Antiserbische Pogrome im Kosovo: Vertreibung unter KFOR-Aufsicht?

jW sprach mit dem serbischen Journalisten Milovan Drecun

Interview: Jürgen Elsässer

junge Welt vom 25.03.2004

* Milovan Drecun war jahrelang Armeekorrespondent des serbischen Staatsfernsehen RTS und war 1998/99 Augenzeuge der Kämpfe im Kosovo. Im Zuge der Säuberung der Medien nach dem Sturz Milosevics verlor er seinen Posten und ist heute freier Journalist. Gerade erschien sein Buch »Kosmetska Legenda« (Kontakt: drecun@eunet.yu).

F: Am Dienstag abend wurden zwei UN-Polizisten im Kosovo erschossen. Vorher hatte UN-Gouverneur Harri Holkeri die dramatische Situation seit Mitte vergangener Woche verharmlost: Nur »ein paar« serbisch-orthodoxe Kirchen seien angezündet worden, »ethnische Säuberung« sei eine »zu starke Beschreibung« dafür.

Die UN-Verwaltung UNMIK und die NATO-geführte Besatzungsmacht KFOR versuchen immer wieder, den albanischen Terror zu verharmlosen. Im Verlaufe der Pogrome in der vergangenen Woche wurden nach Angaben der Diözese 30 orthodoxe Kirchen und 350 serbische Häuser verbrannt, 25 Serben wurden ermordet und etwa 1000 verletzt. Völlig verschwiegen wurde auch, daß fünf Soldaten der KFOR von den Terroristen erschossen wurden, ein französischer Soldat und vier Schweden. Die schwedischen Soldaten wurden getötet, als sie den Serben in einer bedrohlichen Situation Waffen zur Selbstverteidigung übergaben.

F: Im aktuellen Spiegel kann man lesen, daß die deutschen KFOR-Soldaten in Prizren just in dem Augenblick abgezogen sind, als sich der albanische Mob dort ans Abfackeln des serbischen Klosters und der Kirche, beides Kulturdenkmäler aus dem Mittelalter, machte.

Das Verhalten der KFOR ist beschämend. Nach der UN-Resolution 1244, auf deren Grundlage ihre Stationierung im Juni 1999 erfolgte, soll sie die Sicherheit für alle Einwohner des Kosovo garantieren. Aber als die Pogrome am 17. März begannen, griff die KFOR gerade einmal mit einem Zehntel ihrer 18 500 Soldaten ein. Besonders schlimm ist das Agieren der deutschen Soldaten, nicht nur in Prizren. Als etwa Serben aus kleineren Siedlungen vor den Angriffen flohen und die Bundeswehr um eine Eskorte in den größeren Ort Gracanica baten, wurde das abgelehnt. Eine Eskorte könne nur dann gestellt werden, wenn die Serben das Kosovo verließen und nach Zentralserbien gingen. Das heißt doch, die KFOR will, ganz wie die Terroristen, die Serben aus dem Kosovo heraushaben.

F: Vielerorts kam die KFOR zu spät zum Schutz der Bedrohten und rechtfertigte dies mit langen Anfahrtswegen.

Ein Hohn. Die KFOR hat ihre Checkpoints in den kleineren Dörfern und abgelegenen Klöstern seit Jahresanfang aufgelöst – gegen die Proteste der Betroffenen. Hätte sie das nicht getan, wäre sie vor Ort gewesen, als die Brandstifter kamen.

F: Im Unterschied zu Holkeri gab es aus der NATO deutlichere Kritik an den Albanern.

Die NATO muß an ihren Taten gemessen werden. Der deutsche Geheimdienst BND und die US-amerikanische CIA haben den Aufbau der UCK seit den frühen 90er Jahren gesteuert. Der UCK-Kommandant Tahir Zemaj hat ein Buch veröffentlicht, in dem er diese Geschichte genau erzählt.

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