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Verlasst unser Land jetzt!

Vom ersten Tag der US-Britischen Invasion des Irak haben Ölarbeiter Widerstand gegen die ausländischen Besatzung geleistet.

Hassan Juma’an Awad
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Hassan Juma’a Awad ist der Generalsekretär der irakischen Gewerkschaft der Südlichen Ölgesellschaft und Vorsitzender der Gewerkschaft der Ölarbeiter in Basra)

The Guardian, 18. Februar 2005

Unter der Diktatur von Saddam Hussein lebten wir in finsteren Zeiten. Als das Regime fiel, wünschten sich die Menschen ein neues Leben: ein Leben ohne Fesseln und Terror; ein Leben in dem wir unser Land wieder aufbauen und seinen natürlichen Wohlstand genießen könnten. Stattdessen wurde unsere Gemeinden mit Chemikalien und Streubomben angegriffen und unsere Mitmenschen gefoltert, vergewaltigt und in unseren Häusern getötet.

Saddams Geheimpolizei kroch gewohnheitsgemäß des Nachts über unsere Dächer und drang in unsere Häuser. Besatzungstruppen brechen jetzt am helllichten Tage unsere Türen auf. Die Medien zeigen nicht einmal einen Bruchteil der Verwüstung, die über den Irak gekommen ist. Journalisten, die es wagen, die Wahrheit über das Geschehene zu berichten, wurden durch die Terroristen entführt. Dies dient den Zielen der Besatzung, die darauf aus ist, Zeugen ihrer Verbrechen zu eliminieren.

Bald nachdem britische Besatzungstruppen Basra besetzt hatten, begannen Arbeiter in den südlichen Ölfeldern des Irak sich zu organisieren. Wir gründeten unsere Gewerkschaft, die Southern Oil Company Union (die Gewerkschaft der Südlichen Ölgesellschaft), nur 11 Tage nach dem Fall von Bagdad im April 2003. Als die Besatzungstruppen beiseite traten und gestatteten, dass die Krankenhäuser, Universitäten und öffentlichen Verwaltungseinrichtungen von Basra angezündet und geplündert wurden, während sie lediglich die Ölfelder und das Ölministerium verteidigten, wussten wir, dass wir es mit einer brutalen Macht zu tun hatten, die ihren Willen ohne Rücksicht auf menschliches Leiden durchsetzen würde. Von Anfang an gab es für uns keine Zweifel, dass die USA und ihre Verbündeten gekommen waren, um die Kontrolle über unsere Ölvorräte zu übernehmen.

Die Besatzungsverwaltung hat viele der unterdrückenden Gesetze aus Saddams Zeiten beibehalten, einschließlich der Richtlinie von 1987, die uns grundlegender gewerkschaftlicher Rechte beraubte, einschließlich des Rechts zu streiken Bis heute haben wir keine offizielle Anerkennung als Gewerkschaft, obwohl wir 23.000 Mitglieder in 10 Öl- und Gasunternehmen in Basra, Nassirya und bis zur Anbar Provinz haben. Wir beziehen unsere Berechtigung jedoch von unseren Mitgliedern, nicht von der Regierung. Wir glauben, dass Gewerkschaften tätig sein sollten, ohne Beachtung der Wünsche der Regierung, bis das Volk endlich in der Lage ist eine wirklich verantwortliche und unabhängige irakische Regierung zu wählen, die unsere Interessen vertritt und nicht die des amerikanischen Imperialismus.

Unsere Gewerkschaft ist von jeglicher politischen Partei unabhängig. Die meisten Gewerkschaften in Großbritannien scheinen sich nur einer Gewerkschaftsföderation im Irak bewusst zu sein, der vom Regime autorisierten Irakische Gewerkschaftsföderation (IFTU). Deren Präsident Ramin Awadi ist der stellvertretende Führer der von den USA eingesetzten Partei von Ayad Allawi. Die Führerschaft der IFTU ist aufgeteilt zwischen der regierungstreuen Kommunistischen Partei, Allwais Iraqi National Accord und deren Satelliten. Tatsächlich gibt es noch zwei weitere Gewerkschaftsföderationen, die mit politischen Parteien verbunden sind und dann noch unsere eigene Organisation.

