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Presseerklärung, Heidelberg, 24.04.2017
Doppelte Instrumentalisierung von Schülern
Zur aufgesetzten Empörung über Kritik an Osterpaket-Aktion
von Fünftklässlern für deutsche Soldaten in Afghanistan
Gemeinsame Presseerklärung des Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg,
des Friedensbündnis Heidelberg und der Bunten Linken Heidelberg
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Wir stellen uns hinter die Kritik des Kreisverbandes
Kraichgau-Neckar-Odenwald der Partei DIE LINKE an der Osterpaket-Aktion von
Fünftklässlern des Max-Born-Gymnasiums in Neckargemünd für deutsche Soldaten in
Afghanistan und wenden uns entschieden gegen die aufgesetzte Empörung darüber.
Selbstverständlich wurden hier Zehnjährige, die von sich aus sicherlich nie auf
den Gedanken zu einer solchen Aktion kommen würden, für eine politische Aktion
im Interesse ihrer Initiatoren missbraucht.
Laut RNZ, die der Aktion durch mehre Artikel breite und wohlwollende
Unterstützung gewährte, war es eine Klassenlehrerin, die die Idee zur Aktion
hatte, weil sich Soldaten nicht ausreichend aus der Heimat unterstützt fühlen
würden. Es waren sie und die übrigen Klassenlehrer der fünften Klassen, die die
Aktion organisierten und den Versand der „Feldpost“ finanzierten.
Offensichtlich motivierten also die Lehrer ihre Schüler zu einer Aktion, mit der
sie selbst und die Schulleitung für mehr Akzeptanz des deutschen
Militäreinsatzes in Afghanistan werben wollen. Und natürlich erinnert dies an
Aktionen von der „Heimatfront“ zur Stärkung der Truppen-Moral in den beiden
Weltkriegen.
Die Empörung über die Kritik an dieser eindeutigen Instrumentalisierung von
Kindern, die sich selbstredend nicht an diese richtet, ist daher an
Scheinheiligkeit kaum zu überbieten. Wenn sich nun Politiker der Parteien, die
die fortgesetzte Kriegsbeteiligung Jahr für Jahr bewilligen, gemeinsam mit der
RNZ bemühen, ihre Empörung moralisch aufzubauschen, indem sie die LINKE
beschuldigen, Parteipolitik auf dem Rücken der Schüler zu betreiben oder diese
gar „in die Pfanne zu hauen“ (RNZ-Kommentar vom 22.4.), so werden die Kinder ein
zweites Mal für politische Zwecke missbraucht.
Die Akzeptanz des Bundeswehreinsatz in Afghanistan ist zu Recht in der deutschen
Bevölkerung sehr gering. Unabhängig davon, wie man die ursprüngliche
Rechtfertigung des NATO-Krieges beurteilt, ist die Bilanz heute unbestreitbar
vernichtend: Nach einer Studie der „Internationale Ärzte für die Verhütung des
Atomkrieges“ IPPNW über die Opferzahlen im „Krieg gegen den Terror“ wurden mehr
als 200.000 Menschen in Afghanistan getötet, Millionen sind auf der Flucht und
dennoch ist 16 Jahre nach der US-Invasion das Land von einer Stabilisierung
weiter entfernt als zuvor.
Hätte man den Kindern erzählt, wie die Situation tatsächlich nach 16 Jahren
NATO-Krieg aussieht, hätten sie die Süßigkeiten sicherlich eher an einige der
Flüchtlingskinder unter den Hunderttausenden geschickt, die unter elenden
Bedingungen in den Lagern an den Grenzen des Landes leben müssen, als an
Berufssoldaten, die sich freiwillig ‒ ermuntert durch erhebliche Gehaltszulagen
‒ zum Einsatz am Hindukusch gemeldet haben. Dann hätte Schulleiter Horst Linier
zu Recht von einem „ausschließlich humanitären Charakter der beispielhaften
Aktion“ reden können.
Eine Aktion, die derart einseitig einen Militäreinsatz unterstützt, wie die
Osterpaket-Aktion, darf so wenig Platz an unseren Schulen haben, wie die
Rekruten-Werbung für die Bundeswehr.