[home]
 

Schluss mit den Bombardements!

1. Rundmail des Antikriegsforum Heidelbergs zur Bombardierung Gazas, 28.12.2008

wie Ihr alle mitbekommen habt, hat das kriminelle Regime in Israel am Samstag mit der Bombardierung des Gazastreifens begonnen.

Die Luftangriffe auf das dichtbesiedelte Elendsgebiet waren die heftigsten seit 1967.  Die Medien sprechen inzwischen von mind. 225 Toten und 400 Verletzten. Bergung und medizinische Versorgung von Verletzten sind durch die israelische Totalblockade des Gazastreifens massiv erschwert. Durch den akuten Mangel an Medikamenten und Treibstoff wird die Zahl der Toten noch stark steigen.

Die Bombenangriffe sind, wie die israelische Regierung ankündigte, nur die "Eröffnungsaktion einer geplanten Offensive". Die israelische Armee würde dabei "nicht die Zellen der Qassam-Brigaden suchen ", d.h. der bewaffneten Gruppen die die Raketen gen Israel feuern, sondern ",Hauptziele' angreifen ... um den Kampfwillen der Hamas zu schwächen". Mit anderen Worten in klassicher kolonialistischer Manier zielt diese Vergeltungsaktion, wie schon mehrfach zuvor, auf zivile Ziele, wie die politische Verwaltung und lebenswichtige Teile der Infrastruktur.

Auch diesmal rechtfertigen die deutschen Medien und Politiker, wie Steinmeier (Schröders Mann fürs Geheime und Gemeine), die israelischen Angriffe als Reaktion auf die Raketenangriffe, indem sie die Vorgeschichte ausblenden. Tatsächlich hat Israel die Waffenruhe durch die Ermordung von Hamas-Aktivisten gebrochen, z.B. bei einer Militäraktion in der Nacht der US-Präsidentenwahlen. Vor allem war durch die Verweigerung jeglicher Nahrungs-, Treibstoff- und sonstiger Hilfslieferung die Versorgung der Bevölkerung völlig zusammengebrochen. Das israelische Regime hat genau gewußt, dass sie damit über kurz oder lang gewaltätige Reaktionen provoziert - offensichtlich war das geplant.

Der Angriff wurde feige noch vor Ablauf des Ultimatums begonnen und sicherlich nicht zufällig auch in die Zeit "zwischen den Jahren" gelegt, wo im Westen das öffentliche Leben ruht. Wie das Jerusalemer Alternative Information Center AIC richtig bemerkte, nutzt Israel "die letzten Augenblicke der Bush-Regierung dafür, die tödliche, aber unwirksame neokonservative Politik des Einsatzes militärischer Gewalt für politischen Wandel umzusetzen." Das AIC "ruft die sozialen Bewegungen in aller Welt auf, gegen diese israelischen Kriegsverbrechen zu mobilisieren und fordert, daß die internationale Gemeinschaft Sanktionen gegen Israel verhängt"
(Erklärung des AIC v. 27.12. (engl.), dt.: Steinbergrecherche )

Wir sollten überlegen, was wir tun können. In Stuttgart gibt es z.B. heute ein spontane Kundgebung.

Briefe an die israelische Botschaft und das Auswärtige Amt zu schreiben, wie unten vorgeschlagen, ist sicherlich ein guter erster Schritt. Auch Briefe an die Medien.

Die folgende Pressemitteilung von Prof. Werner Ruf  und Peter Strutynski für den Bundesausschusses Friedensratschlag kann als Argumentationshilfe dienen.

Darunter habe ich auch als Anregung die Briefe der Münchner Aktivistin Luise Rauschmayer an die israelische Botschaft und Steinmeier eingefügt. Am Wortlaut sollte natürlich noch etwas gefeilt werden.

Viele Grüße,
Joachim

-----------------------------------------

Schluss mit den Bombardements!

"Friedensratschlag" verurteilt israelische Luftangriffe auf Gaza
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag


- Israelische Kriegshandlung wie seit 1967 nicht mehr - Versagen des Nahost-Quartetts - Steinmeiers "politische Glanzleistung der besonderen Art" - Gewalt kann mit Krieg nicht beendet werden - Briefe an israelische Botschaft angekündigt

Kassel, 28. Dezember 2008 - Zu den verheerenden israelischen Bombenangriffen auf den Gazastreifen erklärten für den Bundesausschuss Friedensratschlag dessen Sprecher Dr. Peter Strutynski und der Nahostexperte Prof. Dr. Werner Ruf in einer ersten Stellungnahme:

Bei israelischen Luftangriffen auf den Gazastreifen sind am 27. Dezember mindestens 200 Menschen getötet und über 275 Menschen verletzt worden. Noch nie sind bei Kampfhandlungen seit dem Sechstagekrieg 1967 so viele Palästinenser an einem einzigen Tag getötet worden.

