MONITOR Nr. 501 am 3. April 2003
Mit deutscher Waffentechnik in den Irak-Krieg
Bericht: Volker Happe, Kim Otto, Monika Wagener

Sonia Mikich: "Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, willkommen bei ONITOR. Und kommen wir sofort zur Sache. Heute ist der 15. Kriegstag. Sie haben es gerade im Brennpunkt gesehen, dass amerikanische Truppen nicht weit vor Bagdad stehen. Es ist aber auch der 15. Anti-Kriegstag! Darum weisen wir in unserem Schriftband auch auf das hin, was sonst untergeht. Anti-Kriegsnachrichten.

Wir Deutschen sind Kriegsgegner, haben aber eine Rüstungsindustrie. Und jetzt wird es spannend. Fast täglich betont die Bundesregierung, dass sie den US-Angriff auf den Irak verurteilt. Eben wie die Mehrheit der Menschen hierzulande.

Doch verschwiegen wird der Bevölkerung, dass die Bundesrepublik längst in diesen Krieg verwickelt ist: mit Waffenteilen und Rüstungs-Know-how - made in Germany. Und das will man offenbar weiter an die USA und England liefern, obwohl das deutsche Kriegswaffen-Kontrollgesetz Rüstungsexporte für einen Angriffskrieg ganz klar verbietet. Die Schweizer Regierung hat solche Waffenexporte an die USA und England längst verboten.

Die Bundesregierung will davon nichts wissen. Also: Hintergrund von Volker Happe, Kim Otto und Monika Wagener."


Bomben über dem Irak. Mehr als 9000 haben amerikanische Flugzeuge schon über dem Wüstenstaat abgeworfen. Die Folgen sind verheerend. Mehr als hundert Zivilisten wurden getötet - allein in Bagdad.

Ein F15-Kampfflugzeug auf dem Rückweg vom seinem Kriegs-Einsatz. Ohne deutsche Hochtechnologie könnte dieses Flugzeug seine tödlichen Waffen nicht ins Ziel lenken. Deutsche Infrarotsensoren unterhalb des Rumpfes erfassen die Kampfziele für die Präzisionsraketen. Präzisionsraketen, die Häuser zerstören und Menschen töten.

Der gefürchtete Kampfhubschrauber Apache. Auch bei ihm garantieren in Deutschland entwickelte Module der Infrarot-Detektoren die Zielgenauigkeit seiner Raketen. Dadurch kann der Hubschrauber auch nachts unter schlechtesten Sichtverhältnissen seine Ziele genau orten und treffen.

Dr. Michael Brzoska, Institut für Konversionsforschung, Bonn: "Im Moment könnten die Amerikaner den Krieg im Irak nicht so führen, wie sie ihn führen, ohne deutsche Hochtechnologie. In einer ganzen Reihe von amerikanischen Waffensystemen steckt deutsche Präzisionstechnologie. Das ist auch nicht verwunderlich, denn die deutsche Rüstungsindustrie ist durchaus in einigen Hochtechnologiebereichen weltweit führend, und deswegen sind auch die Amerikaner davon abhängig, dass sie aus Deutschland solche Zulieferungen bekommen."
Auch konventionelle deutsche Militärtechnik steckt in amerikanischen Waffensystemen. Beispiel: der Kampfpanzer Abrams. Der meist eingesetzte amerikanische Panzer im Irak- Krieg, die 120 mm Glattrohrkanone und die dazu gehörige tödliche Munition wurden in Deutschland entwickelt. Panzer, die heute kurz vor Bagdad stehen.

Nur einige Beispiele von vielen: Deutsche Wehrtechnik findet sich in fast allen Waffengattungen:

  • Maschinenpistole MP5
  • Pistole MK23
  • Rauch- und Leuchtmunition
  • Fast Attack Vehicle
  • Spürpanzer
  • Panzerung Stryker
  • Faltschwimmfestbrücke FS B2
  • Lenkflugkörper Waffensysteme
  • Wolverine Bridge System
Grafik: Genehmigte Rüstungstransporte; Rechte: WDR-Fernsehen 2003

Tatsächlich sind die Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahren der wichtigste Kunde der Deutschen Rüstungsindustrie geworden. So stiegen die genehmigten Exporte in die USA seit 1996 steil an - auf über 1 Milliarde Mark genehmigte Rüstungsexporte, und sie gehen weiter.

Doch, was bis jetzt völlig legal war, ist seit Kriegsanfang nach deutschem Recht illegal. Seit die USA einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg begonnen haben, hat sich die Lage völlig verändert, da sind sich führende Juristen einig.

Prof. Volker Epping, Verfassungsrechtler Universität Hannover: "Die Bundesregierung darf zur Zeit keine Rüstungsexporte in die USA genehmigen, denn die USA führen zur Zeit einen Angriffskrieg, und zwar einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, unsere deutschen Normen sind da sehr eindeutig: Deutsche Waffen dürfen bei einem Angriffskrieg keine Verwendung finden, dürfen also auch nicht exportiert werden."
Reporterin: "Gibt es da irgendeinen Interpretations- oder Handlungsspielraum für die Bundesregierung?"

