Nichts als unbewiesene Anschuldigungen
Analyse. Ein genauer Blick auf Zahlen und Fakten zur iranischen Präsidentschaftswahl
Von Esam Al-Amin

junge Welt, 26.06.2009 / Thema / Seite 10
http://www.jungewelt.de/2009/06-26/001.php
Wahlkampf für die Islamische Revolution: Präsident Mah Wahlkampf für die Islamische Revolution: Präsident Mahmud Ahmadinedschad (Plakatmitte) und die Oberhäupter Ruhollah Khomeini † (l.) und Seyyed Ali Khamenei (Teheran, 28.5.2009)                                                        Foto: AP
Seit den Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni 2009 sind die Iran-»Experten« wie Pilze aus dem Boden geschossen. Für all diese selbsternannten Fachleute hier eine Quizfrage: Welches größere Land hat seit 1980 mehr Präsidenten gewählt als alle anderen in der Welt? Und die Zusatzfrage: Welche Nation hat als einzige in der 30jährigen Geschichte seit ihrer Revolution zehn Präsidentschaftswahlen abgehalten? Natürlich lautet die richtige Antwort auf beide Fragen: Iran. Seit 1980 wurden dort sechs Präsidenten gewählt, während die USA mit fünf einen knappen zweiten Platz belegen und Frankreich den dritten. Des weiteren gab es in den USA nach der Revolution drei Präsidentschaftswahlen gegenüber zehn in Iran.

Der Ausgang der iranischen Wahlen hat im Westen die Linke und die Rechte zusammengeschweißt und harsche Kritiken und Angriffe von »empörten« Politikern und »entrüsteten« Mainstream-Medien hervorgerufen. Selbst die Bloggerszene nahm auf seiten der iranischen Opposition in nahezu einhelliger Uniformität teil an dieser Schlacht; ein bislang nicht gekannter Vorgang im Cyberspace.

Die Vorwürfe des Wahlbetrugs waren im wesentlichen nur eins: unbewiesene Anschuldigungen. Bis jetzt war noch niemand in der Lage, auch nur den Anschein eines konkreten Beweises zu liefern für den angeblich großangelegten Wahlbetrug, mit dem sich ein Kandidat elf Millionen Stimmen Vorsprung vor seinem Kontrahenten gesichert haben soll. Deshalb sollen hier die bislang verfügbaren Beweise analysiert werden.

Umfragen für den Präsidenten

Seit Präsident Ahmadinedschad und sein wichtigster Kontrahent, der frühere Premierminister Mirhossein Mussawi, Anfang März 2009 ihre Kandidaturen bekanntgegeben hatten, wurden in Iran bis zu den Wahlen mehr als dreißig Meinungsumfragen durchgeführt. Die Umfrageergebnisse variierten in bezug auf die beiden Opponenten sehr stark, wenn man aber die Durchschnittswerte ermittelte, führte in jedem Fall Ahmadinedschad. Einige der Organisationen, die diese Umfragen in Auftrag gaben, wie zum Beispiel die Iranian Labor News Agency (ILNA) und tabnak.com (Website des Kandidaten Mohssen Rezai – d. Übers.), geben offen zu, daß sie Bündnispartner von Mussawi, der Opposition oder der sogenannten Reformbewegung sind. Ihre Zahlen fielen ganz klar günstiger für Mussawi aus und sagten ihm in einigen Umfragen einen unrealistischen Vorsprung von über 30 Prozent voraus. Läßt man diese voreingenommenen Umfragen außer acht, dann vergrößerte sich Ahmadinedschads Vorsprung vor Mussawi auf 21 Punkte.

Von westlichen Nachrichtenagenturen gab es nur eine einzige Umfrage. Sie wurde gemeinsam von der BBC und ABC-News in Auftrag gegeben und von einer unabhängigen Einrichtung namens Center for Public Opinion (CPO) durchgeführt, die zur New American Foundation gehört. Die CPO steht im Ruf, präzise Meinungsumfragen durchzuführen, nicht nur im Iran, sondern seit 2005 überall in der muslimischen Welt. Laut dieser Umfrage, die ein paar Wochen vor den Wahlen erfolgte, war eine Wahlbeteiligung von 89 Prozent zu erwarten. Darüber hinaus wies sie für Ahmadinedschad einen landesweiten Vorsprung im Verhältnis zwei zu eins vor Mussawi aus. Wie stand diese Erhebung nun im Verhältnis zu dem tatsächlichen Wahlergebnis? Und wie wahrscheinlich war ein Wahlbetrug größeren Ausmaßes?