Dass der Angriff Israels auf den Gazastreifen, das am dichtesten besiedelte Gebiet der Welt, am Shabbat erfolgen würde, hatte niemand gedacht, wohl auch nicht die Bevölkerung dieses Elendsgebiets. Zumal die israelische Regierung einen Tag zuvor der im Gazastreifen regierenden Hamas ein Ultimatum von 48 Stunden gestellt hatte, die Raketen- und Mörserangriffe auf israelisches Gebiet einzustellen. Doch Israel wartete das Ende des Ultimatums nicht ab, sondern wurde wortbrüchig und begann bereits nach weniger als 24 Stunden mit den tödlichen Luftangriffen.

Vorherzusehen war der Angriff gleichwohl. Israels Premierminister hatte ihn angekündigt und dem Sender al arabiya gegenüber erklärt: "Ich denke an die Zehntausende Kinder und Unschuldige, die als Ergebnis der Hamas-Aktivitäten gefährdet werden." (FAZ 27.12.2008). Weder die USA noch das Quartett, bestehend aus den USA, den UN, der EU und Russland, die den Friedensprozess im Nahen Osten begleiten sollten, fühlten sich offenbar berufen, Druck auf Israel auszuüben, um die mörderischen Bombardements zu verhindern. Eine politische Glanzleistung der besonderen Art vollbrachte der deutsche Außenminister Steinmeier, als er in einem Interview mit "Bild am Sonntag" Hamas zum "sofortigen und dauerhaften" Ende der Raketenangriffe auf Israel aufforderte, von Israel dagegen nur "Zurückhaltung" bei ihren Militäraktionen verlangte, die ansonsten zu ihrem "legitimen Recht" gehörten.

Schuld an all dem Elend ist aus israelischer Sicht die diabolisierte Hamas, die in Gaza die Herrschaft ausübt. Vergessen wird, dass im Juni zwischen ihr und Israel eine Waffenruhe vereinbart wurde, die im Großen und Ganzen auch eingehalten wurde, bis Anfang November Israel mit "vereinzelten Schlägen" mehre Hamas-Milizionäre "gezielt tötete". Unterschlagen wird, dass Israel einen Monat lang weder Nahrung noch Treibstoff noch Hilfslieferungen in das Gebiet ließ. Von Hamas lag ein Angebot vor den Waffenstillstand fortzusetzen. Noch am 22. Dezember behauptete zwar das israelische Außenministerium: "Israel ist an einer Fortsetzung der Waffenruhe interessiert und nicht an einer Militäroperation", es weigerte sich aber, auf das Hamas-Angebot unter den gegebenen Bedingungen einzugehen. Dies drängt die Vermutung auf, es handele sich bei diesem fürchterlichen völkerrechtswidrigen Angriff weniger um eine der vielen "Vergeltungsaktionen" als vielmehr um Wahlkampf: Im März wird in Israel gewählt, und erstmals liegt die Kadima-Partei von Olmert und Livni knapp vor dem rechten Likud des Herausforderers Netanyahu.

Die Eskalation der Gewalt hat ihre Wurzeln vor allem im Ergebnis der palästinensischen Wahlen vom Januar 2006, den ersten wirklich freien Wahlen in der arabischen Welt, in denen die Hamas die Mehrheit der Stimmen gewann. Der Westen erkannte die damals gebildete Regierung nicht an, Israel verhaftete -- mit Unterstützung der palästinensischen Autonomiebehörde unter Mahmud Abbas - zahlreiche Minister und Abgeordnete, die z. T. bis heute im Gefängnis sitzen. Erst dies führte dazu, dass die Hamas im Gazastreifen allein die Macht ergriff. Doch nicht nur ihre Angebote für eine dauerhafte Waffenruhe, auch das Angebot, Israel anzuerkennen, wenn dieses die besetzten Gebiete als Staatsgebiet eines palästinensischen Staates anerkennen würde, blieben ohne positive Reaktion.

Es ist eine Illusion zu glauben, der nun eingeleitete Krieg gegen die Bevölkerung von Gaza könnte die Gewalt beenden. Das Gegenteil wird der Fall sein: Die Wut einer Bevölkerung, die so oder so nichts als ihr Leben zu verlieren hat, wird Israel nicht sicherer machen. Einen Frieden im israelisch-palästinensischen Konflikt kann es erst geben, wenn alle Konfliktparteien gleichberechtigt am Verhandlungsprozess beteiligt werden.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag verurteilt die israelischen Luftangriffe, die gegen die Genfer Konvention verstoßen und zur weiteren Eskalation des israelisch-palästinensischen Konflikts beitragen. Eine Rückkehr zur Waffenruhe wird aber auch von der Hamas im Gazastreifen verlangt.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag appelliert an die Friedensbewegung und an alle anderen politischen Kräfte, auch während der Feiertage alles zu tun, um ihre Stimme gegen die israelischen Luftangriffe zu erheben. Hilfreich könnten Briefe an die israelische Botschaft in Berlin sowie an das deutsche Außenministerium sein. Wo es möglich ist, sollten lokale Friedensgruppen mit Informationsständen und Mahnwachen auf die prekäre Lage im Nahen Osten aufmerksam machen. Sowohl die Bevölkerung des Staates Israel als auch die Palästinenser haben ein Recht auf ein Leben in Sicherheit.

