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»Krieg über den Krieg« im Pentagon

Enthüllungsreporter Hersh im New Yorker: US-Militärs bremsen Angriffsplanung für Ziele im Iran
Von Rainer Rupp
junge Welt, 04.07.2006 / Ausland / Seite 6
http://www.jungewelt.de/2006/07-04/056.php

Nur widerwillig folgte die US-Generalität den Befehlen ihres Präsidenten zur Ausarbeitung von operationellen Plänen für einen umfassenden Luftkrieg gegen Iran. Das zumindest berichtet in den jüngsten Ausgabe des New Yorker (10.7.) der Enthüllungsreporter Seymour Hersh. Im Pentagon herrsche derzeit »Krieg über den Krieg«. Das Argument der Militärs: Mit einem Luftkrieg würde es »höchstwahrscheinlich nicht gelingen, Irans Atomprogramm zu zerstören«.

Insbesondere dem Widerstand des höchsten US-Militärs, General Peter Pace, sei es zu verdanken, so Hersh, daß das Weiße Haus seit Ende April nicht länger auf Plänen für einen möglichen Einsatz von Atomwaffen besteht. Nach Hershs Auffassung ist es geradezu paradox, daß gerade die Top-Militärs die zivile US-Führung »vor den schwerwiegenden wirtschaftlichen, politischen und militärischen Folgen eines Angriffs auf Iran für die Vereinigten Staaten« warnten. Dabei stecke den Planern die Erfahrung mit den vorgeblichen Massenvernichtungswaffen aus dem Irak-Krieg in den Knochen. »Schlüsselelement der Skepsis des US-Militärs ist die Tatsache, daß weder amerikanische noch europäische Geheimdienste irgendwelche spezi­fischen Hinweise auf verbotene (Atom-)Aktivitäten oder versteckte (Nuklear-)Anlagen haben«, schreibt Hersh unter Berufung auf einen General. Folglich wüßten die Planer auch nicht, welche Ziele sie festlegen sollten.

Von besonderer Bedeutung für die Planer sind die Fähigkeiten der Iraner, nach einem US-Luftschlag zurückzuschlagen. Dazu gehöre, so von Hersh zitierte Militärs, eine Kappung des Ölstroms nach Westen durch Schließung der Straße von Hormuz. Iran habe viele Möglichkeiten einer »asymetrischen Kriegsführung«, wie die Entsendung von »hunderttausend iranischen Freiwilligen« in den Irak. Eine US-Bodeninvasion des Iran sei angesichts der akuten Probleme in Irak unmöglich. Aber dennoch glaubte die Führung, »sie könnte so etwas tun und ungeschoren davonkommen«, klagten die Militärs.

Warnungen vor Krieg gegen Iran

US-General spricht von Risiken für die gesamte Region
Von Rainer Rupp

03.05.2006 / Ausland / Seite 2
http://www.jungewelt.de/2006/05-03/009.php

Nach der massiven Kritik pensionierter US-Generäle am Irak-Krieg und ihren impliziten Warnungen gegen einen Iran-Krieg hat sich nun auch ein aktiver hoher Militär der USA zu Wort gemeldet. Generalleutnant Victor Renuart, Planungsdirektor bei den Vereinigten Stabschefs der US-Streitkräfte, erklärte im britischen Daily Telegraph vom Dienstag, US-Militärschläge gegen Iran steckten voll unberechenbarer Risiken, mit Rückwirkungen müsse in der gesamten Region des Mittleren Ostens gerechnet werden. »Jede militärische Aktion ist sehr kompliziert«, betonte der General gegenüber dem Telegraph und fuhr fort: »Und jede Aktion eines Landes wird auf anderen Ebenen zu Folgeeffekten führen, und deshalb ist es sehr wichtig, den diplomatischen Prozeß fortzuführen und sicherzustellen, daß es klappt.«

Renuart steht nicht allein. Der frühere Nationale Sicherheitsberater Zbigniew Brezinski hatte in der vergangenen Woche einen eventuellen US-Angriff gegen Iran als einen »monumentalen Akt des strategischen Wahnwitzes« bezeichnet. Die Konsequenzen eines Militärschlages gegen Iran wären »so verheerend, daß sie sogar vorzeitig die Ära der US-amerikanischen Dominanz auf der Weltbühne beenden könnten«. Zugleich warnte der frühere US-Senator Bob Graham in einem Interview des konservativen Fernsehsenders Fox-News, daß US-Luftschläge gegen Iran »den Dritten Weltkrieg einleiten könnten«.

