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Über die Gewerkschaft der Südlichen Ölfelder

Ewa Jasiewicz

Die Allgemeine Gewerkschaft der Ölarbeiter in Basra hat ihre Wurzeln in der Gewerkschaft der Südlichen Ölgesellschaft. Sie wurde im April 2003 unmittelbar nach dem Beginn der Besatzung gebildet. Zunächst organisierten sich Aktivisten geheim, da sie nicht wussten, wie die Besatzungstruppen reagieren würden. Das Ziel der Gewerkschaft war, wie Hassan Juma'a Awad es formuliert, ""um für Arbeiterrechte zu kämpfen", "die Beziehung zwischen den Arbeitern und dem Management der Gesellschaft" neu zu gestalten."

Hassan selbst hat 33 Jahre lang für die Südliche Ölgesellschaft, ein verstaatlichtes Unternehmen, gearbeitet.. Er lebt in einem baufälligen Häuschen im ärmlichen Jhoumouria Viertel von Basra. Er ist Vater von sechs Kindern und hat Saddams Gefängnisse und Folterkammern überlebt. (Unter dem Regime war er drei Mal im Gefängnis) Hassan Juma'a führt oft den Streik der Ölarbeiter im Süden gegen die Leitung der Basra Ölgesellschaft in den 1950ern als Beispiel für die Macht an, die die Ölarbeiter einmal im Irak hatten, bevor das Baath Regime die Arbeiterorganisationen zerschlug.

1987 wurden die Gewerkschaften aufgelöst und alle Arbeiter zu "öffentlichen Bediensteten" gemacht. Staatlich geführte Gewerkschaften wurden eingerichtet und handelten als Instrumente der Überwachung und Unterdrückung. Ältere Generationen wissen noch die Bedeutung des Wortes "Gewerkschaft" und wie es, sich in einer wirklichen Arbeiterorganisation zu organisieren. Doch jüngere Arbeiter sind sich noch nicht klar darüber, wozu eine Gewerkschaft fähig sein kann und wozu sie selbst fähig sind, wenn sie sich für ihre eigenen Interessen zusammenschließen. Als Hassan in Großbritannien war, war einer seiner wichtigsten Wünsche zu erfahren, wie Gewerkschaftsaktivisten organisatorische und koordinierende Fähigkeiten erlernen können.

Die Allgemeine Gewerkschaft der Ölarbeiter in Basra, oder wie sie auch genannt wird, die Basra Ölgewerkschaft, ist ein Zusammenschluss von Ölgewerkschaften. Sie vertritt 23 000 Mitglieder in zehn energiebezogenen Gewerkschaftsräten, die in den neun verschiedenen irakischen -Gesellschaften aktiv sind, die in Basra, Amara und Nassiryah den Ölsektor bilden.

Die Südliche Ölgesellschaft ist die größte Ölgesellschaft im Irak. Die noch unentdeckten Ölreserven, von denen man annimmt, dass sie die saudi-arabischen Reserven übertreffen, liegen vorwiegend im Süden. Die anderen Gesellschaften in diesem Gebiet sind: die Südliche Gasgesellschaft, die irakische Förder-Gesellschaft, die Öltransport-Gesellschaft, die Gasverpackungs-Gesellschaft, die Ölproduktions-Gesellschaft, die Ölprojektgesellschaft und die Ölpipeline-Gesellschaft.

Ihrem Selbstverständnis nach ist die Basra Ölgewerkschaft eine unabhängige Gewerkschaft. Das heißt sie steht unter keinem Einfluss oder Kontrolle irgendeiner politischen Partei. Sie gehört keinem der irakischen Gewerkschaftsverbände an. Auf der lokalen Ebene gibt es aber mit allen Gewerkschaftsverbänden gute Kommunikation und Kooperation: mit dem irakischen Gewerkschaftsbund (IFTU), dem Bund der Arbeiterräte und Gewerkschaften im Irak (FWCUI) und auch mit dem Allgemeinen Bund irakischer Gewerkschaften (geführt von Jabbar Tarish). Hassan hat auch Verbindungen mit Vertretern kurdischer Gewerkschaften aufgenommen.

Auch wenn Aktivisten in der Gewerkschaft Mitglieder verschiedener politische Parteien sind, so werden politische und ideologische Differenzen aus der Arbeit des Gewerkschaftsaufbaus herausgehalten. Die Gewerkschaft, das ist Konsens, soll immer und allein Arbeiterinteressen dienen und nicht den Interessen der Regierung oder irgend einer bestimmten Partei. Die Führung der Gewerkschaften wurde von den Arbeitern selbst demokratisch gewählt

Die Position der Gewerkschaft ist, dass sie gegen Privatisierung und gegen die militärische und wirtschaftliche Besatzung des Irak ist. Die Gewerkschaft sieht sich selbst in der Verantwortung, den irakischen Nationalreichtum zum Wohle aller Iraker zu verteidigen. Diejenigen, die Tag für Tag arbeiten, um den Reichtum des Irak zu schaffen, sind diejenigen, die unter dem Regime getötet wurden, weil sie versuchten, sich gegen das Regime zu organisieren. Sie haben die schlimmste Überwachung und Unterdrückung als Folge ihrer kritischen und lebenswichtigen Stellung innerhalb der Wirtschaft erlebt.

