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Walden Bello
Ein Meilenstein im Globalen Kampf gegen Ungerechtigkeit und Krieg

Eröffnungsansprache beim internationalen Strategie-Treffen von Bewegungen gegen Krieg und Globalisierung in Beirut/Libanon vom 17. bis 19. September 2004

(Walden Bello ist Träger des Right Livelihood Award 2003, besser bekannt als Alternativer Nobel Preis. Er ist geschäftsführender Direktor der in Bangkok ansässigen Forschungsorganisation Focus on the Global South und Professor für Soziologie und öffentliche Verwaltung an der Universität der Philippinen.
Quelle des Originals: http://www.focusweb.org/main/html/Article511.html?POSTNUKESID=a8f8fc8199a0e8d14683ab109394e747 )

Wir sind in einem kritischen Moment hier in Beirut zusammen gekommen. Der gegenwärtige Augenblick wird durch gegenläufige Bewegungen geprägt: Im Irak geraten die USA immer tiefer in einen Vietnam ähnlichen Sumpf, wobei inzwischen die Zahl der seit dem 20. März 2003 getöteten amerikanischen Soldaten die Marke von 1000 in der ersten Septemberwoche überschritten hat.

Und dennoch geht der Bau der zionistischen Mauer in Palästina weiter und wächst mit einer Geschwindigkeit von einem Kilometer pro Tag. Vor einem Jahr, am 14. September 2003, waren einige von uns in Cancun in Mexiko, wo wir im Kongresszentrum vor Freude tanzten und feierten, als das Fünfte Ministertreffen der Welthandelsorganisation (WTO) zusammenbrach. Heute hat sich die WTO, die höchste Institution der konzerngesteuerten Globalisierung, wieder aufgerafft, insbesondere durch die kürzliche Annahme des Genfer Rahmendokuments, das dahingehend gestaltet ist, die ökonomische Entwaffnung der Entwicklungsländer zu beschleunigen.

In New York erlebten wir vor ein paar Wochen, wie George W. Bush und seine Kriegspolitik von über 500.000 Menschen auf den Straßen der Stadt zurückgewiesen wurden Doch heute besagen Meinungsumfragen, dass derselbe George Bush vor John Kerry mit 10 Punkten in Führung liegt, wobei das Ergebnis des Wahlkampfs um das Präsidentenamt erhebliche Auswirkungen auf das Schicksal der Welt für die nächsten vier Jahren haben wird.

Unsere Tagung in dieser historischen Stadt mit ihrer ruhmreichen Geschichte des Widerstandes gegen israelische Aggression und US-amerikanische Intervention findet zu einem Zeitpunkt statt, wo die weitere Entwicklung in der Schwebe ist.

Sehr viel mehr Menschen wollten, wie Ihr wisst, nach Beirut kommen, um dabei zu sein. Unsere heutige Versammlung unterstreicht in ihrem Umfang, ihrer Breite und Vielfalt die Stärke und Kraft unserer Bewegung.

Ein kurzer Überblick über unsere Geschichte im letzten Jahrzehnt ist geeignet, uns bewusst zu machen, wo wir heute stehen.

Unser Marsch aus der Marginalisierung

Vor weniger als 10 Jahren war unsere Bewegung eine Randerscheinung. Die Gründung der WTO im Jahre 1995 schien zu signalisieren, dass die Zukunft der Globalisierung gehören würde, und dass ihre Gegner dasselbe Schicksal erleiden würden wie die Ludditenbewegung, die während der industriellen Revolution gegen die Einführung von Maschinen kämpfte. Globalisierung sollte Wohlstand bringen, und wie konnte man sich dem Versprechen der größten Gütermenge für die größtmögliche Zahl von Menschen widersetzen, mit der die Welt von den transnationalen Konzernen unter der Führung der unsichtbaren Hand des Marktes überschütten werden würde?

Aber die Bewegung beharrte, auch als die mächtigste kapitalistische Maschine boomte, aller spöttischen Herablassung des Establishment in den 90er Jahren zum Trotz auf ihrer Vorhersage, dass die von der Profitlogik der Konzerne angetriebene Liberalisierung und Deregulierung des Handels und der Finanzen zu Krisen führen würden, die Ungleichheiten innerhalb sowie zwischen den Ländern größer und die globale Armut noch gravierender werden würden.