Auch treue Verbündete der USA werden unruhig. So erklärte der türkische Außenminister Abdullah Gul am Sonntag bei einem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, sein Land werde den amerikanischen Bitten nicht nachkommen, türkische Basen für einen Angriff gegen Iran zu nutzen, obwohl Washington im Gegenzug den Bau eines Atomkraftwerkes angeboten habe. Ebenfalls am Sonntag brach der ehemalige US-Außenminister und Exgeneral Colin Powell sein Schweigen und stützte die Kritik der Generäle am Weißen Haus. Auch er habe gegenüber Präsident George W. Bush und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld seine Zweifel in bezug auf die US-Truppenstärke im Irak geäußert, aber »die Verantwortlichen« hätten »anders entschieden.«

Drohende Zersetzung

USA: Ehemalige Militärs und Politiker sehen Risiko für Streitkräfte durch fortgesetzte Kriege in Irak und Afghanistan. Verklausulierte Warnung vor Feldzug gegen Iran
Von Rainer Rupp

junge Welt, 27.01.2006 / Ausland / Seite 7
http://www.jungewelt.de/2006/01-27/016.php

Die US-Army und das Marine Corps könnten das derzeit herrschende Tempo der Militäraktionen im Irak und Afghanistan nicht unbegrenzt durchhalten, ohne dauerhaften Schaden zu nehmen. Das ist die Quintessenz eines Berichtes, den eine Gruppe von hochrangigen ehemaligen Politikern und Militärs unter Vorsitz von William Perry, der von 1994 bis 1997 unter US-Präsident William Clinton Chef des Pentagon gewesen war, am Mittwoch in Washington der Presse vorgestellt hat. Durch die Einsätze seien die Bodenstreitkräfte des US-Militärs dermaßen stark gefordert, daß »potentielle Gegner« versucht sein könnten, die USA herauszufordern.

»Wenn der Druck nicht nachläßt, wird das sehr zersetzende, langfristige Auswirkungen auf unser Militär haben«, warnte Perry, unterstützt von Politikern wie der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright und Clintons Nationalem Sicherheitsberater Sandy Berger. Mitgearbeitet an der Studie hatten unter anderem auch der frühere Chef der Vereinigten Stabschefs, General John Shalikashvili, und NATO-Oberbefehlshaber General Wesley Clark.

Trotz gegenteiliger Erklärungen des Pentagon warnt der Bericht vor der sich abzeichnenden Personalkrise in der US-Army. Während die Rekrutierungsziele mit zunehmend größeren Margen verfehlt werden, verlassen immer mehr Soldaten die Streitkräfte oder die Reserve, sobald ihr Freiwilligenvertrag das erlaubt. Zugleich hat sich in der Armee nach fast vier Jahren Krieg der Verschleiß an Waffen und Geräten bemerkbar gemacht. So bemängelt der Bericht unzureichende Ausrüstung und Schutz für die an der Front eingesetzten US-Soldaten und wirft der Administration von US-Präsident George Bush vor, »das Vertrauensverhältnis zu den amerikanischen Soldaten und zur Marine gebrochen« zu haben. Zusammengenommen ergäben die gemachten Fehler und Mängel »das reelle Risiko eines Zusammenbruchs der Streitkräfte«, heißt es in dem Bericht weiter.

