"Zerfallendes Protektorat"
Die Zerstörung Afghanistans, ein Werk der Imperialmächte
Von Matin Baraki *
junge Welt, 11. November 2006
http://www.jungewelt.de/2006/11-11/055.php
"Mit dem Blut meines Geliebten will ich mich schminken
Darob werden die roten Rosen im Garten verblassen!
Wenn Du in Maiwand nicht zum Märtyrer wirst
So wird die Schande lebenslang Dein Begleiter sein."
Die afghanische Dichterin "Malalei" über die
Schlacht im
südafghanischen
Maiwand 1880, in der die britischen
Invasoren eine
vernichtende Niederlage erlitten.
Die Zerstörung der staatlichen Strukturen Afghanistans nahm
schon 1979 ihren Anfang. Der ehemalige CIA-Direktor Robert Gates
schrieb in seinen Memoiren, daß die US-Geheimdienste mit der
Unterstützung der afghanischen Islamisten bereits sechs Monate vor der
sowjetischen Intervention Ende 1979 begonnen haben. Auch der
Sicherheitsberater des US-Präsidenten Jimmy Carter, Zbigniew
Brzezinski, bestätigte, daß dieser am 3. Juli 1979 die erste Direktive
über die geheime Unterstützung für die islamistische Opposition gegen
die Regierung in Kabul unterzeichnet hatte. Wir haben die Sowjets nicht
gedrängt zu intervenieren, aber die Möglichkeit, daß sie es tun, haben
wir wissentlich erhöht, hob Brzezinski hervor. Dadurch wurde die
Sowjetunion in die afghanische Falle gelockt. Durch die sowjetische
Intervention wurde der innerafghanische Konflikt unweigerlich
internationalisiert. Es ging nicht mehr primär um Afghanistan, sondern
darum, das Land zu einem Vietnam der UdSSR zu machen. Afghanistan war
nur Opfer dieser Strategie. Auch heute noch ist kein Ende der
afghanischen Tragödie absehbar, und die verheerenden Folgen sind nicht
einmal ansatzweise bewältigt.
Nach der Vertreibung der Taliban 2001 bestand eine reale
Chance, die Staatlichkeit Afghanistans wiederherzustellen. Noch während
des US-geführten Krieges gegen Afghanistan - unterstützt durch die
britische Regierung - fand unter formaler UN-Ägide Ende 2001 eine
internationale Konferenz statt, auf der die Grundlage für den künftigen
Status des Landes gelegt wurde. Nicht in Afghanistan durch Afghanen,
sondern auf dem fernen Petersberg bei Bonn wurden die Weichen gestellt
und eine provisorische Regierung auf massiven Druck der über zwanzig
anwesenden US-Vertreter unter Beteiligung dreier islamistischer und
einer monarchistischen Gruppe gebildet. Abdul Hamid Karsai, der seit
Beginn des afghanischen Bürgerkrieges enge Verbindungen zur CIA
unterhalten hatte, auf ihrer Gehaltliste stand und sich im Indischen
Ozean auf einem US-Kriegsschiff befand, wurde zum
Interimsministerpräsidenten gekürt. Da diese Regierung weder
Legitimation noch Rückhalt in Afghanistan hatte, wurde sie nach
kolonialem Muster von einer internationalen „Schutztruppe“, gebildet
von Soldaten aus NATO-Staaten, nach Kabul begleitet und vor Ort weiter
gesichert. Petersberg war eine Neocon-Konzeption, dabei wurde weder
europäischen, geschweige den afghanischen Vorstellungen Rechnung
getragen. Die Deutschen haben deswegen mitgemacht, um Afghanistan als
Türöffner für weltweite Einsätze der Bundeswehr zu instrumentalisieren.
Wie schon in der Vergangenheit wurde abermals eine militärische
„Lösung“ des Konfliktes favorisiert. Afghanistan ist seitdem zu einem
regelrechten Übungsplatz von USA und NATO geworden, wo die neuesten
Waffen und die Einsatzfähigkeit der Soldaten getestet werden. Das
afghanische Volk war somit vor vollendete Tatsachen gestellt worden.