Die asiatische Finanzkrise 1997 lieferte den abrupten und brutalen Beweis für die destabilisierende Wirkung der Beseitigung von Kontrollen der globalen Kapitalströme. Was hätte in der Tat brutaler sein können als die Tatsache, dass die Krise eine Million Menschen in Thailand und 22 Millionen Menschen in Indonesien unter die Armutsgrenzen drückte, und dies in dem verhängnisvollen Sommer 1977in einem Zeitraum von wenigen Wochen?

Die asiatische Finanzkrise war eines jener folgenschweren Ereignisse, das den Leuten die Schuppen von den Augen fallen ließ und sie in die Lage versetzte, die kalten, brutalen Realitäten zu erkennen. Und eine dieser Realitäten war die Tatsache, dass die Politik des freien Marktes, die der Internationale Währungsfonds und die Weltbank rund 100 Entwicklungs- und Schwellenländern aufzwang, in allen bis auf eine Handvoll keinen wirksamen Wachstumskreislauf, Wohlstand und Gleichheit ausgelöst hatte sondern einen Teufelskreis der ökonomischen Stagnation, der Armut und der Ungleichheit. Das Jahr 2001 brachte uns nicht nur den 11. September. Es war auch das Jahr der Abrechnung mit dem Marktfundamentalismus und des Zusammenbruchs der neoliberalen Ökonomie, denn die Widersprüche des von der Finanzspekulation getriebenen, deregulierten globalen Kapitalismus führten in den Vereinigten Staaten dazu, dass sich 4.600 Milliarden US-Dollar an Wertpapieren in Luft auflösten, und leiteten eine Periode der Stagnation und der steigenden Arbeitslosigkeit ein, von der sich die zentrale Volkswirtschaft der Welt bis heute nicht erholt hat.

Da der globale Kapitalismus aus einer Krise in die andere geriet, organisierten sich die Menschen auf den Straßen, in den Betrieben und in der politischen Arena, um sich seiner destruktiven Logik zu widersetzen. Im Dezember 1999 verband sich in Seattle der massive Straßenprotest von 50.000 Demonstranten mit dem Aufstand der Entwicklungsregierungen im Innern des Kongresszentrums, um das dritte Ministertreffen der WTO scheitern zu lassen. Globale Proteste untergruben auch die Legitimität des IWF und der Weltbank, der beiden Säulen globalen ökonomischen Regierungsgebarens, wenngleich auch in weniger dramatischer Weise. Anti-neoliberale Bewegungen brachten neue Regierungen in Venezuela, Argentinien, Brasilien, Ekuador und Bolivien an die Macht. Das fünfte Ministertreffen in Cancun, das sich in der Vorstellung vieler mit dem aufopfernden Selbstmord des koreanischen Bauern und Aktivisten Lee Kyung-Hae auf den Barrikaden verbindet, wurde Seattle II. Und im November letzten Jahres in Miami zwang dieselbe Allianz zwischen der Zivilgesellschaft und den Regierungen der Entwicklungsländer Washington, von dem neoliberalen Programm einer radikalen Liberalisierung von Handel, Finanzen und Investitionen Abstand zu nehmen, das es mittels der Amerikanischen Freihandelszone (FTAA) über die westliche Hemisphäre zu verhängen drohte.

Im Kampf gegen das Imperium

Der Kampf für globale Gerechtigkeit und Gleichheit war die eine Stoßrichtung unserer Bewegung. Die andere zielte gegen Militarismus und Krieg. Die 1980er und 1990er Jahre waren keine guten Jahrzehnte für die Bewegung gegen imperiale Interventionen. Nationale Befreiungskämpfe befanden sich auf dem Rückzug, verloren an Elan oder wurden in vielen Teilen der Welt kompromittiert. Selbstverständlich gab es Ausnahmen wie in Südafrika, wo der ANC an die Macht kam, Palästina, wo die erste Intifada Israel eine politische und militärische Niederlage beibrachte, Libanon, wo sich die USA fluchtartig zurückzogen, nachdem 241 Marines bei einem Bombenangriff auf ihre Basis, wenige Kilometer von hier entfernt, umkamen, und wo die Israelis im Laufe des folgenden Jahrzehnts schrittweise hinausgedrängt wurden. Und nicht zu vergessen Somalia, wo die Vernichtung einer Einheit von US-Rangers die Clinton-Regierung zwang, ihre militärische Intervention im Oktober 1993 zu beenden.

Die Ideologen der Globalisierung förderten die Illusion, dass eine beschleunigte Globalisierung zu einer Herrschaft "andauernden Friedens" führen würde. Im Gegensatz dazu warnte unsere Bewegung, dass in dem Maße, wie die Globalisierung fortschritt, ihre ökonomisch und sozial destabilisierenden Effekte zu vermehrten Konflikten und Unsicherheiten führen würden. Angetrieben von der Logik der Konzerne, so warnten wir, würde die Globalisierung eine Ära des aggressiven Imperialismus einleiten, der versuchen würde, oppositionelle Kräfte niederzuringen, natürliche Ressourcen unter Kontrolle zu bringen und Märkte zu erobern.

Unsere Einschätzung erwies sich als richtig, aber wir brauchten einige Zeit, um die richtige Orientierung zu finden.

Wir waren durch die Ereignisse des 11. September 2001 und die Innenpolitik Afghanistans immer noch zu desorientiert, um im Stande zu sein, auf die Invasion der USA in diesem Lande wirkungsvoll zu reagieren. Doch wurde bald deutlich, dass der so genannte Krieg gegen den Terror nichts weiter als ein Vorwand war, um die absolute Vorherrschaft bei allen erdenklichen militärische Mitteln durchzusetzen, die im Pentagon-Jargon die "Voll-Spektrum-Dominanz" genannt wird.

Ende 2002 und Anfang 2003 trat die Bewegung schließlich in Aktion und wurde zu einer globalen Kraft für Gerechtigkeit und Frieden, die am 15. Februar 2003 weltweit mehrere Zehnmillionen Menschen gegen die geplante Invasion im Irak mobilisierte. Es gelang uns nicht, die amerikanische und britische Invasion zu stoppen, aber wir haben gewiss dazu beigetragen, die Besatzung zu delegitimieren und es zunehmend schwieriger zu machen für Invasoren, die in unverschämter Weise internationales Recht brachen und viele Bestimmungen der Genfer Konventionen verletzten, um sich im Irak festzusetzen.

Die New York Times schrieb anlässlich des Protestmarsches am 15. Februar 2003, dass in der heutigen Welt nur noch zwei Supermächte übrig geblieben sind, die Vereinigten Staaten und die globale Zivilgesellschaft. Lassen Sie dazu anmerken, dass ich nicht daran zweifle, dass die Kräfte der Gerechtigkeit und des Friedens über die USA, die zeitgenössische Verkörperung von Imperium, Blut, Terror und Habgier, die Oberhand gewinnen werden.

Der Irak, der Widerstand und die Bewegung

Unsere Bewegung befindet sich in einer Aufwärtsentwicklung. Aber unsere Agenda ist riesig, unser Aufgaben gewaltig. Um nur einige zu nennen: Wir müssen die USA aus Irak und Afghanistan vertreiben. Wir müssen die zunehmend völkermörderische Politik Israels gegen das palästinensische Volk stoppen. Wir müssen die Herrschaft des Rechts gegen gesetzlose Schurkenstaaten wie die USA, Großbritannien und Israel durchsetzen. Ferner haben wir noch eine Wegstrecke zurückzulegen, bevor wir zu einer kritischen Masse werden, welche den Kampf für die nationale Befreiung im Irak entscheidend beeinflusst.

Lassen Sie mich dies erläutern. In den letzten Monaten gab es zwei bezeichnende Ereignisse im Irak. Das eine war die Enthüllung der systematischen sexuellen Misshandlungspraktiken im Gefängnis von Abu Graib bei Bagdad. Das zweite war der Aufstand in Falludscha im April.

Der Abu Ghraib-Skandal, der weltweit überwiegend Entrüstung hervorrief und die meisten Amerikaner beschämte, hat der Präsenz der USA im Irak das letzte bisschen Legitimität entzogen. Der Aufstand in Falludscha, bei dem irakische Männer, Frauen und Kinder die Elite der kolonialen Legionen Washingtons, die US-Marines, besiegten, war der Wendepunkt im irakischen Krieg der nationalen Befreiung. Auf Falludscha folgten Aufstände in anderen Städten wie Nadjaf und Ramadi. Es zeigte sich, dass nicht Überreste des Saddam Hussein-Regimes den irakischen Widerstand ausmachen sondern eine Bewegung, die weit verbreitet, populär und im Aufwind ist.

Lassen Sie mich eine kürzliche Beschreibung der New York Times von den Verhältnissen in Ramadi und Falludscha zitieren, die insofern eine Art Mikrokosmos des Irak darstellen. Dort heißt es, dass "die amerikanischen Anstrengungen, eine neue Regierungsstruktur um ehemalige Mitglieder der Bath-Partei herum aufzubauen, zusammen gebrochen sind." Stattdessen sind beide Städte und große Teile der Provinz Anbar "jetzt unter der Kontrolle von Milizen, die US-Truppen sehen sich hauptsächlich auf schwer bewachte Festungen am Rande der Wüste beschränkt. Was den Amerikanern an geringem Einfluss verbleibt, üben sie durch vereinzelte Vorstöße mit Panzerfahrzeugen und durch lasergesteuerte Bomben aus. [Aber] selbst Bombenangriffe scheinen die [Milizen] zu stärken, die für die vielen zivilen Toten die Amerikaner verantwortlich machen."

Die Frage, Freunde und Genossen, ist nicht länger, ob Washington schließlich vom irakischen Widerstand besiegt werden wird. Es wird besiegt werden. Die Frage ist jetzt, wie lange Washington noch an einer unmöglicher Situation festhalten wird. Auf die Lösung dieser Problematik hat unsere Rolle in der weltweiten Friedensbewegung eine sehr bedeutende Auswirkung.

Washington hält trotz täglicher Angriffe des Widerstands auf seine Truppen an seiner Position fest. So wie die Dinge liegen, würde der Sieg des Widerstands des irakischen Volkes unbedingt durch einen Umstand beschleunigt werden, nämlich durch das Entstehen einer starken weltweiten Anti-Kriegsbewegung wie die, die vor und nach der Tet-Offensive 1968 täglich und zu Tausenden auf die Straße ging. Bisher hat sich dies nicht verwirklicht, obgleich die Ablehnung der Präsenz der USA im Irak ein weltweit vorherrschendes Gefühl ist, und sich inzwischen bei einer Mehrheit der Öffentlichkeit in den USA Desillusionierung über die Politik der Regierung breit gemacht hat.

In der Tat hatte die internationale Friedensbewegung gerade zu einer Zeit, als dies für das Volk des Irak am notwendigsten war, Schwierigkeiten, in die Gänge zu kommen. Die Demonstrationen am 20. März 2004 waren bedeutend kleiner als am 15. Februar 2003, als mehrere Zehnmillionen weltweit gegen die geplante Invasion im Irak marschierten. Die Art des internationalen Massendrucks, der Auswirkungen auf die politischen Entscheidungen hat, Demonstrationen von Hunderttausenden in einer Stadt nach der anderen, das haben wir jedenfalls noch nicht.

Vielleicht ist ein Hauptgrund dafür, dass ein bedeutender Teil der internationalen Friedensbewegung zögert, den irakischen Widerstand zu legitimieren. Um wen handelt es sich? Können wir sie wirkliche unterstützen? Diese Fragen wurden den Befürwortern eines bedingungslosen militärischen und politischen Rückzugs aus dem Irak immer wieder entgegen gehalten. Machen wir uns nichts vor: der Einsatz von Selbstmord als politische Waffe stört weiterhin viele Aktivisten, die von Erklärungen abgestoßen werden wie solchen von palästinensischen Führern, die stolz betonen, dass Selbstmordattentäter auf Seiten unterdrückter Menschen das Äquivalent für die F-16 sind. Nennen wir die Dinge beim Namen: die Tatsache, dass ein großer Teil des Widerstands im Irak und in Palästina islamisch statt säkular motiviert ist, stört immer noch viele westliche Friedensaktivisten.

Aber noch nie hat es eine hübsch anzuschauende Bewegung der nationalen Befreiung oder Unabhängigkeit gegeben. So waren auch viele Fortschrittliche von den Methoden der "Mau Mau"-Bewegung in Kenia, der FLN in Algerien, der NLF in Vietnam abgestoßen. Was Fortschrittliche manchmal vergessen ist, dass die nationalen Befreiungsbewegungen sie nicht um eigentlich ideologische oder politische Unterstützung bitten. Was sie allerdings von der Außenwelt, von Fortschrittlichen wie unsereins, erwarten, ist internationaler Druck für den Rückzug einer illegitimen Besatzungsmacht, damit interne Kräfte den Spielraum haben, um eine wirklich nationale auf ihren eigenen, spezifischen Bedingungen beruhende Regierung zu bilden. Wenn Friedensaktivisten nicht aufhören, ihre Aktionen unausgesprochen von einer Garantie abhängig zu machen, dass eine nach den von ihnen propagierten Werten und Diskursen maßgeschneiderte nationale Befreiungsbewegung an die Macht kommt, werden viele von ihnen weiterhin in dem Paradigma befangen bleiben, anderen Völkern ihre Bedingungen aufzuerlegen.