Der kommt sicher nicht von ungefähr zu einer Zeit, in der alle Welt über ein neues US-Kriegsabenteuer gegen Iran spekuliert. Selbst wenn ein US-Angriff gegen die iranischen Atomanlagen ausschließlich durch die Luftwaffe geführt würde, so müßten die US-Bodentruppen sofort mit vermehrten Kampfhandlungen rechnen, sowohl in Irak als auch entlang der Grenze zu Iran. Mullah Al Sadr, der den Amerikanern mit seiner Mahdi-Armee schon etliche Schlachten lieferte, hat bereits erklärt, er werde Iran »mit Angriffen gegen die USA in Irak« verteidigen. Zugleich muß das Pentagon damit rechnen, daß US-Truppen auch entlang der langen iranisch-irakischen Grenze vermehrt in einen Kleinkrieg hineingezogen werden. Dabei dürfte es Ziel der Iraner sein, durch ständige Nadelstiche die US-Truppen auf iranisches Territorium und tiefer ins Land zu locken. Dort würden die Amerikaner auf einen ähnlich entschlossenen Widerstand stoßen wie derzeit im sogenannten sunnitischen Dreieck im Irak. Nur, daß dieses Areal im Iran um ein Vielfaches größer wäre. Vor diesem Hintergrund kann der jetzt vom ehemaligen Pentagon-Chef Perry vorgelegte Bericht nur als eine ernste, wenn auch verklausulierten Warnung an die Bush-Administration verstanden werden, vor weiteren Kriegsabenteuern abzusehen – vorerst jedenfalls.
19.08.2006 / Ausland / Seite 7
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Keine Gefahr aus Teheran

Brief US-amerikanischer Exgeneräle an Präsident Bush: Kriegsvorbereitungen gegen Iran einstellen
Von Rainer Rupp

junge Welt, 19.08.2006 
http://www.jungewelt.de/2006/08-19/041.php
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Mit einem Brief an US-Präsident Bush hat eine Gruppe von 21 hochrangigen ehemaligen US-Generälen und Regierungsbeamten versucht, die von Washington geschürte Iran-Krise zu entspannen und einen US-Angriff gegen die iranischen Atomanlagen zu verhindern. Iran stelle für die Vereinigten Staaten keine akute Gefahr dar, mahnte die Gruppe und empfahl Bush statt ständiger Konfrontation den Dialog mit Iran. Bereits im Frühjahr hatte diese Gruppe, allerdings in geringerer Besetzung, an Bushs Irak-Krieg massive Kritik geübt, was in der US-Öffentlichkeit breit diskutiert wurde. Da der Brief im Wortlaut bisher noch nicht vorliegt, haben von den großen US-Medien bisher nur die Los Angeles Times darüber berichtet.

Staatssekretär Nicholas Burns, im US-Außenministerium federführend für Iran, erklärte dagegen am Donnerstag, daß Washington schnell handeln und den Druck auf Teheran erhöhen werde, falls Iran bis zur festgesetzten Frist Ende August nicht gemäß der jüngsten Resolution des UN-Sicherheitsrats seine Urananreicherung eingestellt hat. Diese Resolution ist in sich jedoch völkerrechtswidrig, weil sie gegen den Nichtweiterverbreitungsvertrag verstößt, der Iran das unveräußerliche Recht zur Uranaufbereitung für friedliche Zwecke garantiert. Aber laut Burns herrscht »seit dem jüngsten Libanon-Krieg im gesamten Mittleren Osten eine noch größere Sorge als zuvor über die Rolle des Iran, der die Region dominieren will«.

Vor diesem Hintergrund ist der Brief der Gruppe von ehemaligen US-Top-Generälen von nicht geringer Bedeutung, und er dürfte insbesondere im US-Militär bei den aktiven Offizieren weiter den Widerstand gegen die Iran-Kriegspläne der Bush-Administration stärken. Und der Enthüllungsjournalist Seymour Hersh berichtete im Juli über ein Paradox im Pentagon, daß nämlich die Top-Militärs die zivile Führung in Washington vor »den schwerwiegenden wirtschaftlichen, politischen und militärischen Folgen eines Angriffs auf Iran für die Vereinigten Staaten« warnten.

Generalleutnant Robert Gard, einer der Unterzeichner des jüngsten Briefes an Präsident Bush sorgte sich in einem Interview mit der Los Angeles am Donnerstag insbesondere über die Erklärungen israelischer Militärs, ein Schlag gegen Iran sei zwingend notwendig. Die Bush-Administration sei während des Libanon-Kriegs dermaßen unverfroren proisraelisch gewesen, daß Gard befürchtet, daß das Weiße Haus auch gegen Iran »bei einem (israelischen) Militärschlag mitmachen wird«.