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IALANA - Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen
Für gewaltfreie Friedensgestaltung
Deutsche Sektion der International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms


Zurück zur Vernunft!

Pressemitteilung der IALANA zum Krieg Israels gegen Libanon
20.07.2006

http://www.ialana.de/fileadmin/Mediendatenbank/Dateien/Startseite/Pressemitteilung_-_Israel_gegen_Libanon.pdf

Der Angriff der Israelischen Armee auf Libanon ist völkerrechtswidrig. Dazu darf - auch vor dem Hintergrund der Verbrechen des Holocaust und der leidvollen Geschichte Israels - niemand schweigen, heißt es in einer öffentlichen Stellungnahme der Deutschen Sektion der Juristenorganisation IALANA (Präsident der internationalen Vereinigung ist der frühere Vizepräsident des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag Judge Christopher Weeramantry.)

Eine Israel den Einsatz militärischer Mittel gestattende Resolution des Sicherheitsrates (Art. 42 UN-Charta) gebe es nicht. Insbesondere könne sich die Israelische Regierung nicht auf die Resolution 1559 aus dem Jahr 2004 berufen, mit der die libanesische Regierung aufgefordert wurde, die auf ihrem Gebiet agierenden Hisbollah-Milizen aufzulösen und zu entwaffnen. Diese Resolution ermächtige gerade nicht zum militärischen Eingreifen. Zudem verwundere die Berufung Israels auf diese UN-Resolution. Denn Israel selbst missachte seit Jahren alle UN-Resolutionen, die die israelische Armee zum Rückzug aus den besetzten Gebieten aufforderten.

Auch ein Fall der Selbstverteidigung Israels liege in diesem Krieg nicht vor. Denn die Entführung zweier israelischer Soldaten durch Unbekannte könne - jedenfalls bislang - nicht der libanesischen Staatsführung zugerechnet werden. Gleiches gelte für die in Reaktion auf die gewaltförmigen Auseinandersetzungen im Gaza-Streifen zwischen der Besatzungsmacht Israel und den Palästinensern erfolgten Abschüsse von Raketen durch Unbekannte vom libanesischen Staatsgebiet aus. Eine Verantwortlichkeit für diese den Hisbollah-Milizen zugeschriebenen verbrecherischen Terrorangriffe auf israelische Siedlungen könne bislang der libanesischen Regierung ebensowenig nachgewiesen werden wie den dort befindlichen UN-Truppen, die diese nicht hätten unterbinden können.

Zudem verletze die Art des militärischen Vorgehens Israels zentrale Grundsätze des humanitären Kriegsvölkerrechts ("ius in bello"). Der israelische Waffeneinsatz missachte das strikte Gebot der Unterscheidung zwischen Kämpfenden (Kombattanten) und der Zivilbevölkerung. Wer Bomben und Artilleriegeschosse gegen von der Zivilbevölkerung bewohnte Städte und Dörfer einsetze, handele verbrecherisch. Staatsterrorismus sei nicht weniger verwerflich als Anschläge nicht-staatlicher Akteure gegen die Zivilbevölkerung. Wenn beim Einsatz solcher Waffen nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten unterschieden werden könne, gebe es nach dem geltenden Völkerrecht nur eine legale Konsequenz: Sie dürften nicht eingesetzt werden.

In jedem Falle verletzten die Kriegshandlungen Israels zudem den völkerrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. In Relation zu der Entführung zweier Soldaten durch Unbekannte handele es sich um eine maßlose Überreaktion der israelischen Armee, der nunmehr bereits mehr als 200 Zivilisten zum Opfer gefallen seien.

Es verwundere schon die Berufung Israels auf die zitierte UNO-Resolution. Wenn eine solche Berufung geschehe, dann müsse aber auch die Resolution beachtet werden, die die israelische Armee zum Rückzug aus den besetzten Gebieten auffordere. Letztlich führten die einseitigen militärischen Aktionen Israels zu einem Flächenbrand, der den Weltfrieden insgesamt in Gefahr bringen könne und vor allem das Risiko eines Atomkriegs heraufbeschwöre.

Die Juristenorganisation fordert demgegenüber die Einberufung einer Nahost-Konferenz, die durch eine Zusammenkunft von allseits geachteten Persönlichkeiten aus internationalen Organisationen, wie etwa dem ehemaligen UN-Generalsekretär Boutros-Boutros Ghali, Uri Avneri, alternativer Nobelpreisträger, Shirin Ebadi, Trägerin des Friedensnobelpreises aus dem Iran etc., unter Einbeziehung der Pugwash-Konferenz, und möglicherweise auch einem Vermittlungsversuch des früheren deutschen Außenministers Fischer denkbar wäre.

Leitprinzip müsste das von der sogenannten Palme-Kommission entwickelte Prinzip der "Gemeinsamen Sicherheit" sein:

Im heutigen Zeitalter der Massenvernichtungswaffen ist Sicherheit nicht mehr von dem (potentiellen) Gegner, sondern nur noch mit ihm zu erreichen. Kein Staat hat ein Recht und einen Anspruch darauf, Sicherheit auf Kosten eines anderen anzustreben.

Daraus ergibt sich der unseres Erachtens zwingende Vorschlag, baldmöglichst eine "Konferenz für gemeinsame Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten" (KSZNO) vorzubereiten und ins Leben zu rufen. Die Erfahrungen mit der bedeutsamen Rolle der "Konferenz für gemeinsame Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (KSZE) bei der Überwindung des Kalten Krieges sollten dabei ermutigend wirken.

Ziel muss sein, den gesamten Nahen Osten zu einer Region zu machen, die auf der Basis wirksamer Verifikationssysteme und entsprechender Sicherheitsgarantien frei von allen Massenvernichtungswaffen ist und die eine umfassende wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit anstrebt und praktiziert. Dazu gehören sowohl die verlässliche Sicherung der Existenzrechte des Staates Israel und eines palästinensischen Staates als auch die Lösung der wichtigsten sozialen Fragen (Flüchtlingselend, Menschenrechtsverletzungen, wirtschaftliche Unterentwicklung und Arbeitslosigkeit).

Es gibt auch in dieser so hasserfüllten Region keine Alternative zu einem Weg des Dialogs und des Ausgleiches:

Zurück zur Vernunft!

Marburg, 20. Juli 2006
Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an: Reiner Braun, Tel.: 0172-2317475