamen, ein kaum zu überbietender Zynismus.

Die USA versuchen dadurch die hässliche Realität der illegalen Besatzung durch das Bild eines Landes zu verdrängen, das im blindwütigen Terror zu versinken droht: Die Besatzung diene – so die Bush-Krieger in Washington –der Verhinderung einer "Ausweitung des Terrors" und sei gemeinsames Anliegen der "internationalen Staatengemeinschaft". Der Widerstand wird reduziert auf Reste von Saddams alter Truppe und ausländischen Terroristen.

Dass ausländische Terroristen ins Land eingedrungen sind, würde jeder Iraker aus eigener Anschauung bestätigen. Allerdings nicht etwa Islamisten, sondern christliche Kämpfer in britischen und amerikanischen Uniformen. In deren Gefolge strömen auch bereits die Unternehmen ins Land, die sich dessen Industrie, Banken und Dienstleistungssektoren unter den Nageln reißen wollen. Dagegen richtet sich der irakische Widerstand und natürlich gegen den Raub des größten Reichtums des Landes – das Erdöl.

Dennoch sind die Appelle aus Washington an die Verbündeten, sie auch ohne substantielle Zugeständnisse bezüglich Mitsprache zu unterstützen, nicht ohne Erfolg.

Auch unter Kriegsgegner herrscht Unsicherheit – muß nicht im Interesse der irakischen Bevölkerung die Hilfe im Vordergrund stehen

Humanitäre Hilfe tatsächlich ...

Aber keine Gelder für Wiederaufbau – verheerendes Signal nach jedem Überfall ....

Stabilisierung

Die ungeteilte Oberhoheit der USA über den Irak wird auch von den europäischen Konkurrenten nicht mehr in Frage gestellt, die Rolle der UNO wird auf Hilfsdienste beschränkt bleiben – sie und all die Staaten, die den USA nun zu Hilfe eilen, werden zu Kumpanen der Besatzungsmächte.

Vorbedingung eines jeden realistischen Weges aus der aktuellen Misere ist der Rückzug der Invasionstruppen im Rahmen eines klaren, knappen Zeitplans. Erst dann können die Vereinten Nationen tatsächlich Verantwortung für die Reorganisation des Landes übernehmen, ohne als Teil der Besatzungsmacht angesehen zu werden. Erst dann auch gibt es eine realistische Chance, innerhalb dieses Zeitplans, die relevanten irakischen Kräfte in eine Übergangsregierung auf breiter Basis einzubeziehen – von radikalen Schiiten bis zu Strömungen der alten Regierungspartei. Dies scheint für all die, die unter der Diktatur litten oder einen starken islamischen Einfluss fürchten, kaum hinnehmbar. Doch auch in Südafrika beispielsweise, wurde ein unblutiger Übergang nur durch schmerzliche Kompromisse möglich. Die von Kofi Annan und seinem Berater, dem ehemaligen libanesischen Kultusminister Ghassan Salam Anfang Oktober vorgebrachten Vorschläge gehen in diese Richtung.

Je mehr politische Kräfte hingegen ausgeschlossen blieben, desto größer wäre die Gefahr eines Bürgerkrieges. Die oft als Argument für eine längere Präsenz der Besatzungstruppen ins Feld geführte Gefahr einer Rückkehr des alten Regimes, ist unter den aktuellen Kräfteverhältnissen im Irak zu vernachlässigen.

Wesentlich für die internationale Bewegung gegen den Krieg wird daher nun sein, sich allen Hilfeleistungen für die US-amerikanische Besatzungspolitik entgegenzustellen. Internationale Unterstützung für das Besatzungsregime legitimiert den US-Anspruch auf den Irak und verlängert das Leid der Menschen im Irak – der Iraker und auch der ausländischen Soldaten.

Die weitere Entwicklung des zivilen wie militärischen Widerstands im Irak wird nicht nur entscheidend für die Zukunft des Landes selbst sein. Sie wird einen wesentlichen Einfluss darauf haben, in welchem Maße die USA ihre aggressiven Pläne gegenüber anderen Ländern weiter verfolgen können. Die Unterstützung des Widerstands ist zu einer unmittelbaren Aufgabe der Antikriegsbewegung geworden.

Wichtig ist gerade angesichts dieser Kumpanei, dass die Antikriegsbewegung nicht, wie es leider vieler Orts scheint, zur Tagesordnung übergeht. Die Denunziation dessen, was im Irak vor sich geht, wird nun zu einer der wichtigsten Aufgaben der Antikriegspolitik – nicht nur aus Solidarität mit der irakischen Bevölkerung, sondern auch vorbeugend gegen die drohenden neuen Kriege.