Vier Vorwürfe der Mitbewerber

Nach den amtlichen Verlautbarungen über das Wahlergebnis gibt es 46,2 Millionen registrierte Wähler in Iran. Die Wahlbeteiligung war sehr hoch, wie es die CPO vorhergesagt hatte. Fast 39, 2 Millionen Iraner gaben ihre Stimme ab, was einer Wahlbeteiligung von 85 Prozent entspricht. Davon waren 38,8 Millionen gültige Stimmen (etwa 400 000 Stimmzettel waren leer). Offiziell errangen Präsident Ahmadinedschad 24,5 Millionen und Mussawi 13,2 Millionen Stimmen, was einem Verhältnis von 62,6 zu 33,8 Prozent aller abgegebenen Stimmen entspricht. Dieses Ergebnis spiegelte das Wahlergebnis von 2005 wider, als Ahmadinedschad die Stichwahl gegen den früheren Präsidenten Hashemi Rafsandschani mit 61,7 zu 35,9 Prozent gewann. Die beiden anderen Kandidaten, Mehdi Karroubi und Mohssen Rezai, vereinigten den Rest der Stimmen auf sich.

Schon kurz nach der Bekanntgabe des amtlichen Wahlergebnisses riefen Mussawis Anhänger und westliche politische Experten laut »Foul« und beschuldigten die Regierung des Wahlbetrugs. Die Vorwürfe konzentrierten sich auf vier Themen. Erstens, obwohl die Wahllokale wegen der hohen Beteiligung einige Stunden länger geöffnet blieben, wurde vermutet, daß es angesichts von 39 Millionen auszuzählenden Stimmzetteln unmöglich gewesen sein müßte, das Ergebnis nach Schließung der Wahllokale so schnell bekanntzugeben.

Zweitens unterstellen diese Kritiker, daß die Wahlbeobachter befangen waren, oder sie gaben an, daß in einigen Fällen bei der Stimmenauszählung keine eigenen Wahlbeobachter der Opposition vor Ort gewesen seien. Drittens hoben sie hervor, es sei absurd zu denken, daß Mussawi, der aus der Region von Aserbaidschan im Nordwesten Irans stammt, ausgerechnet in seiner Heimatstadt so leicht zu besiegen gewesen wäre. Viertens erhob das Lager Mussawis den Vorwurf, in einigen Wahllokalen seien die Stimmzettel ausgegangen und Wähler fortgeschickt worden, ohne ihre Stimme abgeben zu können.

Am Tag nach der Wahl reichten Mussawi und die beiden anderen unterlegenen Kandidaten Beschwerden mit 646 Beanstandungen beim Wächterrat ein, jener Institution, die den Auftrag hat, die ordentliche Durchführung der Wahl zu überwachen. Der Wächterrat versprach, jeder Beschwerde nachzugehen und sie eingehend zu prüfen.

Gefälschtes Schreiben

Am darauffolgenden Tag wurde die Kopie eines von einem untergeordneten Beamten des Innenministeriums angefertigten Schreibens an das Oberhaupt der Islamischen Revolution, Ali Khamenei, rund um den Globus verbreitet. (In Veröffentlichungen westlicher Politiker und Medien wird Khamenei gern »Oberster Führer« genannt, aber in Iran existiert ein solcher Titel nicht.) Das Schreiben enthielt die Mitteilung, Mussawi habe die Wahlen gewonnen und Ahmadinedschad habe nur Platz drei erreicht. Weiter hieß es in dem Brief, das Wahlergebnis sei auf Anordnung Khameneis zugunsten Ahmadinedschads verändert worden.

Mit Sicherheit ist davon auszugehen, daß dieses Schreiben eine Fälschung ist, weil ein nicht näher bezeichneter untergeordneter Beamter niemals direkt ein Schreiben an Ayatollah Khamenei richten würde. Auch Robert Fisk von (der britischen Tageszeitung – d. Übers.) The Independent kam zu dem gleichen Schluß und äußerte erhebliche Zweifel, Ahmadinedschad sei nur Dritter geworden, was bedeuten würde, er hätte in einer derart bedeutenden Wahl weniger als sechs Millionen Stimmen auf sich vereinigt, wie in dem gefälschten Brief behauptet wurde.

