» Flugblatt des Heidelberger Forums v. 20.3.2004
Rechtzeitig zum 5. Jahrestag des Jugoslawien Krieges, meldete sich der Kosovo wieder in der internationalen Öffentlichkeit zurück.
Heftige Gewaltausbrüche albanischer Nationalisten gegen die Reste, der im Kosovo verbliebenen Serben, forderten mindestens 28 Tote und über 500 Verwundete. 30 orthodoxe Klöster und mehr als 300 serbische Häuser wurden niedergebrannt. Ziel der progromartigen Übergriffe ist oft die Beseitung der letzten serbischen Enklaven durch Vertreibung: "In Prizren gibt es jetzt keine Serben mehr" meldet heute der STANDARD: http://derstandard.at/standard.asp?id=1610113
(Zu den aktuellen Ereignissen siehe auch Jürgen Elsässer in der jungen Welt:
http://www.jungewelt.de/2004/03-19/001.php und http://www.jungewelt.de/2004/03-25/016.php )
Die Vertreibung der überwiegenden Mehrheit der nicht-albanischen Bevölkerung war bekanntlich das unmittelbare Resultat der Besetzung des Kosovos durch die NATO. Deutlich demonstrieren die aktuellen Ereignisse, dass sich die Verhältnisse seither kein bißchen verbessert haben.
Der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech wies in seiner sehr interessanten Rede auf der Demonstration letzten Samstag in Berlin auf Zusammenhänge zwischem dem Jugoslawien- und dem Irakkrieg hin::
"Bereits 1999 haben wir beim Angriff der NATO auf Jugoslawien davor gewarnt, daß der Mißbrauch der Menschenrechte zur Begründung von Kriegen die Schleusen für immer weitere Kriege öffnen wird.
Daß der Versuch der UNO, mit dem absoluten Gewaltverbot den Krieg aus der Politik der Staaten zu entfernen, ausgerechnet mit den Menschenrechten unterlaufen wird, ist eine der größten Niederlagen nicht nur der UNO, sondern dessen, was wir Zivilisation nennen.
Welche Verdrehungen, Übertreibungen und Lügen von Racak bis zum Hufeisenplan haben die Regierungen gebraucht, um ihre Wählerinnen und Wähler von einer Menschenrechtskatastrophe im Kosovo und der Notwendigkeit zu überzeugen, ihr mit einem Bombenkrieg abzuhelfen.
Und heute? Was uns als Krieg gegen die Katastrophe verkauft wurde, liegt uns nun als das Desaster eines andauernden Bürgerkriegs auf der Tasche und wird zur weiteren Aufsplitterung des Balkans führen. Nicht ohne Grund sehen darin viele das eigentliche Ziel des NATO-Krieges."
http://www.antikriegsforum-heidelberg.de/irakkrieg2/aktionen/jt2004/rede_paech_200304_berlin.htm
Obwohl der Jugoslawienkrieg so völkerrechtswidrig war wie der Irakkrieg und die Lügen, mit der er begründet wurde, ebenso rasch entlarvt wurden, hat sich die mehrheitliche öffentliche Meinung über ihn in den letzten 5 Jahren kaum geändert. Auf Grund einer anderer Interessenslage der führenden Kreise im Staat als im Irak, haben die deutschen Medien sich bzgl. Jugoslawien geflissentlich blind und taub gestellt.
Wie dieses Phänomen angesichts einer an sich freien Presse zu erklären ist, hat Eckart Spoo, Journalist und Herausgeber der Zeitschrift "Ossietzky", in seiner Analyse zur Auswirkungen der Eigentumsverhältnisse im Mediensektor auf die Pressefreiheit, sehr anschaulich herausgearbeitet.
Speziell zu den beiden Kriegen hielt Dr. Heinz Loquai auf dem letzten Kasseler Friedensratschlag unter dem Titel Medien als Weichensteller zum Krieg ein brillantes Referat: http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/rat/2003/loquai.html
Heinz Loquai war bis Kriegsbeginn deutscher Verbindungsoffizier bei der OSZE im Kosovo, wurde von der dt. Regierung wegen seiner kritischen Äußerungen gefeuert und ist zurzeit Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln.
Im Interview mit der jungen Welt zog Heinz Loquai ebenfalls Paralellen zwischen Jugoslawien- und Irakkrieg :
"Aus heutiger Sicht erscheint der Krieg gegen Jugoslawien als eine Art Generalprobe für den Irak. Es gibt viele Parallelen. Auch der Angriff auf Jugoslawien war ein so genannter Präventivkrieg. Es sollte eine angebliche »humanitäre Katastrophe« im Kosovo verhindert werden. Genau als solche »humanitäre Intervention« rechtfertigt Bush inzwischen auch den Irak-Krieg. Außerdem hatte auch der Krieg gegen Jugoslawien zum Ziel, das dortige Regime wegzufegen. Und vor allem wurde er, genau wie der Irak-Krieg, ohne UNO-Mandat geführt.
F: Gibt es für die »humanitäre Katastrophe im Kosovo« mehr Beweise als für die »Massenvernichtungswaffen im Irak«?
US-Außenminister Powell konnte dem Sicherheitsrat der UNO vor Kriegsbeginn keine Beweise vorlegen. Auch jetzt gibt es keine Beweise für Massenvernichtungswaffen. Genausowenig waren die Fotos aus dem Kosovo, die Verteidigungsminister Scharping 1999 dem Bundestag vorlegte, Beweise für irgend etwas. Und sie waren natürlich kein Kriegsgrund.
Der Unterschied zwischen Powell und Rudolf Scharping ist einfach, daß Scharpings Auftritt vor dem Bundestag noch ein gutes Stück peinlicher war.
http://www.jungewelt.de/2003/05-15/017.php
Siehe von Heinz Loquai auch: "Es ging nicht um die "humanitäre Katastrophe", sondern um die NATO"
http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/NATO-Krieg/loquai-frikorr.html
Eine interessante Bilanz "Fünf Jahre nach dem Überfall " zieht Ralph Hartmann, ehem. dt. Botschafter in Jugoslawien in Ossietzky 5/2004
http://www.antikriegsforum-heidelberg.de/jugoslaw/fuenf_jahre_nach_ueberfall_hartmann.htm
Literatur:
Heinz Loquai:
Ralph Hartmann
Joachim Guilliard,
Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg