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Kein „Karrieretreff Bundeswehr“ in Heidelberg!
Offener Brief an den Oberbürgermeister und den Gemeinderat der Stadt
Heidelberg
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Stadträte,
wir, die unterzeichnenden Gruppen und Organisationen wenden uns mit
diesem offenen Brief an Sie, um Ihr Augenmerk auf eine
friedenspolitisch äußerst problematisch Veranstaltung der Bundeswehr in
unserer, durch die Präsenz kriegführender Truppen ohnehin schon stark
militarisierten Stadt, hinzuweisen.
Um ihren steigenden Bedarf an Berufs- und Zeitsoldaten zu decken,
weitet die Bundeswehr zurzeit ihre Anwerbebemühungen massiv aus. Neben
den regelmäßigen „Beratungsterminen“ in den Arbeitsagenturen und
Jobcentern sind in diesem Jahr über 700 Veranstaltungen auf
Marktplätzen, an Messen und in Schulen geplant, durch die vor allem
Schüler von Gymnasien und Berufsschulen verstärkt auf die militärischen
Karrieremöglichkeiten beim Militär aufmerksam gemacht werden sollen.
Mit einer durch Eventcharakter und Spiele aufgepeppten
Kriegshandwerks-Reklame sollen vor allem technik- und musikbegeisterte
Jugendliche angelockt werden.
Am 15. und 16. Juli will die Bundeswehr auch auf dem Uniplatz in
Heidelberg einen zweitägigen „Karrieretreff“ durchführen. Wir
protestieren entschieden gegen diese Rekrutierungsveranstaltung und
fordern die Stadt Heidelberg auf, die Erlaubnis für einen Auftritt der
Bundeswehr auf einem öffentlichen Platz der Stadt zurückzuziehen.
Die Bundeswehr präsentiert sich in ihren Werbebroschüren als ganz
normaler „Arbeitgeber“ – mit „rund 370.000 Angehörigen und jährlich
über 20.000 militärischen und zivilen Einstellungsmöglichkeiten“ sogar
als einer „der bundesweit größten“. „Weltweite Einsätze in
Krisenregionen, schnelle Hilfe bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen
sowie das Arbeiten im multinationalen Verbund kennzeichnen das
Aufgabenspektrum der Bundeswehr“, so die Eigenwerbung der Truppe.
Benötigt werden die Umworbenen in Wirklichkeit jedoch für die
zunehmende Zahl von Kriegseinsätzen weltweit und den Ausbau der
Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren Interventionsarmee. Auch ihr
Einsatz im Innern wird von Teilen der Bundesregierung massiv gefordert.
Nichts davon ist mit dem Geist und Buchstaben der Verfassung vereinbar.
Im Grundgesetz wurde eindeutig festgeschrieben, dass die Bundesrepublik
Streitkräfte allein zur Verteidigung gegen eine äußere Bedrohung ihres
Territoriums aufstellen darf.
Die Beteiligung der Bundeswehr an der Besatzung Afghanistans, die durch
einen Angriffskrieg eingeleitet wurde, verstößt – wie die indirekte
Unterstützung des Irakkrieges – zudem eklatant gegen internationales
Recht.
„Du suchst Zukunft, wir bieten sie!“ So lockt die
Bundeswehr arbeitslose Jugendliche und Schulabgänger.70 Prozent aller
jungen Männer und Frauen, die zur Bundeswehr gingen, taten dies wegen
eines sicheren Arbeits- oder Ausbildungsplatzes.
Verschleiert wird bei dieser Werbung, dass Soldaten ausgebildet werden,
um Kriege zu führen und zu töten. Den Interessierten wird verschwiegen,
dass 90% der Opfer moderner Kriegführung Zivilisten sind – auch in
Afghanistan. Verschwiegen wird auch das wachsende Risiko, bei
Kriegseinsätzen getötet oder verstümmelt zu werden. 65
Bundeswehrsoldaten sind bisher offiziell bei Auslandseinsätzen getötet
worden, über 9000 wurden verletzt, manche von ihnen sehr schwer. 1600
mussten nach ihren Einsätzen wegen posttraumatischer
Belastungsstörungen behandelt werden. Dies wird in dem Maße zunehmen,
wie die Bundeswehr, die bisher nur in relativ sicheren Regionen aktiv
war, den Umfang aktiver Kriegshandlungen ausweitet.
Krieg kann keine Lösung für humanitäre Notfälle oder
internationale
Krisen sein. Mit einem Bruchteil der für Rüstung und Militäreinsätze
ausgegebenen Milliarden könnten die meisten humanitären Probleme gelöst
und Konflikte mit zivilen Mitteln bereinigt werden.
Die verharmlosend „Militäreinsatz“ genannten Kriege werden in der Regel
auch nicht aus humanitären Gründen geführt, sondern zur Durchsetzung
politischer, wirtschaftlicher und geostrategischer Interessen.
Diesem Zweck dient auch, wie im Weißbuch der Bundeswehr von 2006
nachzulesen ist, die Umwandlung der deutschen Streitkräfte von der
Verteidigungsarmee zur Interventionstruppe: „Die Struktur der
Bundeswehr wird konsequent auf Einsätze ausgerichtet“ (S.6) welche auch
„präventives Handeln“ mit dem „gesamten sicherheitspolitischen
Instrumentarium“ (S.20) beinhaltet. „Deutschland, dessen
wirtschaftlicher Wohlstand vom Zugang zu Rohstoffen, Waren und Ideen
abhängt, hat ein elementares Interesse an einem offenen
Welthandelssystem und freien Transportwegen“ (S.14), von „strategischer
Bedeutung für die Zukunft Deutschlands und Europas ist eine sichere und
wettbewerbsfähige Energieversorgung“ (S. 17)
Gerhard Schröder rühmte sich der von seiner SPD /Grünen-Regierung
erreichten „Enttabuisierung des Militärischen“. – Wir wenden uns jedoch
entschieden dagegen, dass Krieg wieder normales Mittel der Politik sein
soll und sich das Militärische immer mehr in der Gesellschaft breit
macht.