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Ein anderer Blick auf den Widerstand
Die irakische KP, andere irakische Kommunisten und die UZ
Von Joachim Guilliard

Anstoß, Juni 2007
http://anstoss.dkp-berlin.info/Jun_07/Irak.html  (sowie http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=11004&css=print )

Das Thema Irak fristet an sich in der DKP-Wochenzeitung Unsere Zeit eher ein Schattendasein. „Ausnahmen sind immer wieder umfangreiche Interviews mit Vertretern der "Irakischen Kommunistischen Partei" (IKP). Mehr scheint wohl auch nicht nötig, da die Dinge im großen und ganzen ja in die richtige Richtung laufen - zumindest nach Ansicht der wichtigsten Gewährsleute der Parteizeitung“, kommentiert Joachim Guillard im Berliner Anstoß, der Monatsschrift der Berliner DKP-Bezirksorganisation. – Die Redaktion. 

"Die USA und ihre Alliierten sind nach wie vor eine starke Kraft im Irak, aber die Entwicklung im Irak zeigt deutlich, dass die eigenen Kräfte unseres Landes in der Lage sind, die Richtung, den Inhalt und den Weg der politischen Entwicklung zu steuern," behauptet Rashid Ghewielib allen Ernstes in der UZ-Ausgabe vom 4. Mai. (1)

Irakkonferenz
Internationale Irak-Konferenz 2005 Berlin

Unabhängig wie ein Hund an der Leine

Mit dieser Ansicht steht Ghewielib ziemlich allein, genießen die irakischen Institutionen doch, wie es der Völkerrechtsprofessor Sir Adam Roberts ausdrückte, die "gleiche Unabhängigkeit wie ein Hund an der Leine". Solange er in die gleiche Richtung wie sein Herr trotten will, ist dieser auch "frei".

Jeder weiß, dass die wesentlichen Entscheidungen für den Irak in Washington und in der riesigen US-Botschaft in Bagdad gefällt werden. Im Krieg der US-Truppen gegen die Gegner der Besatzung haben auch die irakischen Verbündeten keinerlei Mitsprache. Als vor kurzem der irakische Premier nach breiten landesweiten Protesten gegen die Mauer um einen "aufständischen" Stadtteil Bagdads einen unverzüglichen Baustopp verfügte, haben die zuständigen US-Kommandeure nur gegrinst: Die Mauer wurde fertig gestellt und 10 weitere um ebenso widerspenstige Stadtviertel werden folgen.

Auch das neue UZ-Interview reiht sich nahtlos in die Politik der IPK der letzten Jahre ein. Von Beginn an hat sie sich nach Kräften bemüht, die reale Besatzungsherrschaft als "politischen Prozess" hin zur "Demokratie und Unabhängigkeit" zu verklären. Sie bedient sich dabei stets derselben Rosstäuscherei: die im Irak übliche Kritik an den Besatzern wird zwar in ein paar allgemein gehaltenen Floskeln aufgegriffen, anschließend jedoch wieder völlig negiert, indem man sich ohne wenn und aber hinter den von den USA betriebenen "politische Prozess" stellt. Selbstverständlich sei man gegen die Besatzung, so wird stets versichert, aber gehen sollen die fremden Truppen doch bitte erst, wenn irakische Regierung und Armee die Lage allein im Griff haben - mit anderen Worten, wenn es den USA und ihren Verbündeten gelungen ist, ihre Ziele umzusetzen - gegen den Willen der Mehrheit im Land. (2)

Autor Joachim Guillard (rechts) – auf der Irak-Konferenz
Autor Joachim Guilliard (rechts) – auf der Irak-Konferenz

Milliarden Dollar an US-Konzerne

Für Versorgungsprobleme und den fehlende Wiederaufbau macht Ghewielib einmal mehr den Widerstand verantwortlich. Die Berichte über die Veruntreuung von zig Milliarden Dollar, die sich US-Konzerne ohne sichtbare Gegenleistung in die Taschen steckten oder völlig spurlos verschwanden, sind ihm und seinen Genossen offenbar entgangen. Der Hauptwiderspruch ist für ihn offensichtlich zwischen denen, "die den politischen Prozess unterstützen" und "denen, die versuchen, sich durch Terror und Gewalt als ,Widerstand' darzustellen."

Die IKP hat sich von Anfang an gegen den Widerstand gestellt. Demagogisch werfen ihre Vertreter alle Gewalttaten in einen Topf und schreiben sie pauschal dem Widerstand zu. Sicherlich gibt es Terrorgruppen und sektiererische Milizen, die im ihr Unwesen treiben. Viele stehen jedoch den

Regierungsparteien nahe und gehören wie die Folter zum hässlichen Gesicht ihres "politischen Prozesses". Auf der anderen Seite kann man selbst den Statistiken der US-Armee entnehmen, dass sich die Angriffe des nationalen Widerstands selbst nahezu ausschließlich gegen die Besatzer und ihre einheimischen Hilfstruppen richten. Und diese Angriffe werden Umfragen zufolge von fast zwei Dritteln aller Iraker und sogar 91% der Sunniten
unterstützt. (3)

Sami Ramadani
Sami Ramadani: „Traf wie ein Schock“ - Fotos: Gabriele Senft/Arbeiterfotografie

IKP in keinem der zivilen Widerstandsbündnisse

Angeblich hat sich die IKP auch den "Kampf gegen Privatisierungen" auf die Fahnen geschrieben und möchte erreichen, "dass das Öl nicht aus der staatlichen Kontrolle gerät". Ohne den Widerstand wäre dies aber bereits Realität. Rashid G. bedauert, dass aufgrund der Sabotage an den Pipelines wenig Öl exportiert werden kann. Wohin würden denn seiner Meinung nach die Einnahmen fließen? Etwa in die Versorgung mit Lebensmittel oder Medizin? Die USA geben über fünf Milliarden US-Dollar pro Monat für den Krieg aus, in den Krankenhäuser gibt es aber oft noch nicht mal mehr Verbandmaterial. - Ist dies die Schuld des Widerstands?

Es gibt zudem nicht nur den bewaffneten Widerstand, sondern trotz Besatzungsherrschaft, Repression, Folter und Todesschwadronen auch eine sehr aktive zivile Opposition, auch eine gewerkschaftliche. Die IKP und die von ihr dominierte Gewerkschaft sind jedoch in keinem der zivilen Widerstandsbündnisse vertreten.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass keine Kommunisten am Widerstand beteiligt sind. Wenn Rashid G. behauptet, es gäbe keine Abspaltungen von der offiziellen KP, so ist das natürlich glatt gelogen. Bedeutende Teile haben sich bereits viel früher abgespalten, so die "IKP (Zentralkommando)" und die "IKP (Kader)" - nicht zu letzt auch wegen Paktierens der Parteiführung mit Gegnern Irak.

„KP-Führung mit den Besatzern vereinigt“

Abgewandt hat sich zu Beginn der Besatzung beispielsweise auch das langjährige Politbüromitglied Baqer Ibrahim Al-Mousawi. Gemeinsam mit Ahmed Karim, der ebenfalls lange Jahre ein führendes Mitglied der Partei war, stellte er in einem offenen Brief fest, dass "die Führung der Kommunistischen Partei lügt, wenn sie behauptet, gegen den Krieg des Landes gewesen zu sein, oder wenn sie behauptet, für ein Ende dieser Besatzung einzutreten. Diese Führung, genauso wie eine Reihe anderer politischer Bewegungen, hat sich mit den Besatzern vereinigt, und es ist daher sinnlos zu  versuchen, die von einer anderen Linie zu überzeugen."

Beide beteiligen sich seither aktiv am Widerstand. Baqer Ibrahim ist Mitglied im Generalsekretariat des Irakischen Nationalen Gründungskongresses (INFC), einer Dachorganisation, die nach dem Vorbild des Afrikanischen National Kongress (ANC) einen guten Teil des zivilen Widerstands zusammenfasst. Im gehören über hundert Organisationen und zahlreiche prominente Persönlichkeiten an, darunter Vertreter aller Konfessionen, sowie
säkulare, nationale und linke Gruppierungen. (4)

Ahmed Karim ist als Führer der "Demokratischen kommunistischen patriotischen Strömung" (5) Mitglied im "Vereinigten Politischen Kommando des irakischen Widerstands", dem bisher breitesten Widerstandsbündnis. Neben baathistischen, panarabischen, linken und religiösen Gruppen gehören ihm auch der INFC und drei der bedeutendsten Guerillaorganisationen an. Bei allen dreien erkennen selbst US-amerikanische "Terrorismusexperten" an, dass sie keine Bombenanschläge gegen Zivilisten durchführen oder Geiseln entführen.

Marxistische Guerillagruppe

Neben Karims "Strömung" sind auch noch weitere kommunistische Parteien und Gruppen in diesem Bündnis beteiligt. So die IKP (Zentralkommando) und die kommunistische Volksunion. Letztere wird z.B. von der spanischen KP auch als Schwesterorganisation anerkannt. (6) Am vereinigten Kommando ist sie durch ihren Vorsitzenden Yusuf Hamdan Amer beteiligt, ebenso wie Ibrahim und Karim einer der historischen Führer der irakischen Linken. Vermutlich ist auch die vorwiegend aus dem Exil arbeitende IKP (Kader) mit von der Partie.

Seit kurzem macht auch eine marxistische Guerillagruppe, der "Irakische bewaffnete revolutionäre Widerstand" von sich reden. In Flugblättern, die mit dem Bild von Che Guevara geschmückt sind, bekannte sich die Gruppe, die sich als "Bewegung irakischer Kommunisten und Marxisten, mit Erfahrung im bewaffneten Kampf" beschreibt, zu einigen Angriffen auf US-Truppen und rief zum "Widerstand gegen die amerikanischen, britischen und zionistischen Besatzer“ auf, um den Irak zu befreien und eine sozialistische, demokratische Alternative zu schaffen. (7)

Die zahlenmäßige Stärke dieser patriotischen und antiimperialistischen kommunistischen Gruppen ist nicht groß, dennoch haben sie einen gewissen politischen Einfluss auf die Widerstandsbewegung. Die offizielle KP spielt hingegen im Irak praktisch überhaupt keine Rolle mehr. Nachdem sich die Parteiführung mit ihrem Eintritt in den vom US-Statthalter Paul Bremer eingesetzten "Regierungsrat" offen an die Seite der Besatzer gestellt hatte,
verspielte sie beim Gros ihrer Mitglieder und Sympathisanten den letzten Kredit.

"Die Ankündigung traf einige Parteimitglieder, die ich in Bagdad letztes Jahr traf, wie ein Schock", so Sami Ramadani von den "Irakischen Demokraten gegen die Besatzung“. "Von diesem Tag an wurde die Partei von den meisten Irakern als kollaborierende Kraft angesehen, deren Führer z.T. nun ihr Gehalt von der Besatzungsbehörde beziehen." (8) Übrig blieb nur noch eine Fassade. In den diversen Umfragen, die sich nach den Sympathien für irakische Gruppen erkundigen, wird sie nicht einmal erwähnt.

( 1 ) Rashid Ghewielib, Die IKP und die aktuelle Lage im Irak, Interview mit  von der Irakischen Kommunistischen Partei, unsere zeit , 4. Mai 2007
( 2 ) siehe hierzu die ausführliche Analyse der Politik der IKP in "Irak - Besatzungsherrschaft, Widerstand und die Rolle der irakischen KP" vom 28.11.2004, die ich als Reaktion auf einen Vortrag von Heinz Stehr schrieb: http://www.antikriegsforum-heidelberg.de/irakkrieg2/statement/lb_stehr_ikp_uz.htm .
( 3 ) "The Iraqi Public on the US Presence and the Future of Iraq", WorldPublicOpinion.org, 27.9.2006.
http://www.worldpublicopinion.org/pipa/articles/brmiddleeastnafricara/250.php?nid=&id=&pnt=250&lb=brme
( 4 ) "Besatzungsgegner schließen sich zusammen - Vereinigtes Politisches Kommando des irakischen Widerstands gebildet", junge Welt, 11.11.2006
( 5 ) Zur Ahmed Karim siehe das Interview, das "Haló Noviny", die Zeitung der KP Böhmens und Mährens am 08.01.2006, mit ihm führte,
http://www.kommunisten.at/article.php?story=2006010823101132
( 6 ) "Yusuf Hamdan, dirigente comunista iraquí de la UP, participará en la Fiesta del PCE -- El PCE reconoce a la Unión del Pueblo como "organización comunista hermana" en Iraq"
http://www.iraqsolidaridad.org/2004-2005/agenda/pce_1-09-05.html
( 7 ) "Iraqi Marxist Insurgent Group Declared", Iraqslogger, 15.5.2007
http://www.iraqslogger.com/index.php/post/2790/Iraqi_Marxist_Insurgent_Group_Declared
( 8 ) Aus einem Brief von Sami Ramadani, Hochschullehrer in London und häufiger Kommentator im Guardian, über IKP und IFTU an britische Gewerkschaften, http://www.idao.org/sami-iftu.html .