Internationale Aktionstage gegen Krieg und Besatzung am 26.9.2003
Einleitung von Joachim Guilliard (Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg)
Gegen Krieg in vielen Länder – von Kolumbien bis zu den Philippinnen – und die Besatzung einer immer größeren Zahl durch die USA und ihren Verbündeten protestieren an diesem Wochenende wieder Zigtausend in aller Welt. Das US-am. Antikriegsbündnis A.N.S.W.E.R listet 40 Länder auf, an denen Aktionen stattfinden.
In Deutschland ist die Beteiligung leider eher mager, obwohl das eigene Land häufiger und aktiver in Krieg und Besatzung verwickelt ist, als je zuvor.
Wir haben uns im Aufruf auf Afghanistan, Irak und Palästina als die aktuell heißesten Konflikte mit deutscher Beteiligung konzentriert. Auch wenn das Thema Jugoslawien damit der Aktualität zum Opfer fiel, sollten wir es nicht vergessen. Hier stehen die größten dt Kontingente im Auslandseinsatz, als Ergebnis eines Krieges, der so verbrecherisch war, wie der gegen den Irak. Ein Krieg, bei dem deutsche Truppen zum dritten Mal im vergangen Jahrhundert Serbien angriffen. Das kriegszerstörte Land liegt am Boden, die noch funktionierende Teile der Wirtschaft wurden mittlerweile von ausländischen Konzernen aufgekauft – führend mit dabei, die deutschen Banken und Konzerne.
Aktuell schärft Deutschland sein Profil als weltweit agierende Militärmacht vor allem in Afghanistan. Am Hindukusch also, der nach den Worten unseres Militärministers, die Grenzenlosigkeit dessen symbolisiert, wo in Zukunft deutsche Interessen "verteidigt", d.h. durchgesetzt und gesichert werden sollen.
Auch in Afghanistan ist die Besatzung Ergebnis eines völkerrechtswidrigen und mörderischen Krieges – was heutzutage gerne übersehen wird. Eliteeinheiten der Bundeswehr jagen – in unheiliger Fortsetzung der Tradition dt. Gebirgsjäger – zusammen mit den US-Truppen abseits jeder Öffentlichkeit Anhänger der Taliban und Al Qaeda und solche die sie dafür halten. Auch lokale Widerstandkämpfer gegen die Besatzungstruppen fallen darunter. Doch der Widerstand gegen die Besatzung des Landes wächst und wird breiter.
Im Vordergrund stehen aber die Truppen, die unter UN-Mandat den vom Westen eingesetzten Interimspräsidenten an der Macht halten (wobei diese allerdings auf die Hauptstadt beschränkt bleibt). – Die UNO und die EU betreibt "Nation Building" – parallel zum blutigen Besatzungsalltag der US-Truppen.
Nach intimen Gesprächen und öffentlichen Händedrücken zwischen den Regierungschefs der einstigen Kriegsgegner und des Hegemonialmacht droht ein ähnliches Szenario nun auch im Irak.
Hier wächst der zivile und militärische Widerstand gegen die Besatzung angesichts der katastrophalen Verhältnisse mit jedem Tag.
Angesichts der täglichen Verluste und eskalierenden Kosten rufen Bush & Co. nach Hilfe. Um dem Nachdruck zu verleihen, wurde der Irak nun zur Hauptfront gegen den Terror erklärt.
Sie nutzen dabei schamlos die verheerenden Anschläge auf die UNO und die Gläubigen in Nadjaf für ihre Zwecke aus. In ihrem Entwurf zur gerade diskutierten neuen UN-Res. wird explizit auch der bei diesen Anschlägen getöteten Iraker gedacht – angesichts Zehntausender, die im Krieg und danach durch US-Bomben ums Leben kamen, ein kaum zu überbietender Zynismus.
Die USA versuchen dadurch die hässliche Realität der illegalen Besatzung durch das Bild eines Landes zu verdrängen, das im blindwütigen Terror zu versinken droht: Die Besatzung diene – so die Bush-Krieger in Washington –der Verhinderung einer "Ausweitung des Terrors" und sei gemeinsames Anliegen der "internationalen Staatengemeinschaft". Der Widerstand wird reduziert auf Reste von Saddams alter Truppe und ausländischen Terroristen.
Dass ausländische Terroristen ins Land eingedrungen sind, würde jeder Iraker aus eigener Anschauung bestätigen. Allerdings nicht etwa Islamisten, sondern christliche Kämpfer in britischen und amerikanischen Uniformen. In deren Gefolge strömen auch bereits die Unternehmen ins Land, die sich dessen Industrie, Banken und Dienstleistungssektoren unter den Nageln reißen wollen. Dagegen richtet sich der irakische Widerstand und natürlich gegen den Raub des größten Reichtums des Landes – das Erdöl.
Dennoch sind die Appelle aus Washington an die Verbündeten, sie auch ohne substantielle Zugeständnisse bezüglich Mitsprache zu unterstützen, nicht ohne Erfolg. Deutschland und Frankreich sehen natürlich nicht ohne Genugtuung, die Schwierigkeiten, die der Supermacht aktuell ihre Grenzen zeigen. Sie haben allerdings kein Interesse daran, dass die Vormacht des Bündnisses am Golf völligen Schiffbruch erleidet. Im Gegenteil – im Falle eines Scheiterns im Irak, würde deren Verlust an Einfluss im arabischen Raum auch ihre eigenen vitalen Interessen gefährden.
