„Stückemarkt 2010“
- eine Imagekampagne für Israel
im Theater Heidelberg

 
Home

Webseite des "Stückemarkts"

Offener Brief der Palästina/Nahost-Initiative
- als Flyer (PDF)

Reaktionen, Kommentare, > u.a. von Schauspieldirektor Linders (via HaGalil), Ramona Ambs (HaGalil) und Evelyn Hecht-Galinski

zum Werbeblock "100 Jahre Tel Aviv im Stückemarkt-Programm

Infoblatt „100 Jahre Tel Aviv“ – eine Geschichte der Zerstörung und Vertreibung

Offener Brief v. Georg Stein,
Palmyra Verlag (PDF)

RNZ, 27.04.2010
Heidelberg: Kritik am Stückemarkt
Georg Stein wirft dem Heidelberger Theater beim Stückemarkt-Gastland Israel Einseitigkeit vor

Ramona Ambs, HaGalil, 28.4.2020
Viel Theater um einen Tisch: Der Heidelberger Israel-Streit

Infoblatt „100 Jahre Tel Aviv“ – eine Geschichte der Zerstörung und Vertreibung

 
Wie kaum zu übersehen ist, steht der diesjährige "Stückemarkt" des Heidelberger Theaters ganz unter dem Banner "Israel". Obwohl nur 3 der 9 ausgewählten Autoren aus Israel kommen, dominiert Israel als Gastland die gesamte Werbung. (siehe http://www.heidelberger-stueckemarkt.de/ )

Nachdem im Mai letzten Jahres bereits öffentlichkeitswirksam eine "Theaterehe" mit einem israelischen Theater geschlossen wurde, ist das bereits die zweite große Werbeaktion für das Land, das durch den Gazakrieg und die konfrontative Politik seiner neuen, extrem rechten Regierung international unter schweren Druck steht.

Das ist kein Zufall, denn im März letzten Jahres hat Israel ein Kampagne gestartet, die genau solche Formen der Imagewerbung vorsieht:

„Wir werden bekannte Schriftsteller und Autoren, Theaterensembles und Ausstellungen ins Ausland schicken,“ so der stellvertretender Generaldirektor für kulturelle Angelegenheiten im israelischen Außenministerium, Arye Mekel. „Auf diese Weise zeigt man Israels hübscheres Gesicht, so werden wir nicht immer nur mit Krieg in Verbindung gebracht.“ (siehe After Gaza, Israel Grapples With Crisis of Isolation, New York Times, 19.3.2009)

Eine Förderung des Heidelberger Projekts durch das Außenministerium war, so der israelische Journalist Igal Avidan (der mit einem Vortrag über "100 Jahre Tel Aviv" selbst im Programm vertreten ist) auf jeden Fall angedacht, „weil in den letzten Jahren das israelische Theater und Dramaturgie die besten Botschafter des Landes geworden sind.“ (Familienbande mit Israel, "Magazin Deutschland", 14.07.2009.

So oder so ist es ein Skandal, ausgerechnet jetzt Israel als Kultur-, Theater - und Reiseland herauszustreichen, wo es angebracht wäre, laut gegen die aktuelle Politik des Landes zu protestieren.

Die Palästina/Nahost-Initiative Heidelberg hat daher einen "Offenen Brief" an das Theater geschrieben, in dem die Kritik an der diesjährigen Aufmachung des Stückemarkts erläutert wird.

Da Kritik beim Thema Israel gerne missverstanden wird, wird darin betont, dass sich der "Unmut selbstverständlich nicht gegen die israelischen Autoren und Schauspieler oder gegen die israelische Kultur allgemein richtet" sondern "allein dagegen, wie durch die diesjährige Präsentation des Stückemarkts, Israel als Gastland herausgestrichen wird, d.h. gegen eine aktive Imagewerbung für diesen Staat in dieser Zeit."

Schließlich wird das Theater und die Stadt Heidelberg aufgefordert, alle "Aktivitäten mit israelischen Partnern solange auszusetzen, bis Israel wenigsten die minimalsten Bedingungen erfüllt: Ende der Blockade des Gazastreifens, Stopp des Siedlungsausbaus im Westjordanland, inkl. Ostjerusalem, Einstellung des illegalen Baus der Mauer und Befestigungsanlagen im Westjordanland."

Zudem ruft die Initiative, zusammen mit Heidelberger Friedensgruppen, zu einer

Protestkundgebung zur Eröffnung des Stückemarkts auf: 
am Do. 29. April 2010 | 18.00 Uhr beim „Theaterkino“, Hauptstr. 42 Heidelberg


„Stückemarkt 2010“ – eine Imagekampagne für Israel

Offener Brief an das Theater Heidelberg


Sehr geehrter Herr Spuhler, sehr geehrter Herr Linders,

wie Sie wissen, fanden wir es schon äußerst befremdlich, dass Sie letztes Jahr ausgerechnet mit einem israelischen Theater eine „Theaterehe“ eingingen – nur wenige Monate nach dem brutalen Angriff der israelischen Armee auf den Gazastreifen. Es war zumindest instinktlos, eine besondere Partnerschaft mit einem Tel Aviver Theater zu vereinbaren, während sonst in der Welt Institutionen aus Empörung über die israelische Politik auf Distanz gingen und in vielen Ländern Boykottbewegungen entstanden.

Im Gespräch mit Ihnen wurde uns versichert, die Kooperation hätte einen ausschließlich künstlerischen Hintergrund und sie wäre ohne Ihr Zutun von der RNZ zur „Theaterehe“ hochstilisiert worden.

Das war damals schon wenig überzeugend, da der politische Charakter einer Partnerschaft ausschließlich mit einem israelischen Theater auf der Hand lag. Jetzt wurde dem Ganzen mit dem diesjährigen Stückemark noch eins drauf gesetzt. Nun ist Israel nicht nur auch noch „Gastland“ geworden, es dominiert mit Symbolen, Fahne und Schriftzug die gesamte Werbung dafür. Dies kann nicht mehr anders gewertet werden als eine Parteinahme und Imagewerbung für ein Land, das international stark in der Kritik steht – nicht nur wegen der Kriegsverbrechen im Gazakrieg (Stichwort „Goldstone-Report“) sondern auch wegen der reaktionären, jede Konfliktlösung torpedierenden Politik der aktuellen Regierung.

Mag sein, dass für Sie tatsächlich das Künstlerische im Vordergrund steht, gemäß dem von ihnen ausgewählten Stück „Also mich interessiert mein Sexualleben mehr als der Israel-Palästina-Konflikt.“ Die vermutlich recht großzügige israelische Unterstützung kam dann einfach sehr gelegen. So oder so beteiligen Sie sich aber offensichtlich an einer politischen Kampagne zu Aufbesserung des stark angekratzten Israelbildes in der Öffentlichkeit.
Eine solche Kampagne wurde von der israelischen Regierung im März 2009 offen angekündigt: „Wir werden bekannte Schriftsteller und Autoren, Theaterensembles und Ausstellungen ins Ausland schicken,“ so der stellvertretender Generaldirektor für kulturelle Angelegenheiten im israelischen Außenministerium, Arye Mekel. „Auf diese Weise zeigt man Israels hübscheres Gesicht, so werden wir nicht immer nur mit Krieg in Verbindung gebracht.“ (siehe After Gaza, Israel Grapples With Crisis of Isolation, New York Times, 19.3.2009)

Knapp zwei Monate nach dieser Ankündigung wurde die „Theaterehe“ geschlossen und nun ist Israel das dominierende Thema beim Stückemarkt. Ob das Zufall ist oder nicht, sei dahingestellt. Entscheidend ist, dass dies genau die gewünschte Funktion erfüllt: einige hässliche Flecken auf Israels Fassade werden durch Keksglasur mit Davidstern übertüncht und mit Theaterdekoration verhüllt.

Sie wollen, schreiben Sie im Programmheft, Israelis und Palästinenser „im Festival und in der Theaterpartnerschaft nicht unter einen deutschen Hut zwingen.“ Das kann aber kein Grund dafür sein, die palästinensische Seite komplett zu ignorieren.

In der realen Politik gilt das Recht des Stärkeren. Um so mehr sollte es Aufgabe der Zivilgesellschaft, von Kunst und Kultur sein, sich auf die Seite der Schwächeren zu stellen und den Unterdrückten und Entrechteten mehr Stimme zu verleihen. Sie aber schlagen sich ausschließlich auf die Seite des Stärkeren.

Da Kritik beim Thema Israel gerne absichtsvoll missverstanden wird, möchten wir betonen, dass sich unser Unmut selbstverständlich nicht gegen die israelischen Autoren und Schauspieler oder gegen die israelische Kultur allgemein richtet. Wir wenden uns allein dagegen, wie durch die diesjährige Präsentation des Stückemarkts, Israel als Gastland herausgestrichen wird, d.h. gegen eine aktive Imagewerbung für diesen Staat in dieser Zeit.

