Der kommende Weltkrieg

Der Waffenstillstand im Libanon hat die Pläne zum Angriff auf Iran nicht gestoppt
Von Jürgen Elsässer
jW, 26.09.2006 / Thema / Seite 10

Angela Merkel und ihre Minister verteilen Placebos: Der vergangene Woche vom Bundestag beschlossene Einsatz der Bundeswehr im Libanon sei eine Aufgabe mit begrenztem Mandat und von begrenzter Zeitdauer. Obwohl die Region zwischen Gaza­streifen und Persischem Golf in Flammen steht, verkündete die Kanzlerin die frohe Botschaft: »Im Nahen Osten schweigen die Waffen.« »Europa wird künftig – davon bin ich überzeugt – ein Faktor für Frieden, auch im Nahen Osten«, ergänzte Außenminister Frank Walter Steinmeier.

Tatsächlich war der israelische Überfall auf die Zedernrepublik nur die Ouvertüre zu einem weitaus größeren Schlachten – jedenfalls nach dem Willen der entscheidenden Kriegsplaner in Wa­shington. Der US-Investigativjournalist Seymour M. Hersh – er enttarnte das Foltergefängnis Abu Ghraib – hat nach zahlreichen Gesprächen mit US-Politikern und Militärs darauf aufmerksam gemacht, daß diese den israelischen Angriff auf Libanon als »ein Spiegelbild für das, was die USA mit dem Iran vorhaben«, sahen.1

Allerdings ist die Generalprobe ziemlich schiefgegangen. Trotz der Massivität der Luftangriffe wurde Hisbollah militärisch kaum geschwächt. Paradoxerweise hat diese Pleite die Kriegstreiber im Pentagon nicht abgekühlt. Gegenüber Hersh äußerten sich einige Offiziere aus dem Oberkommando der US-Streitkräfte besorgt, daß die Bush-Administration den Bombenkrieg viel positiver bewerte, als es angemessen sei. »Wenn sich der Rauch verzogen hat, werden sie behaupten, es war ein Erfolg, und sie werden sich in ihren Plänen zum Angriff auf Iran bestärkt sehen«, zitiert Hersh eine Stimme.

Jedenfalls sind die Vorbereitungen im Gange – die Frage ist nur noch, wer den nächsten Schritt macht. Ende August berichtete die Jerusalem Post, »hochrangige Regierungsstellen« sähen die Lage ähnlich wie in den dreißiger Jahren, »als die Welt vergeblich versucht habe, Hitler zu besänftigen«. Nun müsse Israel die Sache »selbst in die Hand nehmen«, um Irans Atomprogramm zumindest »zu verlangsamen«. Anfang September erklärte der israelische Minister Jacob Edri einen Militärschlag gegen den Iran für »unvermeidlich«. Die Entscheidung werde, so Edri, noch in der Amtszeit von US-Präsident George W. Bush fallen. Vergangene Woche berichtete die Jerusalem Post unter Berufung auf einen hochrangigen israelischen Offizier, daß das israelische Oberkommando seit Ende des Libanon-Krieges den Schwerpunkt seiner Planungen auf Iran konzentrierte. Das Comeback der Neocons Für Michael Ledeen, einen der aggressivsten US-Geheimdienstler, ergibt sich die Notwendigkeit eines flächendeckenden Nahostkrieges ganz zwangsläufig aus der jetzigen Situation. »Selbst wenn die Israelis einen brillanten Feldzug durchgeführt und jeden einzelnen Hisbollah-Terroristen im Libanon getötet hätten, hätte das nur einen Zeitaufschub bedeutet«, schreibt Ledeen. »Israel kann Hisbollah nicht zerstören, indem es nur im Libanon kämpft, genauso wie wir Irak und Afghanistan nicht halten können, wenn wir nur dort anständig kämpfen. Die Zerstörung von Hisbollah erfordert einen Regimewechsel in Damaskus. Sicherheit im Irak und in Afghanistan erfordert einen Regimewechsel in Damaskus und Teheran. Libanon, Gaza, Irak und Afghanistan sind keine getrennten Konflikte. Sie sind Schlachtfelder in einem regionalen Krieg.«2 Kann man noch von einem regionalen Krieg sprechen, dessen Fronten sich über 4000 Kilometer vom Mittelmeer bis zum Fuße des Himalaja ziehen?

Die aggressivste Fraktion des US-Establishments, die sogenannten Neocons, hatten unter Präsident Bush immer mehr an Einfluß gewonnen und dessen Doktrin einer weltweiten sogenannten Demokratisierung mittels Präventivkriegen wesentlich mitformuliert (siehe S. 11 unten). Doch seit den zunehmenden Schwierigkeiten im Irak war ihr Stern im Weißen Haus im Sinken begriffen – bis zum Beginn der israelischen Offensive. »Das Ende der Bush-Revolution« war ein Artikel in der Juli/August-Ausgabe der einflußreichen Strategiezeitschrift Foreign Affairs übertitelt. »Während die Rhetorik der Bush-Revolution weiterlebt, ist die Revolution selbst vorbei«, konstatierte das Blatt. Ähnlich schrieb das Time Magazin in seiner Titelgeschichte vom 17.Juli noch vom »Ende der Cowboy-Diplomatie«. Auch einer der Cheftheoretiker der Neocons, William Kristol, beklagte im Mai 2006 in seiner Zeitschrift The Weekly Standard: »Viele in der US-Regierung glauben nicht länger an die Bush-Doktrin und arbeiten nicht mehr an ihrer Durchsetzung.«

Um die Bush-Doktrin zu retten, zogen die Neocons die israelische Karte. Unabhängig von seinem Ausgang stellte der Libanonkrieg eine »Win-Win-Situation« für ihre weiteren Vorhaben dar, wie der US-Politologe Stephen J. Sniegoski feststellte. »Ein israelischer Erfolg wäre eine Einladung gewesen, die Aufgabe gegen einen geschwächten Iran zu Ende zu bringen. Und die israelische Niederlage unterstreicht die direkte Bedrohung, die Iran und die islamischen Radikalen darstellen und die Notwendigkeit.«

Zwar hatte man sich in Jerusalem schon seit dem Jahr 2000 auf einen Krieg gegen Libanon vorbereitet. Die aktuelle Entscheidung zum Losschlagen scheint allerdings erst relativ kurzfristig gefallen zu sein – nur so erklären sich die vielen handwerklichen Fehler (u. a. bei der Planung des Nachschubs), die die israelische Armee bei der Vorbereitung gemacht hat und die im Nachhinein eine Welle von Protesten unter den Militärs gegen ihre Führung zur Folge hatte. Ein entscheidender Termin dürfte der 17. und 18. Juni gewesen sein, als das American Enterprise Institute – einer der Thinktanks der Neocons – zu einer Konferenz nach Beaver Creek in Colorado lud. Dort traf Vize­präsident Dick Cheney unter anderem mit dem Expremier und Likud-Hardliner Benjamin Netanjahu zusammen. Der briefte nach seiner Rückkehr die Spitzen der aktuellen Regierungskoalition, Ehud Olmert und Shimon Peres. Offensichtlich kam man im weiteren überein, einen Anlaß für den Überfall auf den Libanon zu konstruieren – die sogenannte Entführung zweier israelischer Soldaten durch die Hisbollah-Miliz. Amin Hoteit, ehemals Brigadegeneral der libanesischen Armee und im Jahr 2000 in Kooperation mit UNIFIL für die Festlegung der ›blauen Linie‹ zwischen Libanon und Israel verantwortlich, behauptet jedoch, die Soldaten seien auf libanesischem Staatsgebiet gefangengenommen worden. »Sie wurden auf einer Straße bei Aitaa el Chaab, 120 Meter innerhalb des Libanon, festgenommen«, sagte Hoteit der britischen Tageszeitung The Guardian. »Dort gibt es keinen Zaun, keine Schilder, und die Hisbollah drang über keine Demarkationslinie auf israelisches Staatsgebiet vor. Es handelt sich um ein unbewohntes Waldgebiet, das nur der Widerstand (die Hisbollah) nutzt. Nach der Festlegung der Demarkationslinie hatten wir die Straße gesperrt.« Hoteits Darstellung deckt sich mit Kommuniques der Hisbollah und der libanesischen Polizei, konnte man Mitte August sogar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nachlesen – wenn auch nur im Feuilleton.

Von Anfang an nutzte Washington den israelischen Vorstoß für seine weitergehenden Ziele. Die US-Amerikaner drängten die Israelis, »die Luftangriffe auf das benachbarte Syrien auszuweiten« – das berichtete jedenfalls die FAZ mit Verweis auf israelische Medien.3 Eine ähnliche Beobachtung gab Avi Primor, der ehemalige israelische Botschafter in Berlin, zu Protokoll: Es seien die Amerikaner, die Israel die Aufnahme von Verhandlungen über die Golanhöhen »untersagten«, weil sie »Syrien isolieren und das Assad-Regime torpedieren wollen«.4 Bush verkündete am 28. Juli nach einem Treffen mit dem britischen Premier Anthony Blair: »Es geht nicht mehr länger nur um Libanon. (...) Hisbollah, das glaube ich fest, wird vom Iran gedeckt.« US-Außenministerin Rice hatte schon kurz zuvor den aktuellen Waffengang als »Geburtswehen eines neuen Nahen Osten« bezeichnet. Kristol, der im Mai noch deprimiert gewesen war, witterte jetzt Morgenluft: »Es ist unser Krieg«, lautete die Überschrift seines Artikels im Weekly Standard, in dem er für ein US-Eingreifen gegen »diesen Akt iranischer Aggression« warb. Amerika solle überlegen, darauf »mit einem Militärschlag gegen iranische Nuklearanlagen zu antworten. Warum warten?« John Podhoretz, Sohn des Neocon-Urvaters Norman Podhoretz, kritisierte die Zurückhaltung, dessen sich die USA und Israel im »Antiterrorkrieg« seiner Meinung nach befleißigten. »Kann irgendein Krieg gewonnen werden, wenn eine von zwei kämpfenden Seiten sich auf diese Weise selbst Grenzen setzt?« Und weiter: »Hätte der Zweite Weltkrieg von Großbritannien und den USA gewonnen werden können, wenn diese zwei Länder nicht bereit gewesen wären, Dresden mit Brandbomben zu belegen und Atombomben über Hiroshima und Nagasaki abzuwerfen?«5 Das ist die Argumentation eines größenwahnsinnigen Kriminellen, aber keine Einzelmeinung. Daß auch der Präsident selbst in diese Richtung denkt, zeigt ein Brief von höchsten US-Generälen an das Weiße Haus vom Frühjahr 2006: Sie protestierten gegen die Weigerung ihres Oberbefehlshabers, im Falle eines Krieges mit dem Iran den Einsatz von Nuklearwaffen auszuschließen, und drohten mit ihrer Demission. Weltkrieg und Chaos Wenn Teheran, wie es Podhoretz phantasiert, in ein zweites Hiroshima oder auch nur ein zweites Dresden verwandelt würde, schlügen die Angegriffenen zurück. Der Hisbollah käme dabei eine wichtige Rolle zu: den wichtigsten nahöstlichen Alliierten der USA, nämlich Israel, erneut mit Raketen zu beschießen, und zwar dieses Mal auch Tel Aviv und andere Ballungszentren. Hier lag der militärische Sinn der israelischen Aggression: Das wochenlange Bombardement hat die entsprechenden Arsenale der Untergrundorganisation zwar nicht ausgeschaltet, aber dezimiert. Die Zerstörung der meisten Überlandstraßen und Brücken in Richtung Syrien hat außerdem die Nachschubfähigkeit entscheidend geschwächt. Wenn nun EU-geführte Truppen an den libanesischen Grenzen aufmarschieren und den Waffenschmuggel auf dem Seeweg abschnüren, werden weitere Schlupflöcher gestopft. Vor allem eines soll so verhindert werden: Die Teheraner Führung hat bisher ihre besten Waffen nicht aus den Händen gegeben – dazu steht ihr die Hisbollah nicht nahe genug. Dies würden sie aber beim Näherrücken des US-Angriffes nolens volens machen müssen – und genau das sollen nun die Bundeswehr und andere europäische Truppen verhindern. Die UN-Resolution 1701 gibt ihnen das »robuste Mandat«, entsprechend zu handeln – und macht sie damit automatisch zu US-Hilfstruppen an der Südfront des kommenden großen Krieges. Keiner sollte sich beklagen, wenn Hisbollah sie entsprechend behandelt.

Unmittelbar nach Beginn der israelischen Offensive sagte der einflußreiche US-Demokrat Newt Gingrich, der sich 2008 als Präsidentschaftskandidat bewerben will: »Wir sind in den Anfängen von dem, was ich als den Dritten Weltkrieg bezeichnen würde, und unsere Bürokratie reagiert, offengestanden, nicht schnell genug und hat nicht die richtige Haltung dazu. Dies ist das 58. Jahr des Krieges zur Zerstörung Israels (...).« Bei einem weiteren Auftritt nannte er Nordkorea, Iran, die verschiedenen terroristischen Organisationen, Venezuela und Kuba als »Beweis« für das Ausmaß der Bedrohung.

