Rede von Dr. Steffen Bauer, Dekans der evangelischam Kirche Heidelberg am Tag des Kriegsausbruchs (20.3.03) auf dem Bismarckplatz
(s. auch www.ekihd.de)
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Manchmal ist es leicht, schreckliche Dinge vorherzusagen. Da wird es also bald Nacht werden in Bagdad, und dann wird es irgendwann erneut losgehen, das Geheul der Sirenen. Und dann wird die Welt am Bildschirm verfolgen können: Einschläge, Feuerschein, Detonationen. Nein, das ist dann kein Computerspiel, da werden Menschen getötet - heute nacht. Und wen wird es treffen? Einfache Soldaten? Deren Angehörige? Kinder?
Die Bischöfe der katholischen und evangelischen Landeskirchen von Baden-Württemberg haben es heute in einer gemeinsamen Erklärung mit einem ganz einfachen Satz auf den Punkt gebracht: Wir, wir alle, wir stehen nicht auf Seiten derer, die diesen Krieg führen.
Ja, dabei haben wenigstens wir zu differenzieren: Wir verurteilen nicht die US-amerikanische Bevölkerung, wir verurteilen eine ganz bestimmte Politik dieser US-Regierung und das aus mindestens drei Gründen:
1.) Dieser US-Regierung ist zu sagen: Ihr habt nicht das Recht auf Eurer Seite.
2.) Dieser US-Regierung ist zu sagen: Ihr habt nicht die Moral auf Eurer Seite.
3.) Dieser US-Regierung ist zu sagen: Ihr habt Gott nicht auf Eurer Seite.
Zu 1.) Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, der UNO-Sicherheitsrat hat über die letzten US-amerikanischen Vorschläge einer Resolution gar nicht mehr abgestimmt, weil die US-Regierung genau wusste, dass sie keine Mehrheit dafür finden würde. Wo aber kommen wir hin, wenn statt der Völkergemeinschaft jetzt nur noch das Recht des Stärksten gelten soll? Was ist das für eine Freiheit, die andere erst massiv unter Druck setzt, und, wenn das dann auch keinen Erfolg hat, eben macht, was man selbst für richtig hält?
Zu 2.) Der Krieg ist zu einem Zeitpunkt begonnen worden, an dem die UNO Waffeninspektoren und die Mehrheit der Völkergemeinschaft gesagt hat: Mehr Zeit, mehr Geduld. Warum, so fragen viele, warum ist nicht alles, aber wirklich alles unternommen worden, um diesen Konflikt mit friedlichen Mitteln beizulegen? Der Friedensbewegung wird ja oft vorgeworfen, sie sei auf einem Auge blind. Ich erlebe das anders. Die Menschen wissen, ahnen, was das da für ein Regime in Bagdad ist, auch und gerade menschenverachtend gegen das eigene Volk. Aber auf dieses Volk jetzt Bomben zu werfen im Namen der Freiheit wo es doch nun wahrlich deutlich sichtbar gerade jetzt noch andere Wege gegeben hätte, das halte ich moralisch für völlig verwerflich.
Zu 3.) Wir hören es immer wieder: Die US-Regierung befindet sich quasi auf einem Kreuzzug gegen das vermeintlich Böse in der Welt. Wann werden die verstehen, dass man dem Terror und dem Hass nicht mit Marschflugkörpern wird beikommen können? Und dann muss, auch wenn sie es nicht gerne hören, gesagt werden: In Übereinstimmung mit fast allen christlichen Kirchen auch in den USA und in völliger Übereinstimmung aller Kirchen in Deutschland sagen unsere Bischöfe, sagen wir Christen: Wir stehen nicht auf der Seite derer, die diesen Krieg führen, weil Gott nie und nimmer auf dieser Seite steht.
Was ist nun zu tun? Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Lassen wir nicht nach, unser Nein zu diesem Krieg auf so unterschiedliche Weise Ausdruck zu verleihen, so unterschiedlich wir halt sind.
Unsere Motivationen sind unterschiedlich, unsere Wege auch. Ich halte das für völlig in Ordnung. Was wir aber tun, tun wir in Achtung vor dem anderen Menschen.
Gerade weil in jedem Krieg versucht wird, die Würde von Menschen zu verletzen, müssen wir als Friedensbewegung die Würde eines jeden Menschen, achten auch und gerade die Würde unserer amerikanischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern.
Denen Angst zu machen, das kann nicht unser Ziel sein.
Aber eines darf und soll nicht überhört und übersehen werden können: Wir sagen Nein zu diesem Krieg und Nein zu dieser Politik. Und deshalb lassen wir auch nicht ab, dieses Nein zu äußern. Nicht der Rückzug in das Wohnzimmer und vor das Fernsehen ist jetzt gefragt, sondern ein vielstimmiges Sich Äußern.
Wir finden uns nicht damit ab, dass einige tausende Kilometer entfernt Bomben fliegen und Menschen in Angst und Schrecken leben müssen. Und deswegen ist unsere Botschaft auch klar und besteht eigentlich nur aus einem einzigen Satz: Hört auf mit dem Unsinn, hört auf mit diesem Krieg.