Prof. Volker Epping: "Nein, die deutschen Normen, namentlich die des Kriegswaffenkontrollgesetzes, sind sehr eindeutig. Es sieht sogar so aus, dass erteilte Genehmigungen in diesen Fällen sogar zu widerrufen sind."

Wörtlich heißt es im Kriegswaffenkontrollgesetz, dass das Grundgesetz konkretisiert, ganz unmissverständlich:

"Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedenstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden."

Zuständig für die Genehmigung von Rüstungsexporten ist das Bundeswirtschaftsministerium. Die Bundesregierung verweigert jede Stellungnahme zu einem Exportstopp, und nicht einmal das will sie schriftlich geben. Nur der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion stellt sich der Kamera.

Reporter: "Müssten nicht die Rüstungsexporte in Richtung USA gestoppt werden?"

Rainer Arnold, Verteidigungspolitischer Sprecher, SPD-Bundestagsfraktion: "Die Vereinigten Staaten sind befreundet, sind ein partnerschaftliches Land. Und Freunden muss man schon auch mal deutlich sagen, was richtig und falsch ist, aus unserer Sicht. Aber eines ist auch klar: Wenn Freundschaft bestehen bleiben soll, dann darf man ihnen nicht noch zusätzlich Steine in den Weg räumen."
Reporter: "Aber ist das nicht eine scheinheilige Position, einerseits Nein zum Krieg, andererseits liefern wir die Waffen?"

Rainer Arnold: "Moralisierend Recht zu haben, genügt mir nicht in der Politik, sondern etwas zu bewirken ist es, was die Menschen von uns erwarten."

Prof. Volker Epping, Verfassungsrechtler, Universität Hannover: "Wahrscheinlich will die Bundesregierung kein neues Porzellan in den Beziehungen zwischen Deutschland und den USA zerschlagen, dies ist politisch durchaus verständlich, rechtlich indes völlig irrelevant. Die deutschen Gesetze sind eindeutig. Im Übrigen können die deutschen Gesetze nicht nach politischer Opportunität angewandt werden."
Ein Exportstopp ist nicht zu erwarten, und zwar auch aus handfesten wirtschaftlichen Gründen. Es gibt zahlreiche Rüstungskooperationen in dreistelliger Millionenhöhe.
  • Flugabwehrsystem RAM Block1
  • Sturmgewehr XM 29
  • Datenaustauschsystem MIDS
  • Militärische Flugsimulation
  • Präzisionsmunition XM 395
  • Komponenten von Landungsfahrzeugen
Prof. Hans-Joachim Gießmann, Politikwissenschaftler Universität Hamburg: "Wenn die Bundesregierung diese Exporte jetzt nicht stoppt oder zum mindesten für die Dauer des Krieges aussetzt, setzt sie sich in moralische Mitverantwortung für die Durchführung dieses Krieges, und sie würde im Übrigen auch die gesetzlichen Grundlagen, die den Rüstungsexport der Bundesrepublik regeln, verletzen."
Anders als die rot-grüne Bundesregierung haben die Schweizer schon Konsequenzen gezogen. Hier in Bern ist sich die Regierung einig.
Othmar Wyss, Staatssekretär Schweizer Wirtschaftsministerium: "Weil es im Gegensatz zum Golfkrieg im Irak-Krieg jetzt kein UNO-Mandat gibt, hat der Bundesrat beschlossen, die Kriegsmaterialexporte einzuschränken. Staatliche Unternehmen dürfen überhaupt nicht Kriegsmaterial in die Länder exportieren, die mit Material und Truppen an diesem Konflikt beteiligt sind. In Bezug auf private Unternehmen ist der Bundesrat weniger streng, diese dürfen nicht mehr exportieren, wenn das entsprechende Material für den Konflikt direkt oder indirekt eingesetzt wird."
Davon ist Deutschland weit entfernt. Bei uns gilt offenbar die Devise: Wir sind gegen den Krieg, aber die Waffenlieferungen gehen weiter.

Sonia Mikich: "Ach ja, das war wohl wieder die rot-grüne Gepflogenheit: 'Es gilt das gebrochene Wort', denn: 'Keine deutsche Kriegsbeteiligung' heißt im Klartext: Weiterhin Spürpanzer in Kuwait, Awacs-Einsatz in der Türkei, Überflugrechte in Deutschland und jetzt: Weiterhin Waffen in die USA. Ein klarer Rechts- und Verfassungsbruch."

Links zum Thema:
Prof. Gießmann am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Universität Hamburg:
http://www.ifsh.de/mitarbeiter
Homepage Rainer Arnold:
http://www.rainer-arnold.de
Prof. Volker Epping an der Universität Hannover:
http://www.jura.uni-hannover.de/epping
Irak-Dossier der Tagesschau:
http://www.tagesschau.de/thema