In den Städten, Kleinstädten und Dörfern Irans waren insgesamt 45713 Wahlurnen aufgestellt worden. Geht man von 39,2 Millionen abgegebenen Stimmzetteln aus, dann waren das weniger als 860 Stück pro Urne. Anders als in anderen Ländern, in denen Wähler die Möglichkeit haben, ihre Stimmen in einem Wahlgang auf verschiedene Kandidaten und zur Abstimmung stehende Sachentscheidungen zu verteilen, hatten die iranischen Wähler nur eine Entscheidung zu treffen: welchen der Kandidaten sie zum Präsidenten wählen wollten. Warum sollte es länger als ein bis zwei Stunden dauern, 860 Stimmzettel pro Urne zu zählen? Die Ergebnisse der Auszählung wurden elektronisch an das Innenministerium in Teheran übermittelt.

Ordentlich durchgeführte Wahlen

Keine Annäherung an den Westen – viele junge Menschen Keine Annäherung an den Westen – viele junge Menschen verlangen aber mit ihrer Stimmabgabe nach gesellschaft­lichen Freiheiten (Anhängerin von Mirhossein Mussawi, Teheran, 30.5.2009)                                                         Foto: AP
Seit 1980 hatte Iran einen acht Jahre dauernden grausamen Krieg mit Irak zu erleiden, außerdem Strafmaßnahmen wie Boykott und Embargo und eine Mordkampagne der Volksmudschaheddin (Mujahideen Khalq Organization/MKO) gegen Dutzende Abgeordnete sowie einen gewählten Präsidenten und einen Premierminister. (Die MKO ist eine gewalttätige Organisation, deren Hauptquartier sich in Frankreich befindet. Sie operiert in Iran und will die Regierung gewaltsam stürzen.) Trotz all dieser Herausforderungen hat die Islamische Republik Iran in den drei Jahrzehnten ihres Bestehens keine einzige Wahl ausfallen lassen. Insgesamt wurden über dreißig Wahlgänge im Land durchgeführt. Daraus entwickelte sich eine Tradition ordentlich durchgeführter Wahlen unter Einrichtung von Wahlbezirken ähnlich denen in den USA oder in Großbritannien. Die Wahlen in Iran werden von Lehrern und professionellen Kräften einschließlich Angestellten und Pensionären des öffentlichen Dienstes organisiert, überwacht und die Stimmen ausgezählt (auch dies ähnlich wie in den USA).

In Iran hat es nie eine Tradition des Wahlbetrugs gegeben. Man kann über das System der Islamischen Republik sagen was man will, aber seine gewählten Abgeordneten haben Minister wegen Amtsvergehen unter Anklage gestellt, und sie haben die von diversen Präsidenten, einschließlich Ahmadinedschad, vorgeschlagenen Kandidaten für bestimmte Ämter blockiert. Sie sind keinesfalls Ja-Sager, die alles absegnen. Der frühere Präsident Mohammed Khatami, der als einer der führenden Reformisten in Iran gilt, ist in einer Zeit vom Volk gewählt worden, als das Innenministerium fest in der Hand erzkonservativer Kräfte war. Er hatte die Wahl mit über 70 Prozent gewonnen, und nicht nur einmal, sondern sogar zweimal.

Mussawis geringe Chancen

Wenn es um Wahlen geht, ist nicht Wahlbetrug in Iran das Problem, sondern die Frage, ob die Kandidaten überhaupt eine Chance bekommen (ein Problem, das nicht typisch ist für dieses Land, man frage nur Ralph Nader oder irgendeinen anderen Kandidaten einer dritten Partei in den USA). Es ist äußerst unwahrscheinlich, daß es in Iran zu einer von höchster Stelle angezettelten Verschwörung gekommen ist, die Zehntausende Lehrer, professionelle Helfer und zivile Beamte mit einbezogen hätte, und trotzdem irgendwie total im verborgenen gelaufen und unentdeckt geblieben sein soll.