Die Lage im „kleinen Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer sei extrem komplex“ schreiben Sie, „die Situation je näher man hinschaut, desto dramatischer und unauflösbarer.“

Mögen Detailfragen einer Lösung des Konflikts auch kompliziert sein, die Grundzüge sind es nicht. Sie werden durch das internationale Recht vorgezeichnet, sind seit langem bekannt und in zahlreichen UN-Resolutionen formuliert. Schwierig wurde es nur dadurch, dass der Westen Israel trotz der eindeutigen Rechtslage gewähren lässt. Immer unlösbarer erscheint er, weil Israel ständig neue Fakten schafft, die eine Lösung immer mehr erschweren.

Solange Israel für seine permanente Missachtung des Völkerrechts und die schweren Verstöße gegen Menschenrechte keinen Preis bezahlen muss, wird sich daran auch nichts ändern. Wer Israel trotz Krieg, fortgesetztem Landraub und Vertreibung unverändert unterstützt macht sich mitverantwortlich dafür, dass Siedlungsausbau, Hauszerstörungen usw. immer weitergehen und ebnet – man muss es leider so drastisch formulieren  – den Weg für den nächsten Krieg.
Sie werden verstehen, dass wir aus diesem Grunde zu Protesten gegen den diesjährigen Stückemarkt aufrufen werden.

Wir fordern Sie und die Stadt auf, alle gemeinsame Aktivitäten mit israelischen Partnern solange auszusetzen, bis Israel wenigsten die minimalsten Bedingungen erfüllt: Ende der Blockade des Gazastreifens, Stopp des Siedlungsausbaus im Westjordanland, inkl. Ostjerusalem, Einstellung des illegalen Baus der Mauer und Befestigungsanlagen im Westjordanland.

Palästina/Nahost-Initiative Heidelberg
Heidelberg, 24. April 2010

www.pal-ini-hd.de


Reaktionen, Kommentare

Stückemarkt
29 Apr 2010
ich finde Ihren Protestbrief ganz ausgezeichnet und möchte ihn voll 
unterstützen. Als ich Ende März für 14 Tage in Heidelberg im Krankenhaus 
lag und die Rhein Neckar Zeitung las, bin ich vor lauter Ärger fast aus 
dem Bett gefallen. Es kann gar nicht genug Proteste gegen solche 
einseitigen Propaganda-Veranstaltungen geben. Glückwunsch, weiter so!!
Mit solidarischen Grüßen
Evelyn Hecht-Galinski
-------------------

Die Geschichte vom Keks
- Ramona Ambs und Jan Linders bei HaGalil

Mehr noch als die RNZ, verteidigt das jüdische online-Magazin HaGalil das Heidelberger Theater.

Zunächst in einem Kommentar von Ramona Ambs zum offenen Brief von Georg Stein Auf dessen Inhalt geht Frau Ambs allerdings kaum ein, sondern landet nach einer hämischen Replik auf Stein bei der Frage, ob Theater "politisch sein soll". Dass durch seine diesjährige Aufmachung der "Stückemarkt" bereits politisch ist, und sich allein daran die Kritik entzündet kann oder will sie offensichtlich nicht begreifen.

Wie wenig sie dies verstehen kann oder will zeigt auch ihr direkter Kommentar zum Offenen Brief der Palästina/Nahost-Initiative: Die Geschichte vom Keks

Besonders moniert sie die Abwandlung des Kekses mit dem Davidstern. Obwohl unschwer zu erkennen ist, dass damit die Besatzungsrealität unter der Fassade angedeutet werden soll, schreibt Ambs: "So will man dort eben Israel sehen und gesehen wissen: als rein kriegerische Besatzungsmacht. Mit Kritik hat derlei Bildbearbeitung nichts zu tun – es ist reine Verächtlichmachung."
Angesichts solch infamer Bildbearbeitung nutze es auch nicht zu versichern, dass man nichts gegen das israelische Ensemble habe. "Aha. Wer soll das glauben, wenn schon ein harmloser Keks mit blauem Davidstern zu derartigen Bildmosaiken inspiriert?"

Nicht fehlen darf dann natürlich die Frage warum man nicht auf den "verteilten Palästinaflaggenkeksen konsequenterweise einen Bombengürtel mit brauner Zuckerglasur umgemalt" habe.

Auf die Kritik das Theater Heidelberg betreibe eine Imagekampagne wiederholt sie Argumente von Schauspieldirektor Linders. Während eine Antwort auf die Offenen Briefe und diverse direkte Briefe ausblieben, fand Linders Zeit für ein ausführliches Statement für HaGalil bezgl. des Offenen Briefs von Georg Stein und dem Protest der Palästina/Nahost-Initiative:
Heidelberger Theater: Absurde Zensur-Vorwürfe

Neben den zu erwartenden Rechtfertigungen, behauptet er, die Kritiker würden "ein kombiniertes Israel-Palästina-Festival" fordern. Davon war nie die Rede.

