Sonderseite zu den Angriffen auf Gaza

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„Kindermörder“

Dämonisierung der Hamas durch böswillig verzerrte Zitate

 

Hamas-Führer Mahmud Sahar hat angeblich zum Mord an israelischen Zivilisten aufgerufen und selbst das Töten israelischer Kindern für legitim erklärt.

 

Von Joachim Guilliard (erschien ohne die Links in Neue Rheinische Zeitung v. 11.02.2009)

 

Den Veranstaltern der großen Berliner Demo gegen die Bombardierungen in Gaza waren vom Polizeipräsidenten scharfe Auflagen gemacht worden, die das Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit stark einschränkten. Ein zentrales Argument war, dass  Hamas-Außenminister Mahmud Sahar angeblich Anfang Januar zum Mord an israelischen Zivilisten aufgerufen und selbst das Töten israelischer Kindern für legitim erklärt habe. Der Autor ist dem Vorwurf nachgegangen. 

Als die Polizei in Duisburg israelische Fahnen aus den Fenstern nehmen ließ, die einer vorbeiziehenden Demonstration von Gegnern der israelischen Aggression entgegengehalten wurde und so die durch die Bomben auf ihre Heimat aufgewühlten palästinensische Teilnehmer provozierten, ging ein Aufschrei durchs Land. Die verantwortlichen Beamten wurden für ihr Deeskalationsbemühungen gemaßregelt, ihr Vorgehen als schwerer Verstoß gegen die Meinungsfreiheit und ein unakzeptables Zurückweichen gegenüber radikalen Feinden Israels, wenn nicht der Juden gegeißelt.

Auflagen des Polizeipräsidenten

 

Wenige Tage später erlegte der Polizeipräsident von Berlin den Organisatoren einer Demonstration gegen den Krieg umfangreiche Auflagen auf. Nicht nur das Werben für die „Hamas“-Organisation sollte untersagt werden, sondern auch das Tragen oder Zeigen von Kennzeichen, Symbolen oder Emblemen dieser Organisation auf Fahnen oder Transparenten an der Kleidung oder „auf sonstige Weise“. Damit wäre auch die Präsentation von Dokumenten der frei gewählten Regierungspartei in Gaza verboten gewesen.

Das Verbot wurde damit begründet, dass die Organisation auf „Tötung, Verletzung, Vertreibung und Entführung gerichtete Gewaltakte“ begangen hätte. Das Zeigen ihrer Symbole sei somit eine Verherrlichung dieser Gewalttaten. Wer die vorsätzliche Tötung und Verschleppung einer Person oder gar eines ganzen Volkes gutheiße, verliere das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Mit dieser Begründung hätte man tatsächlich weit besser das Abhängen der israelischen Fahnen in Duisburg begründen können.

 


Wollte die Polizei verbieten – Plakat der Berliner Gaza-Demonstration
Quelle: arendt-art.de

Untersagt wurde auch das Rufen von gegen Israel gerichtete Parolen wie „Mörder“, „Frauenmörder“ oder „Kindermörder“. Dies würde „bestimmte Personengruppen diskriminieren und in ihrer Ehre verletzen.“ Die gesamten untersagten Handlungen und Äußerungen würden außerdem „in eklatanter Weise die grundlegenden sozialen und ethischen Anschauungen der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschlands“ verletzen – die aus arabischen Länder, der Türkei oder dem Iran kommenden Menschen zählen offenbar nicht zur Bevölkerung. Den Polizeichef störte zudem, dass bei der letzten Demonstration viele dieser ausländischen Teilnehmer „stark emotionalisiert“ gewesen seien.

 

Beweis: Süddeutsche Zeitung

 Ein wichtiger, plakativer Beweis für den verbrecherischen Charakter der Hamas, den der Polizeipräsident anführte, waren Aussagen, die Mahmud Sahar (auch az-Zahar geschrieben), ein führendes Mitglied der Hamas am 5. Januar 2009 im Fernsehsender der Organisation Al Aqsa TV gemacht haben soll. Er verwies auf die Süddeutsche Zeitung, der zufolge Sahar mit Anschlägen auf israelische Zivilisten in der ganzen Welt gedroht und selbst das Töten israelischer Kinder als legitim hingestellt habe.

 

Sahar drohte mit Anschlägen auf israelische Zivilisten und Einrichtungen in der ganzen Welt. Die Tötung von Palästinensern im Gaza-Streifen rechtfertige das Töten von Israelis. Angesichts der israelischen Taten sei es legitim, auch israelische Kinder zu töten, sagte Sahar. Er forderte, die Kämpfer der Hamas sollten „den Feind vernichten“. (Schwere Kämpfe im Norden Gazas, Süddeutsche Zeitung, 5.1.2009)

 

[In den Auflagen war explizit „jeder billigende, rechtfertigende oder solidarisierende Bezug zu der Rede des Hamas Führers Mahmud Sahar, die am 5.1.2009 ... ausgestrahlt wurde, in mündlicher, schriftlicher oder anderer Form« untersagt worden, praktisch wäre es damit sogar verboten gewesen, diese Rede zur Information zu dokumentieren.]

 

Die angeblichen Drohungen verbreiteten sich rasch und wurden in vielen Zeitungen und Blogs herangezogen, um den verwerflichen Charakter der Hamas zu demonstrieren. Viele pro-israelische Medien spitzten die Aussagen Sahars noch weiter zu und behaupten, er habe direkt zum Mord an jüdischen Kindern weltweit aufgerufen (Israel National News IsraelNN, 5.1.2009:  Zahar Claims Victory, Calls to Kill Jewish Children). In unzähligen englischsprachigen Blogs wird wörtlich die Behauptung der Journalisten Francesca Segal im Guardian wiederholt, Hamas habe nun jüdische Kinder weltweit zu legitimen Zielen erklärt („has now declared Jewish children worldwide as ‚legitimate targets‘“).Wie Segal, eine britische Jüdin, gaben viele Juden auch an, sich nun persönlich bedroht zu fühlen. (How Gaza is alienating Britain's Jews and Muslims, Observer/Guardian  11.1.2009) .

 

Und nicht nur der Berliner Polizeichef, auch viele andere staatlichen Institutionen, darunter das britische Außenministerium, griffen zur Rechtfertigung ihrer parteiischen Haltung und der Fortsetzung ihres Boykotts der Hamas auf die angeblichen Drohungen Sahars zurück.

 

Warum sollte aber ein Führer der Hamas öffentlich derart empörende Drohungen aussprechen und so Wasser auf die Mühlen der Gegner der Organisation leiten? Andere Hamas-Vertreter, deren Stellungnahmen ihren Weg in westliche Medien fanden, betonten stets, dass sich ihr Kampf keineswegs gegen die israelische Bevölkerung richte und ihre Raketen als Protestschrei zu verstehen seien.[1]

Zwei Söhne Sahars getötet

Sahar gehört als Außenminister der Hamasregierung in Gaza zur Führungsspitze der Organisation. Bei einem der israelischen Mordversuche gegen ihn war einer seiner Söhne getötet und weitere Familienangehörige z.T. schwer verletzt worden. Ein israelisches F-16-Kampfflugzeug hatte am 20.9.2003 mit einer Bombe sein Haus zu einem Zeitpunkt zerstört, als sich über 20 Personen befanden. Vor einem Jahr  wurde sein zweiter Sohn durch einen israelischen Angriff auf Gaza getötet. Solche Gewalttaten könnten natürlich Verbitterung und Hass provozieren. Doch war es Sahar, der im Frühjahr letzten Jahres den halbjährigen Waffenstillstand mit Israel aushandelte und mit dafür sorgte, dass dieser von palästinensischer Seite eingehalten wurde.

 

Sehr unterschiedliche Darstellungen

Eine Übersetzung der Rede ins Englische gibt es leider nicht. Vergleicht man jedoch die verschiedenen Berichte darüber, so wird deutlich, dass ein erheblicher Teil der Medien die Aussagen Sahars, die dieser unter dem Eindruck des mörderischen Bombardements machte, böswillig in fanatische Morddrohungen wandelten. Die Botschaft ist klar: wer öffentlich das Töten von Kindern rechtfertigt, ist unmenschlich, eine Bestie. Mit dem kann man nicht verhandeln und der hat keinerlei Rücksicht verdient. Es ist eines von vielen Beispielen, wie Feindbilder geschaffen und der Gegner dämonisiert wird.

 

Beim Vergleich der Berichte über die Rede Sahars, fällt zunächst auf, dass die Behauptung, ein Hamas-Führer rechtfertige oder fordere gar das Töten israelischer Kinder, nur von einigen deutschen Zeitungen gebracht wurde. Außer in der Süddeutschen fand sich dies online nur noch in drei bedeutenden Zeitungen, der ZEIT, dem Tagesspiegel und dem Stern, jeweils praktisch wortgleich. Der Spiegel, die Welt, die Rheinische Post und die Financial Times Deutschland erwähnten beispielsweise nichts dergleichen. Sie behaupteten aber ebenfalls, er habe mit Anschlägen auf israelische Zivilpersonen in der ganzen Welt gedroht.

Führend AP – von pro-israelischen Medien noch aufgebauscht

Bei den englischsprachigen Medien, die behaupten, Sahar habe das Töten israelischer Kinder gerechtfertigt, geht dies meist auf AP zurück, die ihn in teils wörtlicher Rede zitiert.

 

Hamas-Führer Mahmoud Zahar ermahnte die Palästinenser, die israelischen Truppen zu bekämpfen und israelische Zivilisten und Juden außerhalb Palästinas anzugreifen.

„Indem die Zionisten unsere Kinder töteten, haben sie das Töten ihrer eigenen Kinder legitimiert. Indem sie unsere Menschen getötet haben, haben sie das Töten ihrer Menschen auf der ganzen Welt legitimiert“, sagte Zahar in einer grobkörnigen Videoaufnahme im Hamas-Fernsehen.

(AP, 5.1.2009: Gaza Civilian Toll Rises; Diplomats Seek Truce

 

Setzt AP bereits „Zionisten“ mit „Israelis“ und „Juden“ gleich, so spitzten andere Medien die Meldung noch zu, indem sie „israelisch“ durchweg durch „jüdisch“ ersetzten, ein beliebter Trick. Auch die britische Times bemühte sich, den Äußerungen Sahars eine antisemitische Note zu geben und schrieb, er habe gedroht, „Islamisten würden als Vergeltung für Israels verheerenden Überfall, überall auf der Welt jüdische Kinder töten.“ (Times, 6.1.2009: Hamas: Israel has legitimised the killing of its children)

Anders die AFP

Bei AFP, die etwas ausführlicher auf die Ansprache eingeht, klingt das schon deutlich anders. Die französische Agentur meldete am 5.1.2009:

„Die schmerzhaften Prüfungen von heute werden uns helfen unsere nationalen Bestrebungen von morgen zu verwirklichen“ sage er, und fügte hinzu, dass die Hamas ihr Ziel „ganz Palästina zu befreien“ nicht aufgeben werde. „Mit dieser Aggression verurteilt sich der Feind selbst und gibt der Welt Gründe, dieses temporäre Gebilde in Palästina zu beseitigen.“

„Sie haben die Ermordung ihrer eigenen Kinder legitimiert, indem sie die Kinder Palästinas töteten. Sie haben die Zerstörung ihrer Synagogen und Schulen legitimiert, indem sie unsere Moscheen und Schulen bombardierten.“  (Hamas Senior Leader Vows "Victory" Against Israel)

 

Es sind immer noch aggressive Töne, doch auch wenn der zentrale Satz ähnlich wie von AP wiedergeben wird, erscheint er hier bereits weniger wie eine Drohung als wie eine Rechtfertigung gegenüber Vorwürfen, die Palästinenser töteten mit ihren Attentaten und Raketenangriffen unschuldige Zivilisten. Von Angriffen „in der ganzen Welt“ ist hier sowenig die Rede, wie von Angriffen auf „Juden“.

Israelische Medien

Während das Gros der israelischen Medien die AP-Meldung noch aufbauschte, entsprach  der Bericht in der Jerusalem Post dem von AFP.

 

In der liberalen israelischen Tageszeitung Ha'aretz ist jedoch von Kindermorden überhaupt keine Rede. Sie schreibt wortgleich mit Reuters und The Independent, der Hamas Minister habe „die Kämpfer der Organisation gelobt“ und dabei gesagt, „ihre Pflicht sei es den ‚zionistischen Feind‘ zu zerschmettern.“ Er habe „auch angedeutet, der bewaffnete Arm der Gruppe würde versuchen, zivile israelische Ziele anzugreifen.“ Der zentrale Satz lautet hier in wörtlicher Rede:

 

„Israel macht sich auf die Abschlachtung seiner Bürger gefasst, geradeso wie sie unsere Leute im Gaza Streifen töten“, sage er. „Sie gaben uns das Recht ihre Synagogen zu zerstören als sie unsere Moscheen trafen, sie gaben uns das Recht ihre Schulen zu zerstören als sie unsere Schulen trafen.“  (Ha'aretz, 5.1.2009, Hamas official: We must lay foundation for a tomorrow without Zionists, identisch bei Reuters /Independent, 5.1.2009, Gaza battles rage as envoys appeal for truce und im Guardian v. 6.1. Israel looks to drive out Hama)

 

Es ist kaum wahrscheinlich, dass Ha'aretz, Reuters und viele andere Medien, Drohungen gegen Kinder nicht erwähnt hätten, falls Sahar sie tatsächlich ausgesprochen hätte.

 

New York Times, CNN und UPI

Die New York Times hat ebenfalls nichts dergleichen vernommen. In ihrer Übersetzung klingen Sahars Aussagen noch weniger drohend:

“Der israelische Feind hat mit seiner Aggression ein weiteres Kapitel in der Welt geschrieben, die fortan keinen Platz mehr für ihn haben wird. Sie bombardierten jeden in Gaza. Sie bombardierten Kinder und Krankenhäuser und Moscheen, und dadurch gaben sie uns das Recht, auf dieselbe Art zurückzuschlagen.“ (NYT, 5.1.2009 Israel Deepens Gaza Incursion as Toll Mounts)

 

UPI zitierte ihn fast wortgleich und beruft sich dabei auf einen CNN-Bericht. In der schriftlichen Zusammenfassung dieses Berichts auf dem CNN-Portal heißt es, etwas kürzer als in der NYT, er habe den Widerstandskämpfern im Namen der Hamas-Führung gratuliert und betont, dass „auf Grund dessen was Israel getan habe, ihre Aktionen gerechtfertigt seien.“ Beim zweiten Satz stimmen NYT, UPI und CNN exakt überein. (UPI, Gaza, 5.1.2009, Hamas: Rockets won't stop, CNN, 5.1. Israeli military surrounds Gaza City, officals say).

Der CNN-Bericht erschien sehr früh am 5. Januar und ist wahrscheinlich dem tatsächlichen Wortlaut am nächsten.

Hamas dementiert Drohungen

Dies würde auch Basim Naim, Gesundheitsminister in Gaza bestätigen, der in einem Gastkommentar im Guardian allen Behauptungen vehement widerspricht, Sahar hätte irgendwelche Drohungen ausgesprochen. „Wir glauben an Widerstand nicht an Rache“ so der Titel seines Kommentars.

 

Mittels ungeheuerlich entstellter Zitate und falscher Übersetzungen setzten sie die Falschbehauptung in die Welt, Hamas-Führer Mahmoud Zahar habe zur weltweiten Tötung jüdischer Kinder und zu Angriffen auf Synagogen aufgerufen.

Das tat er nicht, und das würde auch kein anderer Sprecher der Hamas tun. Derartige Aufrufe würden dem Islam und den Lehren des Propheten widersprechen, die das Töten von Kindern und Angriffe auf Gotteshäuser verbieten. Außerdem hat Hamas seit Beginn unseres Kampfes immer klargestellt, dass die Aktionen der Organisation sich auf das umkämpfte Gebiet selbst, nämlich Palästina, beschränken würden.

 

Mit seinen Äußerungen hat Dr. Zahar lediglich die Warnung ausgesprochen, dass die Zionisten, indem sie derartig barbarische Massaker an Kindern und Frauen verüben und indem sie unsere Moscheen zerstören, Verhältnisse schaffen, in denen einige zu der Meinung kommen werden, es sei berechtigt oder legitim, Rache zu üben. Das entspricht nicht der Auffassung von Hamas.“