Außerdem gehört Ahmadinedschad einer aktiven politischen Partei an, die seit 2003 bereits mehrere Wahlen gewonnen hat, Mussawi aber ist ein unabhängiger Kandidat, der nach einer 20jährigen Pause erst vor drei Monaten wieder auf der politischen Bühne auftauchte. Während des Wahlkampfs wurde deutlich, daß Ahmadinedschad seinen Wahlkampf als landesweite Operation durchführte. In weniger als zwölf Wochen hatte er mehr als 60 Auftritte überall in Iran, während sein Kontrahent nur in größeren Städten sprach und keinen erfahrenen Wahlkampfapparat hinter sich hatte.

Es stimmt, daß Mussawi einen Aseri-(aserbaidschanischen – d. Übers.)Hintergrund hat. Aber in der weiter oben erwähnten CPO-Meinungsumfrage, die vor den Wahlen veröffentlicht wurde, hieß es, daß nach »dieser Umfrage nur 16 Prozent der Aseri-Iraner für Herrn Mussawi stimmen würden. Im Gegensatz dazu gaben 31 Prozent der Aseris an, ihre Stimme Herrn Ahmadinedschad geben zu wollen.« Nach dem amtlichen Wahlergebnis war der Sieg hier am Ende knapper als im übrigen Land. Mussawi gewann knapp in der Provinz West-Aserbaidschan, verlor aber die gesamte Region mit einer Differenz von 45 zu 52 Prozent (oder 1,5 zu 1,8 Millionen Stimmen) an Ahmadinedschad.


Wie dem auch sei, die Doppelmoral der westlichen Nachrichtenagenturen in der Beurteilung dieser Vorgänge ist verblüffend. Richard Nixon schlug George McGovern in South Dakota, dem Bundesstaat, in dem er geboren wurde, vernichtend. Hätte Al Gore im Jahr 2000 in seinem Heimatstaat Tennessee gewonnen, wäre niemand mehr an einer Wiederholung der Stimmenauszählung in Florida interessiert gewesen, und es hätte auch keinen Fall namens Bush versus Gore vor dem Obersten Gerichtshof der USA gegeben. Wenn John Edwards, der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, die Stimmenmehrheit in den Bundesstaaten South und North Carolina, in dem er geboren wurde und aufwuchs, errungen hätte, würde John Kerry jetzt noch in seiner zweiten Amtszeit dem Land als Präsident dienen. Aber nur wenn es um die Menschen im Nahen und Mittleren Osten geht, stellen es die westlichen Nachrichtenredaktionen so dar, als würden nur sie ihre Kandidaten nicht wegen ihrer Fähigkeiten wählen, sondern wegen ihrer »Stammeszugehörigkeit«.

Die Tatsache, daß schwächere Kandidaten wie Karroubi weniger Stimmen errangen als erwartet – sogar in ihren Heimatregionen, wie Kritiker klagen –, ist nicht völlig ungewöhnlich. Viele Wähler kommen zu dem Schluß, daß sie ihre Stimme nicht sinnlos verschenken wollen, wenn es so aussieht, daß der Entscheidungskampf vor allem zwischen den beiden wichtigsten Kandidaten geführt wird. Karroubi hat in dieser Wahl allerdings wirklich weitaus weniger Stimmen erhalten als 2005, auch in seiner Heimatstadt. Gleichermaßen hat Ross Perot 1996 seinen Heimatstaat Texas an Bob Dole aus Kansas verloren, während Ralph Nader 2004 nur noch ein Achtel der Stimmen auf sich vereinigen konnte, die er vier Jahre zuvor errungen hatte.

Gesellschaftliche Freiheiten

Einige Beobachter merken kritisch an, daß bei Bekanntgabe des amtlichen Wahlergebnisses erkennbar wurde, daß sich der Abstand zwischen den Kandidaten während der Auszählung kaum veränderte. Das ist in der Tat nicht rätselhaft. Experten sagen, daß es im allgemeinen, wenn zwischen drei und fünf Prozent der abgegebenen Stimmen einer bestimmten Region ausgezählt worden sind, ein 95prozentiges Konfidenzniveau gibt, wonach dieses Ergebnis stabil bleibt. Was den Vorwurf betrifft, die Stimmzettel seien ausgegangen und Leute wieder weggeschickt worden, sollte noch einmal darauf hingewiesen werden, daß die Öffnungszeiten der Wahllokale viermal verlängert wurden, um so vielen Menschen wie möglich die Teilnahme an der Wahl zu ermöglichen. Aber selbst dann, wenn alle Menschen, die ihre Stimme nicht abgegeben haben, Mussawi gewählt hätten (was faktisch unmöglich ist), dann wären das auch nur 6,93 Millionen zusätzliche Stimmen gewesen, also viel weniger als die elf Millionen Stimmen Differenz zwischen den beiden Topkandidaten.