Gerade als bekannt wurde, dass auch die CIA keinerlei Hinweise auf Massenvernichtungswaffen im Irak fand, hat sich Schröder und Chirac mit Bush weitgehend geeinigt. Mit einer UN-Resolution, die das US-amerikanische Besatzungsregime, d.h. die Kolonialisierung des Landes legitimiert, ist in Kürze zu rechnen. Die ungeteilte Oberhoheit der USA über den Irak wird auch von den europäischen Konkurrenten nicht mehr in Frage gestellt, die Rolle der UNO wird auf Hilfsdienste beschränkt bleiben – sie und all die Staaten, die den USA nun zu Hilfe eilen, werden zu Kumpanen der Besatzungsmächte.
Wichtig ist gerade angesichts dieser Kumpanei, dass die Antikriegsbewegung nicht, wie es leider vieler Orts scheint, zur Tagesordnung übergeht. Die Denunziation dessen, was im Irak vor sich geht, wird nun zu einer der wichtigsten Aufgaben der Antikriegspolitik – nicht nur aus Solidarität mit der irakischen Bevölkerung, sondern auch vorbeugend gegen die drohenden neuen Kriege.
Kommen wir zum dritten Schwerpunkt: Palästina. Die Thematisierung der israelischen Besatzungspolitik ist in Deutschland umstritten. Zunehmend vermeiden Linke und Pazifisten zu dem Konflikt im Nahen Osten Stellung zu nehmen. Da Israel sich explizit als jüdischer Staat und als Heimstatt verfolgter Juden definiert, halten sie, angesichts des von deutschem Faschismus verübten Völkermords an den europäischen Juden, Kritik aus dem Land der Täter für unangebracht. Einige gehen sogar soweit, die Verteidigung Israels über alles andere zu stellen. (Ich kann dazu hier nicht ausführlich Stellung beziehen. Ich möchte aber darauf hinweisen was dabei vergessen wird:)
Vergessen wird dabei, dass Deutschland auch eine Verantwortung gegenüber den Palästinensern hat, denn ohne den Holocaust, würde es einen jüdischen Staat in dieser Form nicht geben.
Vergessen wird auch, dass Deutschland nach den USA der Staat ist, aus dem die meiste Unterstützung für Israel kommt. Die militärische Zusammenarbeit mit Deutschland hat wesentlich zur militärischen Stärke Israels beigetragen. Es sind z.B. U-Boote von dt. Werften, die Israel den Schritt zur strategischen Atommacht ermöglichten und Daimler-Motoren, die Tag für Tag in den Panzern brummen, die die palästinensische Bevölkerung terrorisieren.
Die israelische, die jüdische Linke hat sich stets gegen eine Sonderbehandlung von jüdischen Menschen gewandt, denn wie Uri Avnery es einmal ausdrückte: Philosemitismus ist ebenfalls eine Sonderbehandlung von Juden, Antisemitismus mit umgedrehtem Vorzeichen.
Sie weisen daraufhin, dass gerade unsere Geschichte uns dazu bringen sollte, uns gegen jede ethnisch bestimmte Politik auszusprechen, weil ethnische Politik immer chauvinistisch ist, egal von wem sie ausgeht.
Vor diesem Hintergrund dürfen wir die Augen vor der fürchterlichen Realität im Gazastreifen und Westjordanland nicht verschließen, die zu eingezäunten Reservaten, zu überdimensionalen Gefangenlagern wurden.
Wir dürfen auch keine Hierarchie von Opfern hinnehmen – arabische sollten doch ganz selbstverständlich so viel Wert sein, wie israelische. So sehr Attentate auf unbeteiligte israelische Zivilisten als Mittel des Widerstands abzulehnen sind, so muss stets darauf hingewiesen werden, dass Israel für den Konflikt verantwortlich ist und dass die israelische Armee mit terroristischen Mitteln gegen ein Volk vorgeht, das keine eigene Armee zum Schutz seiner Bevölkerung hat – darin liegt die größte Brutalität.
Die israelische Politik ist auch die größte Bedrohung für die Sicherheit der israelischen Bevölkerung selbst. Darauf wiesen vor zwei Tagen auch 27 israelische Kampffliegerpiloten hin, die die Bombardierung ziviler Ziele zur Ermordung mutmaßlicher Palästinenserführer, von nun an verweigern. "Diese Aktionen sind illegal und unmoralisch und ein direktes Resultat der fortgesetzten Besatzung, die die israelische Gesellschaft verfaulen lässt. Eine Fortführung der Besatzung beeinträchtig fatal die Sicherheit des Staates Israel."
Auch die israelische Friedensbewegung machte auf der Großdemonstration in Tel Aviv vor ein paar Tagen deutlich: Israel ist verantwortlich für die Gewalteskalation, wer Israel retten will, muss Sharon stoppen.
Dem will ich heute nichts mehr hinfügen.
Danke.