Auf der Grundlage des Petersberger Fahrplans wurden zwischen 2002 und
2005 mehrere Wahlprozeduren durchgeführt. Im Dezember 2001 war Karsai
in das Amt des Ministerpräsidenten eingeführt und dann im Juni 2002 auf
einer improvisierten Loya Djirga (Ratsversammlung) zum Präsidenten
gewählt worden, wobei 24 Stimmen mehr abgegeben wurden als Abgeordnete
anwesend waren. An der Tür zum Wahlzelt waren Abgeordnete durch
Minister und Gouverneure per Unterschrift verpflichtet worden, für
Karsai zu stimmen. Im Vorfeld dieser Wahlen hatten die USA 10 Mio. $
ausgegeben, um für ihn Stimmen zu kaufen. Anfang Januar 2004 wurde auf
einer weiteren Loya Djirga eine Verfassung verabschiedet und
Afghanistan zur Islamischen Republik proklamiert. 2004 wurden dann
Präsidentschaftswahlen und 2005 Parlamentswahlen abgehalten, wobei
Drohung, Gewalt, Mord und Stimmenkauf die Regel waren. Die New York
Times nannte die Art und Weise, wie die Wahlen zustande kamen „eine
plumpe amerikanische Aktion.“ Bei all diesen Aktionen war die
internationale Gemeinschaft präsent: die Vereinten Nationen mit ihrem
Beauftragten für Afghanistan, Lakhdar Brahimi, die Europäische Union
mit ihrem Repräsentanten, dem spanischen Diplomaten Francesc Vendrell,
und die Vereinigten Staaten als Hauptakteur mit ihrem Botschafter
Zalmay Khalilzad. Alle entscheidenden Beschlüsse wurden entweder im
Büro Karsais oder in der US-Botschaft gefaßt. Sowohl UN- wie
EU-Vertreter ließen sich von den USA instrumentalisieren und nickten
die getroffenen Entscheidungen nur noch ab. Damit haben sie ihre
Neutralität und Glaubwürdigkeit eingebüßt. Es war dann nur logisch, daß
die NATO auf ihrem Gipfeltreffen in Istanbul am 28.6.2004 die
Entmachtung bzw. Unterordnung der formal UN-mandatierten Schutztruppe
”International Security Assistance Force” (ISAF) unter NATO-Kommando
beschloss. Das Land wurde nach einem Operationsplan des
NATO-Hauptquartiers unter den Besatzern in vier etwa gleich große
Sektoren aufgeteilt. Dadurch sind faktisch die Aufsichtsfunktion der
UNO, die Souveränität und Eigenstaatlichkeit Afghanistans aufgehoben
worden. Diese Demütigung der Afghanen ist der Nährboden, auf dem der
Widerstand wächst. So lange militärische Besetzung und Fremdbestimmung
andauern, wird in Afghanistan keine Ruhe, kein Wiederaufbau und keine
zivile Lösung des Konfliktes möglich sein. Da USA und NATO
beabsichtigen, für sehr lange Zeit im Lande zu bleiben, haben sie dafür
entsprechende politische und militärische Voraussetzungen geschaffen.
Noch vor den Parlamentswahlen hatte Karsai eine sog. „Nationale
Konferenz“ einberufen, auf der 100 Personen aus seiner Entourage
zusammenkamen. Sie „bevollmächtigten“ ihn, mit den USA einen Vertrag zu
schließen, auf dessen Grundlage die Militäreinheiten der Vereinigten
Staaten auf unabsehbare Zeit in Afghanistan bleiben dürfen.
Afghanistan hat weder eine souveräne noch eine unabhängige
Regierung. Das jetzige Kabuler Kabinett besteht zu über 50% aus
American Afghans, den Rest stellen Euro-Afghanen und einige willfährige
Warlords. Hinzu kommen noch die US-Berater, die ausnahmslos in allen
Ämtern präsent sind und die Entscheidungskompetenz innehaben.
Der 11. September 2001 wurde zum Anlaß des Krieges gegen
Afghanistan, obwohl dieser schon lange vorher geplant war. Bereits im
Juli 2001 hatte die Bush-Administration ihren regionalen Verbündeten
Pakistan über einen diesbezüglichen Plan informiert, offenbarte der
ehemalige pakistanische Außenminister Naiz Naik, der an den geheimen
Treffen u.a. zwischen den Regierungsvertretern der USA und Abgesandten
der Taliban in den Jahren 2000 und Anfang 2001 in einem Berliner Hotel
teilgenommen hatte. Ende September 2006 brüstete sich auch der
ehemalige US-Präsident Bill Clinton damit, einen solchen Krieg gegen
Afghanistan geplant zu haben.
Unter dem formalen Dach der UNO wurde das Land seit Petersberg
zu einem Protektorat der „internationalen Gemeinschaft“ degradiert.
Seit Beginn der neunziger Jahre wird das „liberale Protektorat“ und die
„Treuhandschaft“ als eine Chance zu „nation building“ und zur
Demokratisierung von außen propagiert. Die „failing states“ sollen für
geraume Zeit unter internationale Verwaltung gestellt werden, und es
wird einem „neuen Interventionismus“ der westlichen Mächte mit
„robustem“ militärischem Mandat das Wort geredet. Die Vertreter dieser
„Theorie“ sind die Emeriti, Ulrich Menzel und Franz Nuscheler. In
Afghanistan wurde sie umgesetzt mit dem bekannten Ergebnis. Da die
internationale Gemeinschaft zum größten Teil aus NATO-Ländern unter
US-Führung besteht, ist sie selber voreingenommen und Partei. Sie kann
die Probleme des Landes nicht lösen - im Gegenteil, sie ist Teil des
Problems geworden. Da die UNO zur Schaffung der Protektorate wesentlich
mitbeigetragen und sich damit diskreditiert hat, kann sie keine
angemessene und glaubwürdige Führungsfunktion mehr übernehmen. Weil
Protektorate faktisch Kolonien sind, können im günstigsten Fall
Probleme nur verschoben, im ungünstigsten Fall verschlimmert werden. Zu
einer Lösung kommt es in der Tat nicht, wie das Beispiel Afghanistan
deutlich macht.
Gerade durch den Status als Protektorat ist die Wirtschaft
Afghanistan zerstört worden. Wie der Kabuler Wirtschaftsminister
Mohammad Amin Farhang hervorhob, bestehen 99% aller Waren auf dem
afghanischen Markt aus Importen. Afghanistan ist längs zum Dorado für
die Exporteure der Industrieländer geworden. Der einheimischen
Wirtschaft wird jegliche Chance genommen, sich zu entwickeln. Da die
Heroinbarone im Staatsapparat integriert sind, nutzen sie den
„Wirtschaftsboom“ zur Geldwäsche. Sie investieren nur im Luxussegment,
in Hotels, Häuser und Lebensmittelproduktion für den Bedarf
zahlungskräftiger Ausländer. Afghanistan ist längst zu einem
„Drogenmafia-Staat“ geworden, stellte Ashraf Ghani, der erste Kabuler
Finanzminister im Kabinett von Abdul Hamid Karsai fest. Von dem
einfachen Bauern angefangen bis zur Familie des Präsidenten Karsai sind
alle am Drogengeschäft beteiligt. Schon vor einem Jahr hat die
britische Botschaft in Kabul über die Drogengeschäfte der Familie
Karsai berichtet. Als die Informationen von der Presse aufgegriffen
wurden, kam es zu einem Disput zwischen Karsai und dem britischen
Botschafter, in dessen Folge der Diplomat abberufen wurde. Dann war für
einige Zeit Ruhe. Man wollte seine eigene Marionetten nicht weiter
diskreditieren. Nun berichten die westlichen Medien, unter anderen der
US-Sender ABC, über die lukrativen Drogengeschäfte des Karsai-Bruders
Ahmad Wali, der Vorsitzender des südlichen Provinzrates in Qandahar ist
und nebenbei Chef einer Bande, die Drogen über Iran und die Türkei nach
Westeuropa schmuggelt. Dafür kassiert Ahmad Wali Karsai jährlich über
20 Millionen US-Dollar an Schutzgeldern. Auch der einstige Warlord der
Nordallianz und derzeitige Stellvertreter des Innenministers in Kabul,
General Mohammad Daud, ist von Amts wegen verantwortlich für die
Drogenbekämpfung und gleichzeitig selbst ein Drogenbaron. Also
verwundert es nicht, daß der „Kampf gegen den Drogenanbau“ unter
Federführung der Briten auf ganzer Linie gescheitert ist. Die
Anbaufläche stieg um 59% und 2006 gab es die größte jemals in
Afghanistan eingebrachte Opiumernte, sie lag um 2000 Tonnen höher als
im Vorjahr und erreichte sagenhafte 6100 Tonnen! Schon den Exportwert
der Opiumernte 2005 bezifferte das UN-Büro für Drogen und Kriminalität
mit 2,7 Milliarden Dollar.