Lassen Sie mich klar sagen: Wir können keine an Bedingungen geknüpften Lösungen befürworten - auch nicht eine, die besagt, Rückzug der US- und Koalitionstruppen nur, wenn es eine Sicherheitspräsenz der Vereinten Nationen an Stelle der Amerikaner gibt. Das einzig Prinzip, das Bestand hat, ist: Bedingungsloser Rückzug der militärischen und politischen Kräfte der USA und der Koalition, und zwar sofort. Punkt.

Aber wenn auch die Zukunft im Irak noch in der Schwebe ist, so hat doch der irakische Widerstand bereits dazu beigetragen, die globale Gleichung zu verändern.

Die USA sind heute schwächer als am 1. Mai 2003, als Bush den Sieg im Irak verkündete. Die Atlantische Allianz, die den kalten Krieg gewonnen hat, funktioniert nicht mehr, weitgehend wegen der Spaltung über dem Irak. Spanien und die Philippinen wurden gezwungen, ihre Truppen aus dem Irak zurückzuziehen, und Thailand ist still und leise gefolgt und trägt weiter zur Isolierung der USA bei. Die Lage in Afghanistan ist heute instabiler als voriges Jahr mit einer US-Besatzung, deren Befehlsgewalt nur in die Vororte Kabuls reicht. Der militante Islam, den die USA jetzt als ihren Feind Nummer Eins betrachten, breitet sich nunmehr viel kraftvoller in Südostasien, Südasien und dem Mittleren Osten aus. In Lateinamerika haben wir inzwischen volkstümliche Massenbewegungen gegen Neoliberalismus und USA in Brasilien, Argentinien, Venezuela und Bolivien, die entweder an der Regierung sind oder es den Regierungen schwer machen, ihre neoliberalen marktwirtschaftlichen Politiken beizubehalten. Hugo Chavez hat den Imperialismus in seinem eigenen Hinterhof frontal herausgefordert, und er bleibt an der Macht dank der organisierten Unterstützung des venezolanischen Volkes. Mehr Macht für ihn und das venezolanische Volk!

Dank ihrer Hybris leiden die USA an der verhängnisvollen Krankheit aller Imperien, nämlich an übermäßiger imperialer Ausdehnung. Unsere Rolle besteht darin, wie der kubanische Revolutionär Che Guevara sagte, diese Krise der Überausdehnung zu verschärfen. Wir müssen nicht nur internationale Solidaritätsbewegungen gegen die USA im Irak, gegen die Axe USA-Israel in Palästina und gegen die schleichende US-Intervention in Kolumbien schaffen. Es gilt auch, Kämpfe gegen die imperiale Präsenz der USA in unseren eigenen Ländern und Regionen ins Leben zu rufen oder wieder zu beleben. Beispielsweise ist der Kampf gegen die US-Basen in Nordostasien und die erneute US-Militärpräsenz aufgrund des so genannten Krieges gegen den Terror in Südostasien eine Angelegenheit, der wir uns in Ostasien erneut annehmen müssen.

Zu einer neuen globalen Wirtschaftsordnung

Der Kampf gegen Imperialismus und Krieg ist eine Front unseres Kampfes. Die andere Front ist der Kampf für eine Änderung der Regeln der Weltwirtschaft; denn es ist die Logik des globalen Kapitalismus, die von den USA, der Europäischen Union und Japan ausgeht, welche die Ursache der Verwerfungen in Gesellschaft und Umwelt bildet. Die Herausforderung, mit der wir konfrontiert sind, geht über die Aufgabe hinaus, Institutionen wie Welt Bank, Internationaler Währungsfonds und Welthandelsorganisation einfach nur ihre Macht zu nehmen, wenngleich schon diese Aufgabe nicht unterschätzt werden sollte - was die kürzliche Wiederauferstehung der WTO in Genf bewiesen hat, die, wie viele von uns dachten, in Cancun einen schweren, ihre Grundfesten erschütternden Schlag erlitten hatte.

