Die US-Basen auf deutschem Boden
Deutschland als Drehscheibe für US-Kriege
Elsa Rassbach, erschien (leicht gekürzt) in Zeitung gegen
den Krieg - ZgK 28, April 2009
Elsa Rassbach ist Mitglied der DFG-VK und des International Committee
von United for Peace and Justice (UFPJ) in den USA sowie
Gründerin von American Voices Abroad Military Project.
Die
65-jährige Filmemacherin und Journalistin lebt in den USA und in
Berlin; zur Zeit des Vietnamkriegs arbeitete sie an in Deutschland
veröffentlichten GI-Zeitungen mit.
Der neue US-Präsident Obama treibt die Welt weiter in den Krieg:
Mindestens 50.000 GIs sollen im Irak bleiben, und der Krieg in
Afghanistan/Pakistan wird mit dem Einsatz von zunächst weiteren 17.000
und später bis zu 60.000 GIs ausgeweitet. Trotz Wirtschaftskrise
enthält Obamas Budgetvorschlag für 2010 eine Erhöhung von 4 % für
"Verteidigung". Um die US-Bevölkerung zu beruhigen, möchte Obama nun
beweisen, dass er die Bevölkerung und die Regierungen in Europa – und
besonders in Deutschland – in der Hand hat; sie sollen unter US-Führung
noch mehr zum Krieg beitragen.
Der in Deutschland erstrebte Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan
könnte zwar ein starkes "Signal" geben, würde aber letztendlich die
Menschen vor dem Krieg nicht retten. Die USA können auch ohne deutsche
Truppen auskommen, jedoch nicht ohne die US-Basen auf deutschem Boden –
diese sind die zentrale Drehscheibe für die Kriege im nahen und
mittleren Osten und in Afrika.
Am Ende der strategischen "Transformierung" der US-Streitkräfte,
wodurch einige Basen geschlossen und andere erweitert werden, soll es
in Europa sechs "enduring communities" ("permanente Gemeinden") oder
"Main Operating Bases" (MOB) geben, die als Fundament der
US-Kriegseinsätze dienen: eine in Italien (Vicenza-Dal Molin) und fünf
in Deutschland (Ramstein-Kaiserslautern, Spangdahlem,
Vilseck-Grafenwöhr-Hohenfels, Ansbach-Katterbach-Illesheim und
Heidelberg-Wiesbaden).
Bestehen bleibt in Stuttgart das Oberkommando für alle US-Einheiten in
Europa (EUCOM). Dort wurde 2008 ein eigenes US-Oberkommando
eingerichtet, das für künftige Kriegseinsätze in Afrika zuständig ist
(AFRICOM). Es sind die einzigen US-Oberkommandos außerhalb der USA. In
Deutschland sind auch die Kommandostäbe sowie der Militärgeheimdienst
für alle US- sowie NATO-Einsätze in Nah-Mittel-Ost. In Deutschland ist
das zentrale Militärgefängnis für alle GIs, die irgendwo in Europa
Widerstand leisten, wie auch das Krankenhaus und das Krematorium für
alle GIs, die in den Kriegsgebieten verwundet oder getötet werden. Etwa
80 % des Waffennachschubs in die Kriegsgebiete läuft über Deutschland.
Über den Leipziger Flughafen werden die US-Truppen in den Irak und nach
Afghanistan verlegt, im letzten Jahr 450.000 GIs. Leipzig ist auch der
Sitz der Firma DHL, die exklusiv die Kurierdienstverträge mit der
US-Armee für Transporte in Afghanistan und im Irak hat.
Deutschland ist das Land auf der Welt, das die größte Macht hat, die
Kriegsstrategie der USA mit friedlichen Mitteln ins Stocken zu bringen,
zum Beispiel durch die Entziehung der Überflugrechte. Grundlagen für
diesen Schritt wären Artikel 26 des Grundgesetzes, der die Vorbereitung
von Angriffskriegen von deutschem Boden aus untersagt und bestraft, der
2+4-Vertrag, mit dem Deutschland seine volle Souveränität wiedererlangt
hat, und das Völkerrecht, das Angriffskriege verbietet und über allen
Abkommen steht. Viele in den USA würden es begrüßen, wenn die deutsche
Friedensbewegung endlich die Schließung der US-Basen in Deutschland
fordern würde. Es gibt starke Bewegungen gegen die US-Basen in Italien,
in Tschechien, in Japan, in Korea, in Ecuador und in vielen anderen
Ländern. Deutschland bleibt der "schlafende Riese" der internationalen
No-Bases-Bewegung. Aber sogar in der deutschen Friedensbewegung ist
eine wesentliche Tatsache nicht sehr bekannt: Die Bundesregierung kann
die Abkommen mit den USA über die US-Stationierungsrechte jederzeit
kündigen. Die USA müssten dann die Basen innerhalb von zwei Jahren
räumen. Für diesen Schritt wäre es nicht einmal nötig, aus der NATO
auszutreten.
Wer ein Verbrechen verhindern könnte, statt dessen Beihilfe dazu
leistet, ist mitschuldig. Die Kriegsschuld Deutschlands kann nicht
allein durch den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan behoben werden –
vielmehr muß Deutschland das "Erbe von Nürnberg", das als Folge der
Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse die Führung eines Angriffskriegs
als Verbrechen gegen die Menschheit ansieht, verteidigen. Die
Menschheit weltweit wäre dankbar, wenn Deutschland dazu den Mut hätte.
Geschichte der US-Basen in Deutschland
Heute unterhalten die USA fast 1.000 Militärstützpunkte in 80 Ländern:
ein militärisches Imperium ohnegleichen in der Weltgeschichte. Die
genaue Zahl der US-Auslandsstützpunkte bleibt geheim, aber sicher ist,
daß bei jedem "erfolgreichen" Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg die USA
weitere permanente Militärbasen etablierten.
Die USA haben die ganze Welt in sechs Hauptkommandos aufgeteilt. Vier
dieser Kommandos befinden sich in den USA und zwei – EUCOM und AFRICOM
– in Deutschland: Letztere sind zusammen zuständig für ein Gebiet, das
von Alaska über Grönland, die Türkei und ganz Afrika (außer Ägypten)
reicht. Obwohl der "Krieg gegen den Terror" vom Central Command (CENTCOM) in Tampa Bay (Florida) koordiniert wird, spielt das EUCOM in
der Kriegsdurchführung eine sehr wichtige Rolle.
Laut Angaben des US-Verteidigungsministeriums im Base Structure Review
2007 gibt es 823 größere US-Liegenschaften jenseits der US-Grenzen,
darunter 287 in Deutschland; mit weitem Abstand folgen Japan, mit 130
und Südkorea mit 106. In Italien sind 89 und in Großbritannien 57
Basen. Von den etwa 175.000 dauerhaft im Ausland stationierten
US-Soldaten befinden sich die meisten in Deutschland: 63.958 – das sind
etwa 85 % des US-Militärpersonals in Europa. In Deutschland gibt es
auch 9.377 Zivilangestellte des US-Militärs und etwa 75.000
Familienmitglieder der US-Soldatinnen und -Soldaten
Wie es dazu kam
Am Ende des Zweiten Weltkrieges blieben Truppen der USA,
Großbritanniens, Frankreichs und der Sowjetunion in Deutschland
verteilt. Nach den separaten Staatsgründungen der Bundesrepublik
Deutschland (BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) 1949
wurden diese in die jeweiligen Militärbündnisse der gegnerischen Blöcke
eingebunden (Beitritt der BRD zu WEU und NATO 1955, Einbindung der DDR
in den 1955 gegründeten Warschauer Pakt). Durch die Pariser Verträge
von 1954 wurde in der BRD das eigentliche Besatzungsstatut von 1949
abgelöst und die Stationierung nunmehr offiziell verbündeter westlicher
Truppen geregelt. Der Beitritt zur NATO machte die Verlegung weiterer
NATO-Streitkräfte (z.B. aus Kanada, den Niederlanden und Belgien) in
die BRD möglich.
Dieser Stationierungszustand hielt im Wesentlichen unverändert bis zur
Vereinigung 1990 an. Im Zwei-plus-Vier-Vertrag erhielt das vereinte
Deutschland die volle Souveränität. Weiter wurde beschlossen, daß das
vereinigte Deutschland Mitglied der NATO bleiben würde, während die
etwa 500.000 sowjetischen Soldaten bis Ende 1994 vollständig aus dem
Gebiet der ehemaligen DDR abgezogen wurden. Deswegen sind
US-Liegenschaften hauptsächlich in Hessen, Rheinland-Pfalz,
Baden-Württemberg und Bayern. Laut dem Zwei-plus-Vier-Vertrag sollen
US- und NATO-Truppen niemals in der ehemaligen DDR stationiert werden,
jedoch benutzt das US-Militär schon jetzt den Zivilflughafen in Leipzig
als wichtigen Knotenpunkt für Militärtransporte in die Kriegsgebiete.
Wie lange wird es so bleiben?
Aus diesem historischen Hintergrund sind diese Vereinbarungen noch
rechtswirksam: der Aufenthaltsvertrag von 1954, das NATO-Truppenstatut (NTS) von 1951 und das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut
(ZA-NTS)
von 1959. Beide können aber theoretisch durch Deutschland gekündigt
werden. Aufgrund der Notenwechsel vom 25. September und 16. November
1990 kann Deutschland den Aufenthaltsvertrag innerhalb einer Frist von
zwei Jahren beenden. Die Kündigung des NATO-Truppenstatutes ist
innerhalb eines Jahres möglich. Allerdings hat sich die Bundesregierung
im ZA-NTS verpflichtet, dies nur bei "dringenden Gründen" zu tun; trotz
aller Kriegsverbrechen und des Bruchs der UNO-Charta und des
Völkerrechts durch die USA, trotz der Millionen Menschen, die seit 2001
getötet oder in die Flucht getrieben sind und der vollkommenen
Zerstörung des Iraks findet die Bundesregierung immer noch keine
"dringenden" Gründe?
Karsten Voigt (SPD), seit 2003 im Auswärtigen Amt Koordinator für die
deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, sagte 2008 im Gespräch mit
Mitgliedern der US-Demokratischen Partei, daß die Bundesregierung,
trotz Bedenken wegen der Rechtswidrigkeit des Angriffs auf den Irak, es
damals "nicht so heftig mit den USA aufnehmen" wollte. Die rechtliche
Fragwürdigkeit der Genehmigung der Überflugrechte für den Irakkrieg
wurde 2005 im Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts im Fall von Major
Florian Pfaff bestätigt (siehe http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Bundeswehr/pfaff.htm
).
Die Türken waren mutiger: Das türkische Parlament hat Anfang März 2003
– gegen den Antrag der Regierung – die Stationierung von US-Truppen in
der Türkei abgelehnt. Vom Luftwaffenstützpunkt Incirlik – einst einer
der wichtigsten Militärstützpunkte der USA im Nahen Osten und
wesentliches Element in den Kriegsplanungen der USA – dürfen
US-Kriegsflugzeuge nicht starten. Es sind dadurch erhebliche
logistische Probleme für den US-Angriff auf den Irak entstanden, ein
Verdienst der Antikriegsbewegung in der Türkei, die ihren Einfluß bis
zu den Parlamentsbänken in Ankara geltend machen konnte.
Sogar jetzt, nachdem der UN-Sicherheitsrat rückwirkend die US-Besatzung
im Irak und die NATO-Einsätze in Afghanistan abgesegnet hat, gibt es
erhebliche "Rechtsgründe", die US-Einsätze vom deutschen Boden in Frage
zu stellen: die Anschläge in dem nicht deklarierten Krieg gegen
Pakistan oder das Weiterbestehen von Foltergefängnissen wie Bagram, das
tagtägliche willkürliche Töten von Zivilisten im Nahen und Mittleren
Osten. Wird Deutschland den Willen, den Mut und die Ehre haben, den
nächsten US-geführten Krieg (vielleicht auf den Iran) zu stoppen?
Um weiter zu recherchieren
Die besten Quellen für weitere Information über US-Militäreinrichtungen
in Deutschland und was von dort aus geschieht sind die
englischsprachigen Webseiten des US-Militärs sowie die tägliche
US-Militärzeitung "Stars and Stripes". Durch Eingabe von Ortsnamen in
die Suchfunktion ist es oft möglich, über bevorstehende Einsätze,
Umweltschäden und dergleichen in der Nähe, wie auch über das tägliche
Leben der US-Soldaten und ihrer Familien und manchmal sogar über den
GI-Widerstand (z.B. Militärgerichtsfälle) zu erfahren.
Deutsche Übersetzungen von vielen wichtigen "Stars and
Stripes"-Beiträgen und andere US-Zeitungsartikel sind auf der von
Friedensaktivisten geführten Webseite LUFTPOST
(Ramstein/Kaiserslautern) zu finden: http://www.luftpost-kl.de
Für detaillierte Informationen über getötete und verwundete Soldaten
der USA und ihrer Verbündeten (auch Deutschland) in den Kriegen im Irak
und in Afghanistan (inklusive Namensangaben, Einheiten, usw) siehe die
unabhängige US-Webseite: www.icasualties.org
Widerstand gegen die US-Basen in der ganzen Welt
Weltweit gibt es seit den 90er Jahren eine zunehmende Kritik an und
Widerstand gegen die US-Basen im Ausland. Beweggründe sind nicht nur
die Kritik an den US-Kriegen, sondern oft vorwiegend die ökonomischen,
ökologischen, und gesundheitlichen Schäden, die durch die
Militärübungen und die Kriegsführung verursacht werden.
Landwirtschaftliche Flächen oder auch Fischereigewässer werden
beschlagnahmt oder ruiniert, um die Basen zu errichten und zu
betreiben. Vergewaltungen und andere Verbrechen der GIs gegen lokale
Bevölkerungen sind nicht selten und haben zu regelrechten Aufständen
geführt, zumal das US-Militär üblicherweise durch die
Stationierungsverträge davor bewahrt wird, dass die verdächtigen GIs
vor örtliche Gerichten kommen.
Auf den den Philippinen, in Puerto Rico und Ecuador waren die
Volksbewegungen stark genug, die US zu zwingen, die dortigen Basen
aufzugeben. Es gab auch starke Bewegungen in anderen Ländern u.a. in
Diego Garcia, Guam und zunehmend auch in europäischen Ländern wie
Griechenland, Spanien und Italien. In Japan, in Korea, in Vicenza
(Italien) sind sogar massive Widerstandsbewegungen entstanden mit
Demonstrationen von mehr als 100.000 Menschen und zeitweilig lokalen
oder auch landesweiten politischen Mehrheiten.
Über mehrere Jahre fand eine Vernetzung dieser Bewegungen innerhalb der
Weltsozialforen statt. Im März 2007 wurde die internationale
No-Bases-Initiative in Quito, Ecuador, gegründet, woran auch deutsche
FriedensaktivistInnen teilgenommen haben (http://www.nobasesnetwork.org). Inzwischen gibt es nun gute
Aussichten, dass durch einen Parlamentsbeschluss die Stationierung der
neuen Raketenabwehr-Basen dort eventuell verhindert werden kann.
Und auch in Deutschland...
In den 80er gab es in der BRD eine breite und effektive bundesweite
Bewegung gegen die Stationierung der Pershing II-Atomraketen. Ein
breites Spektrum, auch zahlreiche “Prominenten”, haben sich an
die Blockaden damals beteiligt. Der Krefelder Appell wurde von
mehr als vier Millionen BürgerInnen der BRD unterzeichnet.
Februar 2003 demonstrierten etwa 500.000 in Berlin in der Hoffnung, in
Solidarität mit Demos in der ganzen Welt einen US-Angriff auf dem Irak
zu verhindern. Als die US-Regierung doch diesen Appell
ignorierte, haben mindestens 3000 durch Blockade am Rhein-Main
Militärflughafen versucht, den Abflug der US-Truppen für den
Kriegseinsatz in dem Irak zu verhindern. Es gab auch Versuchen,
juristisch gegen Kanzler Schröder und Außenminister Fischer vorzugehen,
um die Genehmigung der Überflugsrechten an die USA zu stoppen.
Seitdem ist die Antibasenbewegung in Deutschland eher ein lokales,
teilweise sehr lebendiges Phänomen, das jedoch nicht sehr stark in der
Strategie der bundesweiten deutschen Friedensbewegung noch durch die
politischen Fraktionen im Bundestag vertreten ist. Die verschiedenen
örtlichen Gruppen tauschen sich aus und unterstützen einander im
“Netzwerk gegen Militärbasen und ihre Auswirkungen“ (NeMa), worin
Beschreibungen der beteiligten Gruppen zu finden sind www.nema-online.de. Im NeMa sind schon lang bestehende lokalen
Friedensorganisationen wie das “Heidelberg Forum gegen Militarismus und
Krieg“ www.antikriegsforum-heidelberg.de, das Arbeitsgemeinschaft
Frieden Trier in der Nähe von Airbase Spangdahlem www.agf-trier.de/html/spangdahlem.html
und die wichtige, schon sieben
Jahre lang andauernde Protest- und Zivilwiderstandsbewegung gegen die
Stationierung der Atomwaffen in Büchel, “Gewaltfreie Aktion Atomwaffen
Abschaffen“ www.gaaa.org, die eng mit der Widerstandsbewegung “Für die
freie Heide“ gegen das geplante “Bombodrome“ in Kyritz-Wittstock-Ruppin
kooperiert.
In der Nähe von Ramstein Airbase und in Ansbach-Katterbach sind
Bürgerinitiative, die das oft unerträglichen Fluglärm wie auch die
erhebliche Umweltschaden beklagen aber gleichzeitig die
Verfassungswidrigkeit der Angriffskriege vom deutschen Boden (Artikel
26 der Verfassung) zum zentralen Thema nehmen, und zwar in dem
Ramsteiner Appell www.ramsteiner-appell.de
und in dem Ansbacher Appell http://www.ansbacher-appell.de.vu. In Hahn
www.fluglaerm.de/hahn und in
Leipzig www.flughafen-natofrei.de/
wenden sich die Gruppen vor Ort
stark gegen die Militärnützung der Zivilflughafen.
Besonders in Ansbach in den letzten zwei Jahren hat die
Bürgerinitiative, "Etz langt's!" breiten Fuß gefasst und eine
multifraktionelle Opposition zur Erweiterung der Kampfhubschrauberbase
entwickelt sich dort www.offene-linke-ansbach.de
. Die Ansbacher
beziehen auch US-Antikriegsveteranen in ihre Protesten ein; diese sind
sogar heimlich in die Kasernen geschlichen, um in einer
“Guerillaaktion“ den GIs eine Solidaritätserklärungen der Ansbacher
Bevölkerungen vorzulesen: www.youtube.com/watch?v=JtNEo4SMlIg
Die aktuelle Kampagne in Ansbach heißt “Operation Franconian Freedom –
Yes, We Can!“
In der Mobilisierung für die NATO-Proteste in Straßburg und in
Baden-Baden im April 2009 arbeiten viele der o.g. Initiativen der
deutschen No-Bases-Bewegungen mit den bundesweiten deutschen
und europäischen Friedensbewegungen zusammen. Ob diese neue Kooperation
dazu führen könnte, dass die Militärbasen in Deutschland zu einer
zentralen Thema der Friedensbewegung wird, bleibt noch eine offene
Frage.
Von der "Jobarmee" zur Anklage gegen
die US-Regierung
Die US-Streitkräfte bestehen aus Freiwilligen. Dadurch entsteht der Eindruck,
es handele sich um Berufssoldatinnen und -soldaten. Die US-Armee ist aber eher
eine "Jobarmee" – eine Schöpfung der neoliberalen Ideologen.
Die GIs, die in Vietnam gekämpft haben, waren teils Wehrpflichtige, teils
Freiwillige. Gegen Ende des Vietnam-Kriegs hatte der GI-Widerstand die Streitkräfte
so zersetzt, dass sie kaum mehr kampffähig waren. 1973 hat Präsident Nixon
dann einen Plan entwerfen lassen: Soldaten sollten ausschließlich durch den
Markt zum Militär getrieben werden. Seitdem gibt es einen verheerenden
Sozialabbau in den USA; so sind beispielsweise immer weniger Menschen
krankenversichert, Industriejobs wurden zunehmend in Billiglohnländer
verlagert, die Gewerkschaften sind seit 1980 sehr geschwächt worden.
Gleichzeitig wird erheblicher Druck auf illegale Immigranten ausgeübt.
Ein Bachelor-Abschluss an einem College ist notwendig, um sich einen
ordentlichen Job überhaupt nur erhoffen zu können, aber die Kosten des
Studiums sind hoch. Ein vierjähriger College-Besuch kostet zwischen 75.000
Dollar (für ein mittelmäßiges öffentliches College) und 165.000 Dollar (für
ein gutes privates College). Ein Aufbaustudium zum Beispiel in Medizin oder Jura
ist erst nach dem Bachelor möglich und kostet dann oft bis zu weitere 180.000
Dollar. Viele Studentinnen und Studenten müssen riesige Darlehen aufnehmen.
Für all diese Probleme bietet dann das Militär vermeintlich eine Lösung: Für
vier Jahre aktiven Dienst bekommt man lebenslänglich eine Krankenversicherung,
etwas Geld für den College-Besuch, die Darlehenstilgung oder auch die
US-Staatsbürgerschaft. Bei unehrenhafter Entlassung werden diese Angebote aber
zurückgenommen. Verpflichten muss man sich normalerweise für acht Jahre, davon
vier im aktiven Dienst. Die Armee kann diese aktive Dienstzeit jedoch einseitig
verlängern, was heute fast allen US-Soldatinnen und Soldaten passiert.
Es sind hauptsächlich die Erfahrungen im Krieg – die Soldaten nennen sie die
"Groundtruth"–, die sie zum Kriegsgegner machen. Sie sehen viel
klarer als ihre Mitbürger in den USA, dass diese Besatzungen von der
betroffenen Bevölkerung abgelehnt werden. Und sie sehen die vielen
Kriegsverbrechen und die rassistische Arroganz der Kriegsführung. Auch
Soldatinnen und Soldaten, die sich ursprünglich hauptsächlich aus Patriotismus
gemeldet haben, werden durch diese Erfahrungen manchmal zu den stärksten
Kritikern der US-Kriegspolitik.
Viele der GIs in Deutschland sind Kriegsgegner, auch wenn sie nicht desertieren
oder offen Befehle verweigern. Laut einer Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts Zogby vom Februar 2006 waren 72 % der im Irak kämpfenden
US-Streitkräfte für den Abzug aller US-Truppen innerhalb eines Jahres – und
diese Soldatinnen und Soldaten sind zwischen den Kriegseinsätzen wieder in
Deutschland. Durch die Probleme bei der Rekrutierung wurde die US-Regierung dazu
gezwungen, trotz des Protests der Soldatinnen und Soldaten und ihrer Familien
die Einsatzdauer von 12 auf 15 Monate zu verlängern und auch die Zahl der
Kriegseinsätze auf bis zu vier zu erhöhen. Im Gegensatz zum Vietnam-Krieg sind
die GIs damit insgesamt sehr viel länger im Einsatz, wodurch der Unmut unter
ihnen, ihren Familien und auch in der Öffentlichkeit wächst.
Die im Juli 2004 gegründete Organisation Iraq Veterans Against the War (IVAW
– Irak-Veteranen gegen den Krieg, www.ivaw.org) hat heute etwa 1.400
Mitglieder in 48 US-Bundesstaaten, in Washington D.C., Kanada und in zahlreichen
US-Basen im Ausland, auch im Irak und in Deutschland. Um Mitglied zu werden, muß
man in den US-Streitkräften seit dem 11. September 2001 gedient haben, also
sind auch Afghanistan-Veteranen dabei. Die Mehrheit der IVAW-Mitglieder sind
auch gegen den Afghanistan-Krieg, aber eine beträchtliche Minderheit ist nur
gegen den Irak-Krieg – ein Grundsatz für die Mitgliedschaft. IVAW versucht
auch, den Widerstand unter den noch aktiven Soldaten zu organisieren.
In den USA stehen Kriegsveteranen und Familien von Soldaten an der Spitze der
Antikriegsbewegung. Durch mehrjährige Öffentlichkeitsarbeit haben sie viel
dazu beigetragen, daß die Mehrheit der US-Bevölkerung nun überzeugt ist, daß
die Truppen so bald wie möglich aus dem Irak abgezogen werden müssen. Vom 13.
bis 16. März 2008 organisierte IVAW in Silver Spring, Maryland, eine Anhörung
von 50 Veteranen des Irak- und Afghanistankriegs: Winter Soldier: Iraq and
Afghanistan. Sie waren durch die von Vietnam-Veteranen 1971 organisierte Anhörung
Winter Soldier motiviert, wodurch viele der Kriegsverbrechen der USA
damals erst ans Licht gekommen sind. Die Winter-Soldaten sind nach dem
Ausspruch von Thomas Paine benannt, einem der Führer der US-amerikanischen
Revolution. Es bezeichnet diejenigen, die auch in den dunkelsten Stunden
"die Seele der Nation" verteidigen. Seit März 2008 hat es viele
regionale Winter Soldier-Anhörungen gegeben, und am 14. März gab es
auch im Vorfeld des NATO-Gipfels eine solche in Freiburg.
Lehren aus dem Vietnam-Krieg
Der Vietnam-Krieg erstreckte sich auch über Kambodscha und Laos und dauerte von
1959 bis 1975. Mehr als 50.000 US-Soldaten und über drei Millionen
Vietnamesinnen und Vietnamesen sind im Krieg gestorben, aber das Leid geht
weiter: Mehr als 100.000 Vietnam-Veteranen des Kriegs haben sich seitdem
umgebracht und viele sind obdachlos. Unzählige Vietnamesen sind an Krankheiten
gestorben, die auf die Schäden des Kriegs zurückzuführen sind.
Während des Vietnam-Kriegs wurden GIs aus Deutschland in den Krieg geschickt
und kamen nach dem Kriegseinsatz zu den US-Basen in Deutschland zurück. Damals,
zur Zeit der US-Besatzung von Deutschland, hat die deutsche Studentenbewegung
nicht nur gegen den US-Krieg stark protestiert, sondern den GIs im Widerstand in
Deutschland auch direkte Hilfe angeboten.
Die erste Form des GI-Widerstands war der Aufstand der Einzelnen, die zum
Beispiel öffentlich die Einberufungspapiere verbrannten oder Befehle
verweigerten, und Tausende haben KDV-Anträge gestellt. Andere desertierten –
während des gesamten Vietnam-Krieges waren es mehr 500.000, die in den
Untergrund oder nach Kanada oder Schweden ins Exil gingen. In Deutschland haben
die Asten damals öffentlich annonciert, dass sie GIs beim Untertauchen und
Desertieren helfen würden, obwohl solche Hilfeleistung strafbar war. Und tatsächlich
hat der SDS damals vielen GIs geholfen, nach Schweden zu kommen.
1966, nachdem einzelne Fälle von Befehlsverweigerung innerhalb des Militärs
bekannt geworden waren, organisierten die Antikriegs-GIs oft mit ziviler Unterstützung
"GI-Kaffeehäuser" und GI-Center in der Nähe der Militärbasen in den
USA, in Japan und Deutschland. Dort hielten sie politische Veranstaltungen ab,
Vietnam-Heimkehrer trafen junge Rekruten mit Marschbefehl, um ihnen aus erster
Hand von den schrecklichen Ereignissen an der Front zu berichten. Viele der
"GI-Kaffeehäuser" waren nur wenige Meter von den Eingängen der
Kasernen entfernt.
Etwa 1968 wurde eine neue Stufe des GI-Widerstands erreicht: Widerstand in der
Armee. Die Soldaten hatten eigene Organisationen gegründet und gaben
Untergrundzeitungen gegen Krieg und Imperialismus heraus; etwa 300 GI-Zeitungen
sind bis Ende des Kriegs entstanden. Diese wurden in den Militärbasen unter der
Hand weitergegeben und sogar zu den kämpfenden Soldaten nach Vietnam geschickt.
Gleichzeitig wurden auch die ersten Demonstrationen von Vietnam-Veteranen und
aktiven Soldaten gegen den Krieg organisiert. Der öffentliche Widerstand der
GIs und Veteranen gab der zivilen Anti-Kriegsbewegung nicht nur enormen
Auftrieb, sondern auch eine Legitimation. Sie kämpfte nicht gegen die Soldaten
in Vietnam, sondern mit ihnen, um den Krieg zu beenden. Die harte Repression der
US-Regierung stärkte den Widerstand, anstatt ihn zu brechen: Es kam zu mehreren
Gefängnisaufständen, der berühmteste fand im Militärgefängnis Presidio im
Oktober 1968 statt, wo 27 Soldaten gegen die Ermordung eines Mithäftlings
protestierten. An der Front wurden Befehle verweigert, Kampfhandlungen wurden
absichtlich vermieden und einige höhere Offiziere wurden von den eigenen Männern
getötet.
Präsident Nixon musste schließlich 1969 in der Nixon-Doktrin auf die Rebellion
der GIs reagieren und versprach, die gefährlichen Bodeneinsätze allein den südvietnamesischen
Truppen zu überlassen und so langsam den Abzug der eigenen Truppen einzuleiten.
Inoffiziell gab es allerdings weiterhin US-amerikanische Truppen in Vietnam, die
nun systematisch Befehle zu Kampfeinsätzen verweigerten und gezielt Vorgesetzte
töteten oder verstümmelten. 1972 musste der Krieg gegen Vietnam schließlich
auf Luftangriffe reduziert werden, was wiederum verheerend für die
vietnamesische Bevölkerung war. Der Widerstand hatte allerdings auch auf die
Marinesoldaten und die Luftwaffe übergegriffen und viele Flugzeugträger
konnten die US-amerikanischen Häfen aufgrund des Widerstands der Besatzung
nicht verlassen.
Nicht nur den starken Widerstand des vietnamesischen Volkes, sondern auch die
weltweite Anti-Kriegsbewegung, die GIs einbezog, war sicher ein Grund für die
Niederlage der USA. Letztendlich haben die GIs selber die Weiterführung des
Kriegs wirksam erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. Deswegen wird
Soldaten-Widerstand auch heute in der US-Friedensbewegung sehr geehrt, und viele
junge GIs werden durch diese Geschichte inspiriert, die sehr überzeugend in dem
Dokumentarfilm "Sir, No Sir!"
von 2005 erzählt wird.
Der GI-Widerstand heute und wie wir ihn
unterstützen können
Die US-Regierung hat viel unternommen, um zu verhindern, daß sich der
GI-Widerstand wieder wie in den 60-er und 70-er Jahren entwickeln kann. Schon
1973 gab es Pläne, die US-Streitkräfte ausschließlich aus Freiwilligen zu
rekrutieren. Zusätzlich verläßt sich das Pentagon auf private Militär-Firmen,
die mit hochbezahlten Söldnern, Wächtern und Folterern die schmutzigsten
"Kriegsdienste" leisten; außerdem gibt es schlecht bezahlte Arbeiter
z.B. aus Pakistan, die als Köche, Wäscher und Toilettenputzer die unangenehme
Tätigkeiten übernehmen, die traditionell durch GIs geleistet wurden.
Um die zivile Unterstützung der GIs zu erschweren, bevorzugt das Pentagon für
die Militärbasen kleine Gemeinden. Während des Vietnam-Kriegs haben
Antikriegs-Studenten nächtens zusammen mit GIs in den Kneipen in Berlin
getanzt. Heute sind wichtige Militärbasen zum Beispiel in Grafenwöhr und
Baumholder, wo die wenigen deutschen Einwohner teilweise ökonomisch direkt vom
US-Militär abhängig sind. Nach dem 11. September 2001 wurden höhere Mauern um
die Kasernen gebaut, und aus "Sicherheitsgründen" dürfen Deutsche
nicht mehr durch die Militärareale fahren oder laufen. Offiziere sagen den GIs,
daß sie Angst vor den Deutschen haben sollen; sie werden davor gewarnt, in
Stadtteile zu gehen, wo Demonstrationen stattfinden.
Es geht darum, gerade die Isolierung der GIs zu durchbrechen, und dazu gibt es
schon wichtige Ansätze von oft miteinander kooperierenden Projekten und
Gruppen: Seit den 90-er Jahren die Beratungsstellen Military Counseling Network
in Bammental und Connection e.V. in Offenbach, das Deserteure und
Kriegsdienstverweigerer aus verschieden Ländern unterstützt (www.connection-ev.de).
In der 90-er Jahren haben sich US-Vietnam-Veteranen in Deutschland
niedergelassen, die in der Organisation "Stop the War Brigade"
Soldatenwiderstand unterstützen (www.angelfire.com/jazz/stwb/).
2005 begannen US-Anti-Kriegsbürger in Deutschland in Projekten/Gruppen wie
Munich American Peace Committee (MAPC, www.mapc-web.de) durch Spendensammlungen
und American Voices Abroad (AVA) Military Project (elsarassbach(a)gmail.com),
durch internationale Öffentlichkeitsarbeit, die GIs im Widerstand zu unterstützen.
2008 war die Gründung einer lokalen Organisation von IVAW in Deutschland/Europa
(http://www.ivaw-europe.blogspot.com/)
Seit 2007 haben AVA Military Project und MAPC zusammen mit lokalen
Organisationen der DFG-VK (www.dfg-vk.de)
begonnen, in ganz Deutschland die "GI Rights Hotline"-Faltblätter zu
verteilen; diese und andere Unterstützungsarbeit, auch zusammen mit anderen
lokalen und regionalen deutschen Organisationen, wurde 2008 in eine
Arbeitsgruppe "GIs & US-Basen" der DFG-VK zusammengebracht. (Wer
mitmachen will, schreibt bitte an girights-germany(a)dfg-vk.de Eine Webseite
"GI Rights Germany" ist im Aufbau.)
Es ist ganz natürlich, daß es für deutsche Friedensaktivistinnen und
-aktivisten etwas Überwindung braucht, direkt in Kontakt mit GIs zu treten. Es
sind nicht nur die sprachliche Probleme, sondern auch das Wissen, daß die GIs für
das Töten ausbildet worden sind, sich "freiwillig" dazu gemeldet
haben, nicht desertiert sind, und einige von ihnen sind wohl Kriegsverbrecher.
Es ist wichtig, sich an die Erfahrungen des Vietnam-Kriegs zu erinnern: Die
Soldaten im aktiven Dienst, die Widerstand geleistet haben, haben am meisten zur
Beendigung des Kriegs beigetragen. Die GIs, denen wir in Deutschland begegnen,
haben sich teilweise in sehr jungen Jahren zum Militär und unter dem Einfluß
der Lügen der US-Regierung und Medien gemeldet. Oft haben sie seitdem erheblich
Entwicklungen durchgemacht, was z.B. in den Winter Soldier-Aussagen
deutlich wird. Also: Statt "Desertiere sofort, du Kriegsverbrecher!"
kann man sagen: "Kennst Du einen Freund, der vielleicht Hilfe
braucht?"
Bei deutschen Aktionen vor US-Kasernen ist es wichtig, Transparente auch auf
Englisch zu zeigen. Sogar wenn die GIs nur in Autos vorbeifahren, ist es für
sie von großer Bedeutung zu wissen, daß sie in der deutschen Bevölkerung Verbündete
für den GI-Widerstand haben. Manchmal geben schon mehr als die Hälfte der
vorbeifahrenden GIs ein Zeichen, daß sie sich über den Protest der Deutschen
freuen.
Es gibt aber vieles mehr, was wir tun könnten und sollten: z.B. GI-Kaffeehäuser
und GI-Zeitungen in Deutschland gründen; Möglichkeiten dafür schaffen, daß
GIs anonym zu Wort kommen. Solche Projekte wären machbar, sobald die deutsche
Friedensbewegung sie zur Priorität macht.
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Die GI Rights Hotline Falzblätter sind bei DFG-VK Material zu bestellen:
E-Mail: material(a)dfg-vk.de
Postadresse: Haußmanstraße 6, 70188 Stuttgart Telefon: 0711-231 94 79 Fax:
0711- 2155 214
Spende und Versandkosten erbeten
Wer Fragen/Anregungen zur Verteilung der Falzblätter hat oder Unterstützung
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Drei Wegbereiter des GI-Widerstands in
Deutschland
Der GI-Widerstand nimmt unterschiedliche Formen an: formelle KDV-Anträge,
Versuche, durch Selbstverletzung aus der Armee herauszukommen; offene
Befehlsverweigerung; Desertion oder unerlaubte Entfernung von der Truppe;
Versuche, Medien, Regierungsstellen und die US-Bevölkerung über die
Kriegsverbrechen aufzuklären, Antikriegsblogs im Internet, die GIs in den
Kampfgebieten verfassen, wie "Fight to Survive",
Unterschriftensammlungen – so haben zum Beispiel mehr als 2.000 aktive
Soldaten den "Appeal for Redress" unterschrieben, der den US-Kongreß
auffordert, die Truppen und die US-Basen aus dem Irak sofort abzuziehen.
Manchmal gibt es "wahre Helden", die weitere GIs zum Widerstand
inspirieren. Hier sind drei, die große Opfer auf sich genommen haben, um in
Deutschland die Wahrheit zu sagen. Ausführliche Informationen über sie sind
u.a. auf der Webseite www.connection-ev.de
zu finden.
"Irakis werden schlechter behandelt als Tiere" - Blake Lemoine in
Darmstadt, 24. März 2005
Blake Lemoine aus Louisiana war erst 19 Jahre alt, als er sich bei der US-Armee
kurz nach dem 11. September 2001 gemeldet hat, weil er glaubte, die USA seien
bedroht. Nach einem Jahr als Schütze im Irak war er vom rassistischen Vorgehens
des US-Militärs dort so entsetzt, daß er nach seiner Rückkehr nach Darmstadt
alle Befehle verweigerte. In einem offenen Brief an seine Vorgesetzen (bis hin
zum Obersten Befehlshaber George W. Bush), schrieb er, daß der Armee-Vertrag
ein "Sklavenvertrag" und nicht gültig sei. Er lehnte Essen von der
Armee deswegen ab und ging in den Hungerstreik, schloß sein Bankkonto, damit
die Armee ihm nicht bezahlen konnte. Er suchte intensiv die Öffentlichkeit,
weil er es als seine Pflicht sah, der US-Bevölkerung bekannt zu machen, was
wirklich im Irak passiert.
Wie Blake erwartet hatte, klagte ihn die Armee wegen Befehlsverweigerung an. Der
Prozeß wurde für den 28. März 2005 angesetzt. Am 24. März 2005 veranstaltete
Blake mit Unterstützung von Connection e.V., Stop the War Brigade und AVA
Military Project eine Pressekonferenz. Vor seinem Prozeß ließ er bei vielen
Ostermärschen seinen Solidaritätsbrief an die deutsche Friedensbewegung
vorlesen. Zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt kam Blake sofort ins Militärgefängnis
in Mannheim. Nach einer Solidaritätsdemo vor dem Gefängnis am 10. April wurde
er in der Nacht nach Fort Sill in Oklahoma ins dortige Militärgefängnis
geflogen. Am 14. September 2005 kam er wieder frei und hat seitdem seinen
Bachelor an einer Universität in Louisiana absolviert.
Siehe auch: http://www.angelfire.com/jazz/stwb/BlakePress/BLPressEnglish3.html
"Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Soldatinnen und Soldaten, die den
Krieg ablehnen, müssen wissen, daß es eine Gemeinschaft gibt, die sie unterstützt.
Das ist unsere Herausforderung."
- Agustín Aguayo in Stuttgart, 21. Dezember 2007
Agustín Aguayo wurde in Mexico geboren und kam erst im Jahr 2000 nach
Kalifornien. 2003 war er schon verheiratet und hatte zwei Töchter, als er im
Alter von 33 zur Armee ging: Die einzige Möglichkeit, dachte er, eine
medizinische Ausbildung zu bekommen, weil er Menschen helfen wollte. Er hat später
vor Gericht gesagt, daß der Rekrutierer ihm versprochen hat, er müsse nur in
Krankenhäusern seinen Dienst leisten. Agustín nahm an, daß er laut Genfer
Konvention als Sanitäter keine Waffe tragen müßte. Es kam jedoch ganz anders.
Nach Versetzung nach Schweinfurt im Sommer 2004 wurde er bald von dort als Sanitäter
in den Irak geschickt; er mußte eine Waffe tragen und auf Patrouillen und beim
Wachdienst bereit sein, zu schießen. Mit Hilfe des Military Counceling Network
stellte Agustín dann vom Irak aus einen KDV-Antrag und weigerte sich daraufhin,
eine Waffe in die Hand zu nehmen.
2005, zurück in Schweinfurt, erfuhr er, daß die US-Armee seinen KDV-Antrag
abgelehnt hatte. Mit Hilfe von Friedensaktivisten in Deutschland, Europa und den
USA sammelte Agustín Geld, um Anwälte zu bezahlen, damit er vor den Gerichten
in den USA dagegen klagen konnte; seine Klagen wurden aber alle abgewiesen und
er erhielt den Befehl, im September 2006 nochmals in den Irak zu gehen.
Agustín sprang aus der Fenster der Armee-Wohnung in Schweinfurt und floh. Mit
Hilfe von Friedensfreunden in Deutschland sowie der mexikanischen Botschaft in
Berlin, die ihm einen mexikanischen Paß ausgestellt hat, ist er zu seiner
Familie in Kalifornien gekommen. Dort, nach einer durch AVA Military Project
stark besuchten Pressekonferenz in Los Angeles, sprach Agustín zum ersten Mal
in der Öffentlichkeit. Er erklärte, daß er kein Deserteur sei und nur sein
Recht suche, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden. Nach einigen Tagen
Haft in Kalifornien hat die US-Armee ihm zum Militärgefängnis in Mannheim
gebracht und wegen Desertion angeklagt. Mit Unterstützung von NGOs wie Amnesty
International, der mexikanischen Regierung, und deutschen Bundestagsabgeordneten
aus mehreren Fraktionen ging Agustín im März 2007 in Würzburg vor Gericht,
von dem er zu acht Monaten Haft verurteilt wurde, die er in Mannheim abgesessen
hat. Im Gefängnis hat er Hunderte von Briefen und Postkarten von deutschen
Unterstützern erhalten. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis ging er wieder
zu seiner Familie in Kalifornien, wo er nun am College studiert, um Lehrer zu
werden, und auch Anti-Rekrutierungsarbeit in Schulen macht. Im Dezember 2007
erhielt er den Stuttgarter Friedenspreis.
"Es passt vielleicht, dass ich gerade in Deutschland Asyl beantrage,
dem Land, in dem vor 60 Jahren die Nürnberger Prozesse begannen. Eines der
wichtigsten Prinzipien, auf die diese Verfahren sich stützten, war, daß
niemand sein Handeln damit rechtfertigen kann, er habe lediglich Befehle
befolgt."
- André Shepherd in Frankfurt am Main, 27. November 2008
André Shepherd aus Cleveland (Ohio) hat mit seinem Asylantrag an die
deutsche Regierung am 26. November 2008 die jetzige Herausforderung auf die
klarste Weise gestellt: Wird die deutsche Regierung weiterhin den USA in
"ruinöse Unternehmen", wie es André nennt, folgen oder wird
Deutschland zu den Werten des Völkerrechts zurückkehren, die durch den Sieg über
das Nazi-Regime hier ein für allemal etabliert werden sollten?
Wie so viele junge Amerikaner glaubte André den Lügen der US-Regierung und
meinte, als er im Alter von 26 Jahren zur Armee ging, dadurch die Welt "für
die Menschen zu einem besseren Ort" machen zu können; zudem war er, trotz
College-Besuchs, obdachlos. Er wurde auf der US-Base in Ansbach-Katterbach
stationiert, wo er als Mechaniker die Apache-Kampfhubschrauber warten sollte.
Sehr schnell wurde er zum Einsatz in den Irak geschickt. Dort wurde er zunehmend
sorgenvoller, als er merkte, daß die Irakis "ein stolzes Volk" sind
und durch die US-Besatzung keineswegs "beglückt" wurden. Es wurde ihm
auch bewußt, daß durch die Einsätze der Apache-Hubschrauber viele Zivilisten
umbracht oder ihre Wohnorte zerstört wurden. Er fragte sich: "Warum sind
wir hier? Was ist unser Ziel?" Wann immer er konnte, recherchierte er im
Internet, um für sich Antworten zu bekommen; dazu hatte er nach seiner Rückkehr
nach Ansbach-Katterbach im Februar 2005 mehr Zeit. Er fand heraus: Der Angriff
auf den Irak wie auch auf Afghanistan waren auf Lügen der US-Regierung und der
Medien aufgebaut - von "Massenvernichtungswaffen im Irak" oder etwa,
daß Saddam Hussein etwas mit dem Anschlag des 11. September 2001 zu tun haben
sollte. André fand heraus, daß der Angriff auf Afghanistan schon Monate vor
dem 11. September geplant worden ist. Zunehmend litt er daran, etwas Falsches
und Schädliches zu tun durch seine Arbeit, die Kampfhubschrauber flugbereit zu
halten.
Im Sommer 2007 sollte er mit seiner Einheit wieder in den Irak gehen. Am 11.
April 2007 verließ er nach vielem Überlegen die Armee und ist in Deutschland
untergetaucht. Er wurde durch Military Counceling Network und Connection e.V.
beraten und fand mit Hilfe von Amnesty International einen erfahrenen deutschen
Anwalt. Am 27. November 2008 stellte er sich bei einer Pressekonferenz in
Frankfurt am Main der Öffentlichkeit. Er wohnt zur Zeit in einem Heim für
Asylbewerber, lernt Deutsch und studiert Kommunikationswissenschaft. Er ist
bereit, wenn nötig, seinen Fall bis zum Bundesverfassungsgericht oder zum europäischen
Gerichtshof zu bringen.
Die Aktionsstelle für Unterstützung von André Shepherd ist Connection e.V.,
der auch Spenden für die Anwaltskosten sammelt (www.Connection-eV.de/aktion-usa.php)
Zusätzliche Aktionen und Unterstützung für André, z.B. in Berlin:
girights-germany(a)dfg.vk.