"Trotz Nein zum Krieg gegen den Irak ist deutsche Politik noch keine Friedenspolitik"
Redebeitrag von Joachim Guilliard (Heidelberger Forum) auf der Demonstration mit Umzingelung des US-Hauptquartier am 1.3. 2003.
Liebe Kriegsgegnerinnen und -gegner,
Ich denke, es war ein großer Erfolg, daß es mit Umzingelung so gut geklappt hat – mit ca. 5.000 Menschen sogar zahlreicher noch als wir während und Schul- und Semesterferien und knapp zwei Wochen Vorbereitung erwartet haben.
Ich gehe davon daß mit dieser Aktion – und dem Trubel der ihr von Seiten der US-Armee vorausging – der wachsende Unmut der Heidelberger Bevölkerung über die sich weiter zuspitzende Gefahr eines US-geführten Krieges bis nach Washington durchdringt. Unmut auch darüber, dass Vorbereitungen zu diesem Krieg von dieser Militäreinrichtung in Heidelberger heraus mit organisiert werden
Auch wenn die US-Regierung nach wie vor entschlossen ist ihren Krieg in wenigen Wochen zu beginnen und die Zeit damit auch für all die knapp werden, die sich weltweit gegen diesen Krieg engagieren, kann dieser Krieg noch verhindert werden
Ein Mittel sind die ungeheuer zahlreichen Proteste, Blockaden wie in Italien, die direkt US-Militärtransporte behindern, die die Bush-Krieger zur Kenntnis nehmen müssen. Die ihnen zeigen was ihnen noch blühen kann, wenn sie tatsächlich am Kriegskurs festhalten. Und die Woche für Woche zeigen, wie isoliert sie sind.
In dieser Hinsicht nützt es ihnen wenig, wenn sie mit Erpressung und Versprechungen die eine oder andere Regierung noch hinter sich zwingen können.
Eine „neue Weltmacht hat sich gezeigt“ – die weltweite öffentliche Meinung. Das war der allgemeine Eindruck nach den großen Demonstranten am 15.2. Und die meisten Demonstranten wurden dabei in den Ländern gezählt, die den Kriegskurs unterstützen – eine Bewegung, die deren Regierungen kaum ignorieren können.
Die wichtigste Ebene ist sicherlich die des UN-SR, hier ist es entscheidend, daß vor allem die ständigen Mitglieder und Deutschland den Erpressungen und Versprechungen standhalten.
Auch hier sind Massenproteste gegen den Krieg sicherlich ein hervorragendes Mittel um den Regierungen den Rücken zu stärken. Zu stärken auch gegen oppositionelle Kräfte die keine Skrupel haben, für die Pflege der transatlantischen Waffenbrüderschaft und aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus, einen Krieg zu unterstützen, der zehn, wenn nicht hunderttausend Menschen das Leben kosten würde und eine ganze Region in Flammen setzen kann.
Auch wenn wir unseren Protest heute wieder direkt vor eine US-Einrichtung getragen haben, bleibt natürlich unser unmittelbarer Ansprechpartner die eigene Regierung.
Die Friedensbewegung zollt ihr Anerkennung dafür, dass sie auf diplomatischer Ebene bei ihrem klaren Nein zum Krieg geblieben ist und gemeinsam mit Frankreich und Rußland wirksame Aktivitäten dagegen entfaltete. Wir freuen uns auch, dass sich wieder Mitglieder von SPD und Grünen in großer Zahl Antikriegs-Protesten anschließen.
Wir sind aber zutiefst unzufrieden darüber, dass die Regierung nicht die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten genutzt hat, sich den Kriegsvorbereitungen aktiv in den Weg zu stellen. Sie hat statt dessen den USA gestattet ihre Einrichtungen hier und den Luftraum über Deutschland zu nutzen und die Bundeswehr leistet sogar aktive Unterstützung.
Offensichtlich ist auch der rot-grünen Regierung der Erhalt des militärischen Bündnisses mit der Supermacht wichtiger als eine konsequente Antikriegspolitik und auch wichtiger als Einhaltung des Grundgesetzes. Die »volle militärische Bewegungsfreiheit der Verbündeten« dürfe nicht eingeschränkt werden, so der Bundeskanzler, hier gehe es - so wörtlich »nicht um Juristerei, sondern um eine politische Entscheidung«
Eine solche Mißachtung der deutschen Verfassung aus Rücksicht auf ein – aus friedenspolitischer Sicht ohnehin zweifelhaften Bündnisses – darf nicht hingenommen werden.
Ein Bündnis in dessen Rahmen Deutschland Krieg gegen Jugoslawien führte und sich bis heute an einem Kampf gegen den sog. "internat. Terrorismus" beteiligt. Ein Kampf der auf einer fatalen militärischen Logik beruht und zudem zutiefst heuchlerisch ist.
Es ist ein Bündnis auf dessen Hilfe Militär und Regierung beim Vorantreiben ihrer Pläne zur militärischen Sicherung und Durchsetzung weltweiter deutscher Interessen, wie sie u.a. in den Verteidigungspolitischen Richtlinien skizziert wurden, nicht verzichten möchten.