Ein Wiederaufbau für breite Schichten der Bevölkerung findet
hingegen kaum statt. Die Arbeitslosigkeit beträgt ca. 75%. mancherorts,
vor allem in Osten und Süden sogar 90%. So erklärt sich, daß dort
bereits 80% der Bevölkerung mit den Taliban sympathisieren. Das von der
UN in Millionenhöhe unterstützte Rückkehrprogramm für afghanische
Flüchtlinge muß deswegen scheitern, weil diese weder Arbeit noch
Unterkunft finden. Die im Rahmen der Demobilisierung 50 000
freigesetzten Kämpfer der Warlords mehren nicht nur zusätzlich das Heer
der Arbeitslosen, sondern sind zu einem Faktor von Destabilität,
Kriminalität und Unruhe geworden. Da sie keine bezahlte Beschäftigung
finden können, gehen sie entweder zurück zu ihrem Warlord oder
schließen sich den Taliban bzw. Al Qaeda an. Die von Deutschland
ausgebildeten Polizisten, die zum größten Teil aus ehemaligen Kämpfern
der Islamisten und Warlords bestehen und neben den Soldaten in der
Nacht Patrouillen fahren, agieren oft nicht als „Freund und Helfer“ der
Bevölkerung, sondern eher als Kriminelle. Sie überfallen vorzugsweise
die zurückgekehrten Flüchtlinge, weil sie bei ihnen Geld oder andere
Wertgegenstände vermuten. Außerdem durchsuchen sie grundlos auf der
Straße Passanten, nehmen ihnen Uhren oder Handys weg. Wer sich wehrt,
muß mit dem Schlimmsten rechnen. Die logische Folge ist, daß die
Sicherheitslage so schlecht ist, wie seit Ende des Taliban-Regimes
nicht mehr. Attentate und Angriffe nehmen zu. Bis Juni 2006 wurden
schon so viele Anschläge verübt, wie im letzten Jahr insgesamt.
Der Bevölkerung geht es dabei immer schlechter. Selbst in
Kabul funktionieren weder Wasser- noch Stromversorgung. Wegen der
katastrophalen sanitären Verhältnisse kommt es in den heißen
Sommermonaten zu Cholera-Epidemien. Nur eine kleine Minderheit kann
sich eine adäquate medizinische Versorgung leisten. Offiziell ist zwar
die Behandlung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos, aber ohne
Bakschisch läuft auch da nichts. Die Mietpreise in der Stadt sind
unerschwinglich geworden selbst für diejenigen, die Arbeit haben. Eine
weltweit einmalige Korruption macht alle Anstrengungen Einzelner
zunichte.
Zu diesen schon auf dem Petersberg falsch gestellten Weichen
gab es eine Alternative, die jedoch nie diskutiert wurde. Der beste und
einzig gangbare Weg zur Befriedung Afghanistans wäre die Bildung einer
repräsentativen Regierung in Afghanistan gewesen und eben nicht
irgendwo weit weg im Ausland. Unter strengster Kontrolle nicht der
„internationalen Gemeinschaft“, sondern der 118 Blockfreien Staaten,
der 55 Mitglieder der Konferenz der Islamischen Staaten, der
internationalen Gewerkschaften, von Friedens- und Frauenorganisationen
hätten Wahlen für eine Loya Djirga durchgeführt und auf dieser
repräsentativen Versammlung eine provisorische Regierung und
Kommissionen zur Ausarbeitung einer Verfassung sowie von Parteien- und
Wahlgesetzen gewählt werden müssen. Ich bin davon überzeugt, daß ein
solches Verfahren ganz andere Ergebnisse gehabt hätte als die vom
Petersberg, die wir heute erleben. Eine Regierung, vom Volk gewählt,
hätte auch in Kabul kaum etwas zu befürchten. Im schlimmsten Fall hätte
man den Militärschutz, wenn er denn für kurze Zeit benötigt worden
wäre, von den Staaten in Anspruch nehmen können, denen das Land nahe
steht, wie den Blockfreien und den islamischen Staaten. Afghanistan
gehört bekanntlich zu deren Gründungsmitgliedern. Damit wäre auch den
Islamisten der Wind aus den Segeln genommen, denn Afghanistan wäre dann
nicht von „ungläubigen Christen“ und dem „großen Satan“ besetzt. Diese
Alternative war jedoch von Anfang an unerwünscht. Selbst heute ist es
noch nicht zu spät, diesen Weg einzuschlagen und die Petersberger
Fehler zu korrigieren. Aber wer könnte schon diese Forderungen
durchsetzen, selbst wenn es in Afghanistan am nationalen Interesse
orientierte patriotische Kräfte gäbe?