Ahmadinedschad ist sicherlich kein Sympathieträger. Er ist ein Ideologe, er handelt provokativ und manchmal unüberlegt. Aber den Kampf in Iran als einen zwischen demokratischen Kräften und einem »Diktator« zu charakterisieren, ist ein Ausdruck totaler Ignoranz gegenüber der inneren Dynamik Irans oder eine absichtliche Verzerrung der Realitäten. Zweifellos gibt es einen signifikanten Teil der iranischen Gesellschaft, der sich in den wichtigsten metropolitanen Regionen konzentriert und viele junge Leute umfaßt, der leidenschaftlich nach gesellschaftlichen Freiheiten verlangt. Sie sind verständlicherweise aufgebracht, weil ihr Kandidat schlecht weggekommen ist. Aber es wäre ein großer Fehler, diesen inneren Dissens als einen »Aufstand« gegen die Islamische Republik zu deuten oder als Ruf nach einer Außenpolitik, dem Westen auf Kosten von Irans Atomprogramm oder seiner vitalen Interessen entgegenzukommen.

Innere Angelegenheit

Nationen bezeugen anderen Nationen gegenüber nur dann ihre Achtung, wenn sie deren Souveränität respektieren. Wenn irgendeine Nation versuchen würde, beispielsweise den Vereinigten Staaten von Amerika ihre Wirtschafts-, Außen- oder Sozialpolitik zu diktieren, wären die US-Bürger zu recht empört. Als sich Frankreich unter Präsident Jacques Chirac 2003 dem Irak-Abenteuer der USA widersetzte, tauften einige US-Kongreßabgeordnete die beliebten »French Fries« (Pommes Frites) in »Freedom Fries« um. Sie wollten dadurch Frankreich wissen lassen, daß französische Bürger fortan in den USA nicht mehr willkommen seien.

Die USA haben eine Tradition der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Irans, insbesondere sei hier der Sturz der demokratisch gewählten Regierung von Premierminister Mohammad Mossa­degh im Jahr 1953 angeführt. Dieser Akt, von dem die meisten US-Bürger keine Kenntnis haben, ist jedem Iraner von Kindesbeinen an tief ins Bewußtsein eingegraben. Er ist die Hauptursache für den beständigen Groll auf die USA. Es dauerte 56 Jahre, bis ein US-Präsident diesen illegalen Akt öffentlich thematisierte, wie es Obama Anfang Juni in Kairo tat.

Deshalb wäre es ein kolossaler Fehler, sich erneut in die inneren Angelegenheiten Irans einzumischen. Präsident Barack Obama wäre gut beraten, die Iraner diese Angelegenheit selbst beilegen zu lassen. Politische Opportunität seitens der Republikaner oder proisraelischer Demokraten ist extrem gefährlich und wird ernsthafte Rückschläge nach sich ziehen. Ein solch skrupelloses Gebaren vieler in der politischen Klasse und in den Medien mutet als unverhohlener Versuch an, Iran und seine gegenwärtige politische Führung zu dämonisieren, um eventuelle zukünftige Militärschläge Israels zu rechtfertigen, falls Iran nicht von seinen nuklearen Ambitionen abläßt.

Präsident Obamas Äußerungen in seiner in Kairo gehaltenen Rede drängen sich nun unwillkürlich wieder ins Bewußtsein. Bezüglich Iran erklärte er: »Ich weiß, daß es schwer sein wird, Jahrzehnte des Mißtrauens zu überwinden, aber wir werden mutig, rechtschaffen und entschlossen vorgehen. Es wird viele Fragen geben, die unsere beiden Länder diskutieren müssen, und wir sind bereit, ohne Vorbedingungen und auf der Grundlage gegenseitiger Achtung zu handeln.«

Als ersten Schritt dazu sollte es den Iranern selbst überlassen bleiben, ihre Differenzen ohne jede offene – oder verdeckte – Einmischung aus der Welt zu schaffen.

Der Artikel von Esam Al-Amin erschien zuerst im US-Magazin Counterpunch (22. Juni 2009 – (www.counterpunch.org/amin06222009.html). Die Übersetzung besorgte Jürgen Heiser