-----------------------------

Ausserordentlicher und bevollmächtigter Botschafter: S.E. Herr Yoram Ben Zeev, Konsularbezirk: Bundesgebiet
botschaft@israel.de
(Weitere Adressen:
http://berlin.mfa.gov.il/mfm/web/main/document.asp?SubjectID=85233&MissionID=88&LanguageID=190&StatusID=0&DocumentID=-1)
 
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, 3, Daniel Frisch Street, 19. Stock, 64731 Tel Aviv (Postanschrift: Embassy of the Federal Republic of Germany, P.O. Box 16038, 61160 Tel Aviv, Israel)
info@tel-aviv.diplo.de
 
Sehr geehrter Herr Botschafter Ben Zeev,
 
aus den Nachrichten erfahre ich von den israelischen Luftangriffen auf Gaza mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung. Ich anerkenne das legitime Bedürfnis Israels wie jeder Bevölkerung, sich vor Raketenangriffen zu schützen, weiß mich hier jedoch mit einer Reihe von Kommentatoren und Experten einig, daß dieses Ziel durch Verhandlungen anzustreben und zu erreichen ist - und nicht durch Luftangriffe. Zudem befremdet, daß das Ende des eigens bekanntgebenen Ultimatums nicht abgewartet wurde; daß, obwohl in den letzten Stunden wohl ein Abnehmen des Raketenbeschusses festgestellt wurde, dennoch nun Luftangriffe durchgeführt wurden. Kommentatoren sehen einen Zusammenhang mit den bevorstehenden israelischen Wahlen und verweisen auf innenpolitische Begründungen. Wie sollen wir akzeptieren, daß für einen Wahlerfolg unschuldige Menschen bombardiert werden? Weshalb kann Ihre Regierung nicht mit der demokratisch gewählten Hamas verhandeln?
 
Bitte nutzen Sie Ihre Möglichkeiten, um zum Frieden zu wirken! D.h. m.E. kurzfristig: Einstellen (und keine Wiederaufnahme) der Kampfhandlungen, sofortiger Beginn von Verhandlungen. (Selbstverständlich ohne eine Blockade oder andere Zwangsmittel.)
 
Mit freundlichen Grüßen,
Luise Rauschmayer 


---------------------------------
Sehr geehrter Herr Minister Steinmeier,
 
soeben hat Israels Verteidigungsminister Ehud Barak in einer Pressekonferenz klar geäußert, er wolle niemanden täuschen: dies werde ein länger andauernder Militäreinsatz werden. Die erste geographische Ausweitung zeigt CNN in diesen Minuten: israelisches Militär, das in Hebron gegen Palästinenser vorgeht. (Sie wissen, daß am Horizont ein möglicher, von manchen geplanter Krieg gegen Iran aufscheint.)
Die Arabische Liga beantragt eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats - und die aktuellste Pressemitteilung Ihres Hauses datiert vom 23.12. Was wird in Ihrem Haus unternommen, um Frieden wiederherzustellen?
Bitte sprechen Sie mit Israel: wir wissen, eine Wahl steht dort bevor und befeuert die "Falken". Ehud Barak war in der englischen Übersetzung seiner Pressekonferenz eben so zu verstehen, daß er nun endgültig der Hamas-Regierung im Gazastreifen ein Ende bereiten, nicht vorher mit dem Krieg (wie anders soll man es nennen?) aufhören wolle. Dabei ist offensichtlich, daß Luftangriffe mit Hunderten ziviler Toter kein geeignetes Mittel sind, Raketenangriffe aus dem Gazastreifen zu beenden. Die palästinensische Seite wirft Israel vor, die vereinbarten Waffenstillstandsbedingungen mit der Blockade des Gaza-Streifens unterlaufen zu haben - Sie wissen das. Es sollte Israel doch möglich sein, ernsthafte Verhandlungen mit der gewählten Hamas-Regierung zu führen. Einen anderen Weg gibt es m.E. nicht, und dieser ist zumutbar, gangbar und Ausdruck zivilisierten Umgangs.
 
Gerne würde ich von Ihnen hören.
Mit freundlichen Grüßen,

Luise Rauschmayer