Ein nachhaltiger Wiederaufbau, der der gesamten Bevölkerung
zugute kommt, muß erste Priorität haben. Die Hunderte Milliarden
Dollars, auf diversen internationalen Geberkonferenzen dem Land
versprochen und auf einem Sonderkonto bei der Weltbank geparkt, fließen
über die 2500 in Kabul stationierten und mit allen Vollmachten
ausgestatteten „Non Governmental Organizations“ (NGO) in die
Geberländer zurück. Sie fungieren faktisch als Ersatzregierung und
zerstören die afghanische Wirtschaft noch weiter. Einheimische
Unternehmen erhalten von ihnen kaum Aufträge. Als der aus Frankreich
delegierte Planungsminister, Ramasan Baschardost, der die NGOs als
„neue Al Qaeda“ bezeichnet hatte, sich deren Auftragsbücher anschauen
wollte, wurde er von Karsai entlassen. Da die NGOs in Afghanistan in
Geld schwimmen, machen sie den täglichen Lebensbedarf der Afghanen
unbezahlbar. Sie rauben dem Land sogar die Fachkräfte, indem sie
Lehrer, Ingenieure, Ärzte usw., die von ihrem Gehalt nicht leben
können, als Fahrer, Wächter, Türsteher gar als Zuhälter engagieren.
Afghanistans ökonomische Perspektive liegt in der Abkoppelung
von kolonialähnlichen wirtschaftlichen Strukturen und der Hinwendung zu
einer regionalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den industriell
entwickelteren Nachbarn Indien, China, Iran und Pakistan sowie in einer
Süd-Süd-Kooperation. Die asiatischen Staaten arbeiten schon an einer
Alternative zum von den Imperialmächten dominierten Währungsfonds.
Als NATO-Protektorat hat Afghanistan weder politische noch
ökonomische Perspektiven, geschweige denn eine friedliche Zukunft. Auch
die Erweiterung des Bundeswehr-Engagements nach Süd-Afghanistan und der
von Scharping bis Jung immer vor der Öffentlichkeit geheimgehaltene
Einsatz des Kommandos Spezialkräfte (KSK), das seit Ende 2001 in
Afghanistan im Einsatz ist und von dem jeweils nur scheibchenweise die
Wahrheit ans Licht kommt, werden an der Sicherheitslage nicht viel
ändern. Sollte die Bundeswehr künftig offen in Kämpfe mit dem
Widerstand verwickelt werden, wird mit dem Mythos der angeblichen
Beliebtheit der Deutschen bei den Afghanen aufgeräumt werden. Schon die
bisherigen Anschläge auf Bundeswehrsoldaten legen davon ein beredtes
Zeugnis ab.
Die waffentechnologische Überlegenheit der NATO in Afghanistan
führt nur zu einer zunehmenden Barbarisierung des Krieges. Auch die
widerlichen Fotos von Leichenschändungen bei Kabul durch Soldaten der
Bundeswehr bestätigen dies.
Die afghanische Elite unterschiedlichster Schattierung hat
sich schon an die Besatzungsmächte verkauft. Die internationalen
Stiftungen sind regelrecht auf Jagd nach der politisch käuflichen
Intelligenzia. So hat sich das „National Democratic Institute for
International Affairs“ der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine
Albright der Kabuler Parlamentarier mit linker Vergangenheit
angenommen. Mit Ausnahme der Rosa-Luxemburg-Stiftung sind alle anderen
deutschen Parteistiftungen in Kabul aktiv. Ein afghanisches Sprichwort
besagt: „Der Baum sagt zur Axt, wäre Dein Griff nicht ein Stück von
mir, hättest Du mich nicht schlagen können“. Die USA versuchen jetzt
die Völker mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Wir leben jetzt „in
einer Welt, in der Unterwürfigkeit als Tugend gilt oder zumindest als
Beweis für Talent. In einer Welt, in der gemietet wird, wer sich nicht
verkauft“, hat Eduardo Galeano festgestellt.
Die NEOCONs und ihre Strategie sind nicht nur im Irak, sondern
auch in Afghanistan gescheitert. Sie stehen vor dem Scherbenhaufen
ihrer verfehlten Militärdoktrin. Gerüchte über Geheimverhandlungen mit
dem Widerstand über ein Ende der Gewalt in Afghanistan sind schon in
Umlauf. In Kabul wird seit geraumer Zeit hinter vorgehaltener Hand über
die Ablösung von Karsai gesprochen. In Afghanistan haben die alten
Imperialmächte in der Vergangenheit keine Siege erringen können. Auch
die neuen werden sich nicht auf Dauer am Hindukusch etablieren können.