Unsere Gewerkschaft hat bereits gezeigt, dass sie sich gegen eine der mächtigsten US-Gesellschaften, Dick Cheneys KBR, behaupten kann, die versuchte unsere Arbeitsplätze unter dem Schutz der Besatzungskräfte zu übernehmen.

Wir drückten sie raus und zwangen ihren kuwaitischen Subunternehmer, Al Khourafi, 1.000 der 1.200 Angestellten, die sie mitgebracht hatten, gegen irakische Arbeiter auszutauschen, unter denen eine Arbeitslosigkeit von 70 % herrscht. Wir bekämpften auch den Besoldungsplan des USA-Vizekönigs, Paul Bremer, welcher diktierte, dass die im irakischen öffentlichen Dienst Tätigen ID 69.000 (= US $ 35) pro Monat bekommen sollten, wohingegen den ausländischen Söldnern bis US $ 1.000 pro Tag gezahlt wurden. Im August 2003 streikten wir und brachten die gesamte Ölproduktion für drei Tage zum Stillstand. Als ein Ergebnis hatte die Besatzungsverwaltung die Löhne auf mindestens ID 150.000 anheben müssen.

Wir betrachten es als unsere Pflicht die Vorräte des Landes zu verteidigen. Wir sind dagegen und lehnen alle Versuche ab, unsere Ölindustrie und Naturschätze zu privatisieren. Wir betrachten diese Privatisierung als eine Art Neo-Kolonialismus, als einen Versuch eine dauerhafte wirtschaftliche Besatzung in Folge der militärischen Besatzung aufzuzwingen.

Die Besatzung hat mutwillig eine religiöse Trennung von Sunniten und Schiiten erzeugt. Niemals zuvor gab es eine solche Trennung. Unsere Familien heirateten untereinander, wir lebten und arbeiteten zusammen. Und heute widerstehen wir gemeinsam dieser brutalen Besatzung, Falludschah bis Nadschaf bis Sadr City. Der Widerstand gegen die Besatzungsmächte ist ein gottgegebenes Recht der Iraki, und wir, als eine Gewerkschaft, sehen uns selbst als einen notwendigen Teil dieses Widerstandes – selbst wenn unser Kampf darin besteht, unsere industrielle Arbeitskraft, unsere kollektive Stärke als Gewerkschaft und als Teil der Zivilgesellschaft einsetzen, welche wachsen muss, um sowohl die immer noch starken Eliten der Saddamgefolgschaft als auch ausländische Besatzung unseres Landes zu besiegen.

Bush und Blair sollten sich daran erinnern, dass die irakischen Wahlteilnehmer des letzten Monats ebenso feindselig der Besatzung gegenüber stehen wie die, die die Wahl boykottierten. Jene, die behaupten die Arbeitsklasse des Irak zu vertreten, während sie danach rufen, dass die Besatzung noch etwas länger andauern solle, weil sie einen "Bürgerkrieg befürchten", sprechen in Wahrheit nur für sich selbst und der Minderheit von Iraki, deren Interessen von der Besatzung abhängen.

Wir als Gewerkschaft fordern den Abzug der ausländischen Besatzungskräfte und den Abbau ihrer Militärbasen. Wir wollen keinen Zeitplan, das ist nur eine Verzögerungstaktik. Wir werden unsere Probleme selbst lösen. Wir sind Iraker, wir kennen unser Land und wir können für uns selbst sorgen. Wir haben die Mittel, die Fähigkeiten und die Ausstattung zum Wiederaufbau und zur Erschaffung unserer eigenen demokratischen Gesellschaft.

Ehrenamtliche ÜbersetzerInnen : Paul WOODS und Heike REAGAN, coorditrad@attac.org