Gegenüber dem Vorwurf, das Theater beteilige sich an einer Imagekampagne für Israel, rechtfertigt er sich nur damit, die Planungen sowohl für Stückemarkt als auch Theaterpartnerschaft seien "seit Herbst 2008 in Planung, also vor dem Gaza-Krieg, und sind erst seit neuestem von der israelischen Botschaft gefördert."

Niemand hat behauptet, dass Israel erst nach dem Gaza-Krieg Anstrengungen unternommen hat, sein Image u.a. durch die Endsendung von Künstlern aufzupolieren. Und die konkrete Aufmachung des Stückemarkts - z.B. mit einem Programmheft, das auch gut als Reiseprospekt durchgehen würde - kann ohne weiteres ein Entgegenkommen für die israelische Förderung sein - klassisches Sponsering eben.

----------------------------------

6. Friedensnobelpreisträgerinnen für Desinvestment

FriedensTreiberAgentur FTA, Rundbrief Nr. 108/2010 v. 29.04.2010

Cal Divest From Apartheid 28.04.2010
Statement of Support from Nobel Women Peace Laureates
Shirin Ebadi (Iran, 2003 Nobel Peace Laureate), Mairead Maguire (Ireland, 1976 Nobel Peace Laureate), Rigoberta Menchu Tum (Guatemala, 1992 Nobel Peace Laureate) u. Jody Williams (USA, 1997 Nobel Peace Laureate

[...]

Kulturelles Desinvestment wegen der Kriegs- und Besatzungspolitik Israels fordern - auf wesentlich kleinerer, nämliche kommunaler Ebene - Die Palästina/Nahost-Initiative Heidelberg und die örtliche Friedensbewegung in einem Brief an die Stadt Heidelberg wegen fragwürdiger "Kultur-Ehen" mit israelischen Institutionen. Hierzu gibt es einen Offenen Brief: Imagekampagne für Israel im Theater Heidelberg  


"100 Jahre Tel Aviv" - Der Werbeblock im Stückemarkt-Programm

Zum Punkt "Gastland" gibt es einen Programmpunkt, der mit Theater nicht viel zu tun hat: der Vortrag von Igal Avidan "100 JAHRE TEL AVIV"

Igal Avidan ist so etwas wie der Promoter für Tel Aviv hier in Deutschland. Er tingelt bereits seit einen halben Jahr mit diesem Vortrag durch die BRD.

Man fragt sich natürlich, warum soviel Aufhebens um ein gerade einmal 100jähriges Stadtjubiläum gemacht wird, zumal das Jubiläum recht willkürlich gewählt ist - eine Stadt im formalen Sinne wurde Tel Aviv erst 1934?

Es ist im wesentlichen eine Gelegenheit Werbung für Tel Aviv und damit auch Israel allgemein zu machen. Und diese nutzt Avidan ausgiebig. Manchmal schlägt er auch mal ein paar kritische Töne an (siehe den Bericht über einen Vortrag in München: 100 Jahre Tel Aviv – die erste hebräische Stadt, HaGalil, 8.11.2009)
Die Gruppen, die i.d.R als Veranstalter fungieren, zeigen jedoch ziemlich deutlich, was mit den Vorträgen bezweckt wird. Es sind überwiegend die lokalen Ableger der Deutsch-Israelische Gesellschaft oder auch mal der Jüdische Nationalfonds.

In Avidans 100-Jahr-Geschichte wurde Tel Aviv auf freiem Gelände erbeut: "wo heute Tel Aviv liegt, waren früher Sanddünen, Heide, Orangenhaine und Weinberge" - sonst nichts.

Tatsächlich ging Tel Aviv jedoch aus der jahrtausende alten arabischen Metropole Jaffa hervor. Sie wuchs auf dem Boden seiner Stadtteile sowie von Dörfern, die 1948 zerstört und deren Bewohner ermordet und vertrieben wurden. Die 100-jährige Geschichte Tel Avivs ist somit gleichzeitig die Geschichte des Untergangs des alten arabischen Jaffas, das 1948 nahezu völlig entvölkert wurde. Sinniger Weise wurde der „Unabhängigkeitspark“ Tel Avivs auf einem muslimischen Friedhof errichtet.

Mehr dazu auf dem Infoblatt „100 Jahre Tel Aviv“ – eine Geschichte der Zerstörung und Vertreibung