Irakische Ölarbeiter wissen um ihre ausgesprochen wichtige Stellung. Sie sind der Macht, die sie als kollektive Kraft ausüben können, bewusst. Die Gewerkschaft ist der Auffassung, dass der Reichtum des Iraks zum Nutzen aller Iraker, vom Norden bis zum Süden, genutzt werden sollte, um Armut der Menschen zu beseitigen und das Land wirtschaftlich und sozial wieder aufzubauen. Die Gewerkschaft weiß, dass der Blick der amerikanischen fundamentalistischen Kreuzritter des Freien Marktes fest auf die irakische Ölindustrie gerichtet ist und das seit den 1970ern Jahren.

Eine der ersten Abwehraktionen gegen die Besatzung und die Verordnung von Hungerlöhnen durch die Bremer Administration war ein dreitätiger Streik am 10. August 2003. Für die Ölarbeiter und die gewerkschaftliche Führung war es zudem wichtig, das Fachwissen über die Funktionsweise der Ölindustrie in Händen irakischer Arbeiter zu behalten. Von Anfang an vertrieben die Arbeiter daher auch die Beschäftigten des US-Ölkonzerns Kellogg Brown and Root (KBR) aus den Betrieben. Sie wussten, dass diese vom Pentagon geschickt und ein wesentlicher Teil der Besatzung waren. KBR aus den Betrieben auszusperren, war ein Weg dieses Fachwissens vor Übernahme und Ausbeutung und die Kontrolle der Arbeiterkontrolle über den Betrieb zu sichern.

Im Januar 2004 gewannen die Ölarbeiter mit Streikaktionen und wiederholtem Druck auf die Besatzungsbehörden einen wichtigen Kampf für höhere Löhne. Im September 2003 hatte Vizekönig Paul Bremer die "Order No. 30" über Löhne und Arbeitsbedingungen erlassen. Den Ölarbeitern im Süden des Irak gelang es, die untersten zwei Gruppen der 11 stufigen Lohntabelle zu streichen. Gegenüber dem angeordneten Mindestlohn von 69,000 ID beträgt der niedrigste Lohn jetzt 102,000 ID. (mit Risiko- und Ortszuschlägen steigt er auf 150,000 ID)

Die "Order No. 30"war einer von 100 Erlassen, d.h. de- facto Gesetzen, die allesregelten, von Verkehrsregeln bis zu ausländischen Investitionen und dem Status der Besatzungssoldaten. Rechtsexperten sind der Ansicht, dass sie illegal sind, da die Haager und die Genfer Konventionen, zu deren Signatarmächten die USA und Großbritannien zählen, es Besatzungsmächten verbietet, das Rechtssystem eines Landes zu ändern, seine Wirtschaft neu zu ordnen und staatliches Vermögen und Eigentum zu verkaufen.

Bremers Befehle wurden als Verwaltungsanordnungen (Civil Adminstration Law) von der Besatzungsbehörde, (Coalition Provisional Authority - CPA) ausgegeben. Im Juni 2004 wurde die CPA formal aufgelöst, das Administrative Law besteht aber heute noch, trotz Massenopposition und einer Fatwah des Ayatollah Sistani. Iraker, die in diesem Januar zur Wahl gingen, nannten immer wieder die Rücknahme der Bremer Gesetze als einen der zentralen Gründe dafür, zu versuchen, eine Regierung ins Amt zu wählendie neue Gesetze machen könnteund eine Verfassung, die den Bedürfnissen des irakischen Volkes entspricht. Die Auffassung ist weit verbreitet, dass Bremers Gesetze US-Interessen dienen. Sie sind das Mittel, mit der der Privatisierung der irakischen Wirtschaft Tür und Tor geöffnet wird, sie schützen ausländische Soldaten und Geschäftsleuten vor strafrechtlicher Verfolgung, verbieten weiterhin Gewerkschaften und kriminalisieren Demonstrationen und freie Meinungsäußerungriminalisiert.

Die Allgemeine Gewerkschaft die Ölarbeiter in Basra ist immer noch eine "illegale" Gewerkschaft, da sie von der Regierung noch nicht offiziell anerkannt ist. "Wir erhalten unsere Legitimität von den Arbeitern und nicht von der Regierung" stellt Hassan fest.

Ein Schlüsselprobleme aller neuen irakischen zivilgesellschaftlichen Organisationen ist die Überwindung der Isolation. Verbindungen zum Internet und Zugang zu unabhängigen Medien und Zeitungen mit unzensierten Nachrichten werden von der Regierung und durch unerschwinglich teure Internetcafes und knappe Netzzugänge eingeschränkt. Im Durchschnitt kostet eine Stunde im Internet 2000 irakische Dinar (etwa 1.50 $). Das ist ein Tageslohn für viele Arbeiter und man kann dafür 40 Stück Fladenbrot kaufen – genug um die Kinder einer fünfköpfigen Familie eine ganze Woche zu ernähren.

Die Allgemeine Gewerkschaft der Ölarbeiter in Basra braucht massive Unterstützung. Der Kampf der irakischen Ölarbeiter gegen die Privatisierung ihrer Industrie und der nationalen Ressourcen dient all denjenigen, die für ein Ende des Krieges und der fortgesetzten Besatzung des Irak kämpfen, all denen, die sich zusammenschließen im Kampf gegen gigantische Konzerne, gegen Besatzungstruppen, gegen neo-koloniale Regime und Regierungen und gegen den Kapitalismus selbst, dem treibenden System hinter diesem Krieg. Unsere Solidarität mit den irakischen Ölarbeitern könnte diesen Krieg zu Ende bringen.

Übersetzt von Stefanie Haenisch, Attac-AG "Globalisierung und Krieg – Frankfurt, stefanieht@gmx.de