Daß US-Offizielle von der Notwendigkeit eines neuen Weltkrieges sprechen, war schon gleich nach dem 11. September 2001 zu beobachten. Als erster verwendete Eliot Cohen den Begriff »Vierter Weltkrieg« am 20. November 2001 im Wall Street Journal – die gewonnene Systemauseinandersetzung mit der Sowjetunion wird bei dieser Zählweise als Dritter Weltkrieg mitgerechnet. Cohen war unter Bush senior im Pentagon zuständig für die erste offizielle Studie über den Irak-Krieg 1991. Der oben bereits erwähnte Podhoretz lieferte im Februar 2002 eine ausführliche Begründung in der Zeitschrift Commentary nach: So wie die USA im Zweiten Weltkrieg die faschistischen Mächte niedergeworfen hätten, gelte es jetzt, die arabischen Staaten zu besetzen und demokratisch umzuerziehen. Kurz vor Erscheinen seines Artikels hatte Bush junior in seiner Rede zur Lage der Nation Ende Ja­nuar 2002 zum erstenmal von einer »Achse des Bösen« gesprochen und darunter die ganz unterschiedlichen Regime Nordkoreas, des Iran und des Irak gerechnet. Der Terminus stammte von seinem Redenschreiber David Frum, der zusammen mit dem Pentagon-Berater Richard Perle im folgenden Jahr das Buch »An End to Evil – How to Win the War on Terror« vorlegte. Darin geben Perle und Frum ganz offen zu, daß es ihnen nicht nur um den Islam geht, sondern um alles, was sich in den arabischen Ländern den US-Zielen entgegenstellt: »Religiöse Extremisten und laizistische Militante, Sunniten und Schiiten, Kommunisten und Faschisten – im Nahen Osten verschmelzen diese Kategorien miteinander. Sie alle strömen aus demselben enormen Reservoir an leicht entflammbarer Leidenschaft.« Daraus leitet das Autorenduo einen Aufruf zum totalen Krieg ab: »Es gibt für die Amerikaner keinen Mittelweg: Es geht um Sieg oder Holocaust.«

Was treibt die Neocons? Die USA haben Jugoslawien zerstört, Afghanistan, den Irak – und keines der Krisengebiete in den Griff bekommen. Im Balkan schwären ungeklärte Territorialfragen (Kosovo, Bosnien), in Afghanistan ist der Krieg wieder ausgebrochen, im Irak nie zu Ende gegangen. Trotzdem sollen neue Fronten eröffnet werden. Die pragmatischen Imperialisten wie Zbigniew Brzezinski, Henry Kissinger und George Soros – allesamt alles andere als Friedensengel – wenden sich mit Grausen ab und warnen vor der Überdehnung der Kräfte. Nicht nur die militärischen Kapazitäten sind erschöpft, auch die Überschuldung der USA hat ein nie gekanntes Maß erreicht.

Jedenfalls: Mit diesem Amok können keine Territorien erobert, geschweige denn befriedet und in der Folge profitabel ausgebeutet werden. Beispiel Öl: Lag der Preis für das schwarze Gold zu Anfang des Jahrhunderts noch bei etwa 20 Dollar pro Faß, so ist er nach Bushs Kriegszügen auf das Dreieinhalbfache gestiegen.

Aber vielleicht geht es gar nicht um eine neue Ordnung auf der Welt, sondern um die Unordnung in Permanenz. »Unser Name heißt kreative Zerstörung«, schreibt der Neocon-Macchiavelli Ledeen, »sowohl in unserer eigenen Gesellschaft als auch im Ausland. Wir reißen jeden Tag die alte Ordnung nieder. (…) Unsere Feinde haben schon immer diesen Wirbelwind an Energie und Kreativität gehaßt, der ihre Traditionen bedroht (was auch immer diese sein mögen).« Das hört sich ebenso irre an wie die Visionen von einem letzten Gefecht (»Armageddon«) der Endzeit-Evangeliker im Umfeld von Bush junior. Vielleicht gibt es aber eine ganz profane Erklärung für den Irrsinn: Je mehr die Welt, insbesondere die islamische, im Chaos versinkt, desto höher steigt der Ölpreis. Während die Industrie, auch die US-amerikanische, darunter leidet, profitiert die Ölbranche davon. Diese Minderheitsfrak­tion im Kapital aber dominiert in der Regierung in Washington: Der Präsident kommt aus dem Ölbusiness, nach der Außenministerin wollte der Multi Exxon schon einen Tanker benennen, und Cheney war lange Jahre Vorstandsvorsitzender des Ausrüstungskonzerns Halliburton. Rumsfeld und Perle wiederum verdienen zwar nicht an der Förderung des Schwarzen Goldes, als Rüstungslobbyisten wohl aber an der Schmutzarbeit bei der Chaosstrategie. Wollen sie sich einfach ganz egoistisch nur die Taschen füllen, indem sie die ganze Welt anzünden?

1 Seymour M. Hersh, Watching Lebanon, The New Yorker, 21.08.2006

2 Michael Ledeen, The Real War … one more time, National Review Online, 14.08.2006

3 Hans-Christian Rößler, Eingeschränkte Möglichkeiten, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.9.2006

4 Avi Primor, Wege aus der Klemme, FAZ, 29.08.2006

5 John Podhoretz, Too Nice to Win?, New York Post 26.7.2006
Hintergrund: Die Neocons - Ziele und Personen
Der kommende Weltkrieg
Das iranische Öl wirkt anziehend: Die Soroush-Plattform vor der Insel Qeshm im Persischen Golf
Foto: AP
Im Unterschied zu den traditionellen Konservativen mit einer eher isolationistischen Strategie reden die Neokonservativen weltweiten Interventionen das Wort. Die Strömung hat sich aus ehemaligen Linken in den sechziger Jahren zusammengefunden und in den Siebzigern vor allem die republikanische Partei infiltriert. Unter den Präsidenten Ronald Reagan und Bush senior besetzten sie bereits Posten in der Administration. Seit Mitte der neunziger Jahre planen sie den Vormarsch ins Zentrum der Macht.

Im Konzept »A Clean Break« (Ein sauberer Bruch) von 1996 arbeiteten ihre führenden Köpfe eine Aggres­sionsstrategie für den Nahen Osten aus. Darin schlugen sie dem damaligen israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor, die Oslo-Politik des Verhandelns mit den Palästinensern aufzugeben und die Region politisch-militärisch aufzurollen: Am Anfang müsse als »äußerst wichtiges strategisches Ziel« der Regime-Change im Irak stehen, um dann in Phase zwei die Probleme in Libanon, Syrien und Iran anzupacken. Syrien müsse aus dem Libanon verdrängt werden, anschließend könne Israel mit US-amerikanischer Protektion rechnen, wenn es »die strategische Initiative ergreift«, »entlang seiner nördlichen Grenzen Hisbollah angreift und anschließend Syrien und Iran als die eigentlich Verantwortlichen«. Wie man sieht, entwickeln sich die Dinge genau in diese Richtung.

Im Dokument »Rebuilding America’s Defenses: Strategies, Forces and Ressources For a New Century« (Der Neuaufbau der amerikanischen Verteidigung: Strategien, Streitkräfte und Ressourcen für ein neues Jahrhundert) aus dem Jahr 2000 wird auf 80 Seiten ausgeführt, daß die USA mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln – einschließlich der militärischen – unangefochtene Überlegenheit auf dem Globus erreichen müßten. Die Armee müsse »die Einrichtung amerikanischer Stützpunkte in ganz Zentralasien und dem Nahen Osten« betreiben und fähig sein, »auf verschiedenen Kriegsschauplätzen gleichzeitig zu kämpfen und zu siegen«.

Dieses Dokument wurde vom Project for A New American Century (Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert) (PNAC) ausgearbeitet, der 1997 gegründeten, wichtigsten Organisation der Neocons. Zu seinen Unterzeichnern gehören neben William Kristol und Richard Perle auch Vizepräsident Dick Cheney, der zeitweilige Vizeverteidigungsminister und jetzige Weltbankpräsident Paul Wolfowitz, Douglas Feith als zeitweilige Nummer drei im Pentagon, Lewis Libby als Büroleiter von Cheney, der spätere Afghanistan-Botschafter Zalmay Khalizad sowie der aktuelle UN-Botschafter John R. Bolton. Zeitweilig hatten zehn der 18 PNAC-Führer Sitz und Stimme in der Bush-Regierung, vor allem das Pentagon unter Minister Donald Rumsfeld war sehr weitgehend von ihnen beherrscht. In der Demokratischen Partei gehören Exsenator Joseph Liberman und Newt Gingrich zu den trojanischen Pferden der Neocons.

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Korrektur zu Gingrich

Leserbrief zu dem Artikel Der kommende Weltkrieg vom 26.09.2006:

Newt Gingrich ist kein Demokrat, sondern Republikaner und war von 1995 bis 1999 Sprecher des Repräsentantenhauses. Er wird sich voraussichtlich an den Vorwahlen der Republikaner für die Präsidentschaftswahlen 2008 beteiligen und versucht deshalb derzeit, etwas von seinem Image als Hardliner wegzukommen.
Jörg Hartmann