... Unser Kampf richtet sich nicht gegen das jüdische Volk, sondern gegen Unterdrückung und Besatzung. Dies ist kein Religionskrieg. Wir haben keinen Streit mit dem jüdischen Volk. Wir begrüßen und anerkennen die Haltung, die führende jüdischen Persönlichkeiten in Britannien und überall in der Welt gegen Israels Überfall auf Gaza und für die Rechte unseres Volkes eingenommen haben. Es stimmt auch nicht, dass Hamas, wie behauptet wird, danach strebt Scharia-Recht in Gaza durchzusetzen: wir respektieren den demokratischen Prozess und die individuellen Rechte. (We believe in resistance, not revenge, Guardian, 13.1.2009)

 


17. Januar in Berlin | Quelle: arendt-art.de

Unbelehrbar: Berlins Innensenator

Obwohl die von den Organisatoren der Berliner Demonstration, Deutscher Friedensrat und Palästinensische Gemeinde Berlin, eingeschalteten Rechtsanwälte Eberhard Schultz und Claus Förster in ihrem Eilantrag gegen die Auflagen des Polizeipräsidenten auf die offensichtlich falsche Wiedergabe von Sahars Äußerungen hingewiesen hatten, griff der Berliner Innensenator Körting (SPD) in seiner Presseerklärung vom 16.1. 2009 erneut auf sie zurück. Sein Versuch, damit in letzter Minute noch das schwebende Verfahren über die Zulässigkeit der Auflagen zu beeinflussen, war jedoch umsonst. Das Oberverwaltungsgericht setzte sie, als mit der verfassungsrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit nicht vereinbar, außer Kraft. Körting blieb unbelehrbar und reagierte auf das Urteil mit der Forderung nach einem vereinsrechtlichen Verbot der Hamas in Deutschland. Er begründete auch dies u.a. wieder mit den angeblichen Äußerungen Sahars. (Körting rügt Richter und fordert Hamas-Verbot, Berliner Zeitung, 19.1.2009)

 

“Jüdische Kriegsethik“

Fürchterliche Drohungen prominenter Israelis haben – obwohl tatsächlich nachweisbar – noch nie eine vergleichbare Welle der Empörung hervorgerufen. So hatte z.B. der israelische Oberrabbiner Mordechai Eliyahu bereits im Mai 2007 gefordert, beim Vorgehen gegen palästinensische Raketenangriffe auf keinen Fall das Leben israelischer Soldaten zu riskieren und stattdessen Gaza ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung flächendeckend zu bombardieren. „Gemäß jüdischer Kriegsethik“, so Eliyahu in einer wöchentlich in den Synagogen verbreiteten Zeitschrift, sei „die gesamte Stadt kollektiv verantwortlich für das unmoralische Verhalten Einzelner“. Er berief sich dabei auf biblische Geschichten wie die Ermordung der Einwohner von Sichem (dem heutigen Nablus) durch die Söhne Josefs als Rache für die Vergewaltigung oder Verführung ihrer Schwester (Genesis 34).  Er zitierte dazu auch den Psalm „Ich werde meine Feinde verfolgen und festsetzen und ich werde nicht ruhen bis ich sie ausgerottet habe.“ Sein Sohn präzisierte auf Anfrage der Jerusalem Post die Ausführungen. „Wenn sie nicht aufhören [Raketen abzufeuern J.G.] nachdem wir 100 getötet haben, müssen wir tausend töten“ so Shmuel Eliyahu. „Und wenn sie nicht nach 1.000 aufhören müssen wir 10.000 töten.  Und wenn sie immer noch nicht aufhören, müssen wir 100.000 töten oder sogar eine Million.” (siehe „Eliyahu advocates carpet bombing Gaza“, Jerusalem Post, 30.5.2007.)

Und nicht nur rassistische Geistliche, sondern auch israelische Generäle und hochrangige Politiker, wie der stellvertretende Ministerpräsident Avigdor Liberman haben schon oft offen zu Mord und Vertreibung der Palästinenser aufgerufen.

Joachim Guilliard ist in der Friedensbewegung aktiv und befasst sich seit langem mit dem Nahen und Mittleren Osten, schwerpunktmäßig mit dem Irak. Er ist Verfasser zahlreicher Fachartikel zum Thema Irak und Mitherausgeber bzw. -autor mehrerer Bücher


[1] „Our modest, home-made rockets are our cry of protest to the world.”, Khalid Mish'al, Chef des Politischen Büros der Hamas in seinem Gastkommentar “This brutality will never break our will to be free”, The Guardian, 6.1.2009