Trotz ihres Nein zum Krieg gegen den Irak ist deutsche Politik daher noch lange keine Friedenspolitik. Wenn wir wirklich aus einer Politik aussteigen wollen, die Krieg als Mittel akzeptiert, einer Politik die gar eigene geopolitische und wirtschaftliche Interessen in anderen Ländern militärisch verfolgt und dabei deren Souveränität grob mißachtet, so müssen wir auch diesen Bestrebungen ein klare Absage erteilen.
Militärminister Struck redet von einer "Landesverteidigung" die "auch am Hindukusch" stattfinden müsse. Müßten wir nicht konsequenter Weise dann auch Pakistan und anderen Ländern eine Vorneverteidigung im Schwarzwald oder am Rhein zugestehen?
Klassische Landesverteidigung sei nicht mehr nötig ist auch die einhellige Meinung in Regierungs- und Militärkreisen, da uns aktuell niemand bedroht. Was liegt näher als noch viel gründlicher abzurüsten, sich aus den Militärbündnissen zurückzuziehen und den Abzug der NATO-Truppen aus Deutschland einzuleiten.
Wir fordern hier als ersten Schritt, den weiteren Ausbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee zu stoppen und die entsprechenden Einsatzkräfte wieder aufzulösen. Auch die Militarisierung auf europäischer Ebene ist zu stoppen, die Europäische Union darf keine Militärmacht werden.
Wir fordern vor allem – angesichts des drohenden Krieges gegen Irak – eine Ende der militärischen Kooperation mit den USA und allen anderen Staaten die den Krieg vorbereiten.
Wir fordern die Rücknahme der Nutzungserlaubnis für US-amerikanische Stützpunkte und der Überflugsrechte. – Ich denke wir sollten dieser Forderung auch mit vermehrten Aktionen nach italienischem Vorbild Nachdruck verleihen, die hier zahlreich anwesenden Gewerkschafter könnten dabei wertvolle Hilfe leisten.
Wir fordern die Regierung auf die BW-Soldaten, die wie hier in Heidelberg US-Soldaten ersetzen, unverzüglich wieder abzuziehen.
Wir fordern vor allem aber, daß die deutschen Besatzungen der AWACS-Flugzeuge, die über der Türkei eingesetzt werden sollen, diese unverzüglich verlassen. Grundsätzlich ist auch eine militärische Unterstützung der Türkei gegen etwaige Gegenangriffe kein Schutz eines Verbündeten, sondern Eintritt in den Krieg – Die AWACS werden im Kriegsfall darüber hinaus aber auch unmittelbar Luftangriffe leiten.
Wir fordern alle Soldaten auf, sich auf keinem Fall an einem völkerrechts- und verfassungswidrigen Krieg zu beteiligen und falls sie die Politik der Regierung dazu zwingt, den Dienst zu verweigern und notfalls die Truppe zu verlassen.
Die gleiche Aufforderung geht auch – hier schließe ich mich der Rede von Dave Blalock an – an die US-Soldaten - Just Say No! It's not your war! – Wir haben heute auch ein Flugblatt in englischer Sprache, das dies noch etwas ausführlicher begründet, verteilt.
Wir fordern die Bundesregierung auf, sich endlich auch aktiv für eine politische Lösung des Irakkonflikts einzusetzen und endlich die Embargomaßnahmen gegen den Irak zu beenden.
Viel wird auch über den Sturz Saddam Husseins geredet, ob dies gerechtfertigt sei, erfolgversprechend usw. Das ist natürlich eine Diskussion die jenseits des geltenden Völkerrechts geführt wird. Für mich liegt aber unabhängig davon auf der Hand, dass erst ein Ende des Krieges, der Kriegsdrohungen und vor allem auch des Embargos, Bedingungen schaffen wird, die eine demokratische Entwicklung im Irak ermöglichen.
Nicht nur der Irak muß abgerüstet werden, sondern im Interesse einer wirklichen Friedenssicherung müssen die Rüstungsexporte in die Region gestoppt und Initiativen für eine allgemeine Abrüstung aller Staaten gestartet werden – die vor allem auch Israel einschließt, von dessen atomaren Potential sich die anderen Staaten der Region zu Recht bedroht fühlen..
Weltweite Abrüstung wird nur möglich werden, wenn auch die militärischen Großmächte abrüsten und ihre Arsenale an MVW endlich abbauen, allen voran die USA, die aktuell die größte Bedrohung darstellen. Daher Inspektionen nicht nur im Irak, sondern in den USA, GB und D.
Wir werden diesen Forderungen in Heidelberg und anderen Standorten auch in Kürze durch die Aufstellung von eigenen Inspektionsteams Nachdruck verleihen.
Mehr zu dieser und anderen geplanten Aktionen auf dem nächsten Treffen. Am Mi. 5.3. "Bündnis gegen den Irakkrieg" um 20 Uhr im Deutsch Amerikanischen Institut und am Do. beim monatlichen Treffen des Antikriegsforums im Eine Welt Zentrum, Karlstorbahnhof.
Wir werden in Heidelberg, wie in tausend anderen Städten in der Welt nicht nachlassen – wir können den Krieg noch stoppen!