Die Herausforderung besteht darin, dass wir selbst dann wenn wir das Alte dekonstruieren, es wagen müssen, Vorstellungen von der Zukunft zu entwickeln und die Menschen für unsere Visionen und Programme für das Neue zu gewinnen. Im Gegensatz zu den Behauptungen der Ideologen des Establishment sind die Prinzipien, die als Säulen einer neuen globalen Ordnung zu dienen haben, gegenwärtig schon vorhanden. Das vorrangige Prinzip besteht darin, dass nicht die Wirtschaft und der Markt die Gesellschaft bestimmen dürfen, sondern vielmehr der Markt in die Gesellschaft "wieder eingebettet" werden muss, um das Bild des großen ungarischen Gelehrten Karl Polanyi zu verwenden, und von den überragenden Werten der Gemeinschaft, Solidarität, Gerechtigkeit und Gleichheit regiert sein muss. Auf internationaler Ebene muss die globale Wirtschaft entglobalisiert und von der verzerrenden, entstellenden Logik des Profitstrebens der Konzerne befreit und wirklich internationalisiert werden, was bedeutet, dass die Teilhabe an der internationalen Ökonomie dazu dienen muss, zu stärken und zu entwickeln statt Destintegration und Zerstörung lokaler und nationaler Ökonomien herbeizuführen.

Die Perspektive und die Prinzipien sind gegeben; die Herausforderung besteht in der Art und Weise, wie jede Gesellschaft diese Prinzipien und Programme in einer ihr entsprechenden einzigartigen Weise umsetzen kann, ihren Werten, ihrem Rhythmus und ihrer Eigenart als Gesellschaft entsprechend. Das mag man meinetwegen post-modern nennen, aber im Mittelpunkt unserer Bewegung steht die Überzeugung, dass es im Gegensatz zu dem Glauben sowohl des Neoliberalismus wie des bürokratischen Sozialismus keinen für alle passenden Schuh gibt. Es ist nicht länger die Frage einer Alternative sondern von Alternativen. Und solange es keine neue globale Ordnung gibt, die auf den Prinzipien der Gerechtigkeit, der Souveränität und des Respekts vor der Vielfalt gibt, wird es keinen wirklichen Frieden geben.

Zwei Herausforderungen

Aber lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf unsere dringende Aufgabe zurückkommen, die darin besteht, die USA in Irak und Israel in Palästina zu besiegen. Wir alle sind nicht hierher gekommen, um unsere Stärke zu zelebrieren, sondern vor allem um uns in den nächsten Tagen mit unseren Schwächen zu befassen.

Lassen Sie mich nur eine Herausforderung erwähnen, die wir ansprechen müssen, und dass ist die Frage, wie wir über spontane Aktionen, über eine Koordination, die auf der Ebene der Koordination von internationalen Protesttagen erfolgt, hinauskommen. Der Feind ist auf globaler Ebene außerordentlich gut koordiniert, und wir haben keine andere Wahl als diesem Niveau an Koordination und Kooperation etwas Gleichwertiges entgegen zu stellen. Dies müssen wir allerdings mit einem Professionalismus tun, der unsere demokratischen Praktiken respektiert - wir müssen dem in der Tat etwas entgegenstellen, was unsere demokratischen Praktiken in einen Vorteil verwandelt.

Die andere Herausforderung, die ich betonen möchte, besteht darin, die politische und kulturelle Lücke zwischen der globalen Bewegung für Gerechtigkeit und Frieden und den ihr entsprechenden Kräften in der arabischen und islamischen Welt zu schließen. Dies ist eine Lücke, die der Imperialismus zur Genüge ausgenutzt hat, wobei er sich bemüht, unsere arabischen und moslemischen Genossen als Terroristen oder Unterstützer von Terroristen zu diffamieren. Wir können nicht zulassen, dass diese Situation fortbesteht, weshalb wir auch dieses Treffen in Beirut abhalten. Lassen Sie mich ausdrücklich feststellen: sofern nicht die globalen Bewegungen und die arabischen Bewegungen feste, organische Bande der Solidarität knüpfen, werden wir den Kampf gegen die konzerngesteuerte Globalisierung und gegen den Imperialismus nicht gewinnen.

Nun, Freunde, die Zukunft des Kampfes ist in der Schwebe, wird aber durch das beeinflusst, was hier in Beirut in den nächsten Tagen geschieht. Werden wir vorwärts schreiten, auf der Stelle verharren oder zurückfallen? Die Antwort hängt von jedem einzelnen der über 300 angemeldeten Delegierten ab, die hier aus der ganzen Welt zusammen gekommen sind. Ich bin vorsichtig zuversichtlich. Warum? Weil ich weiß, hier ist der gute Wille, die Toleranz gegenüber unterschiedlichen Auffassungen, und es gibt den politischen Wille zur einheitlichen Aktion, um die Kräfte der Ungerechtigkeit, der Unterdrückung und des Todes zu überwinden.

Ich danke Ihnen.

Übersetzung aus dem Englischen: Klaus von Raussendorff