Für den Aufreger des Nachmittags sorgte Lothar Binding mit seinem Maulkorb (links). Am Ende protestierten die rund 3000 Demonstranten aber doch noch ganz einträchtig gegen den Irak-Krieg; der Streit um die Redner-Liste schien vergessen. Fotos: Kresin
Von Holger Buchwald
Protest gegen den Irak-Krieg: Rund 3000 Menschen marschierten am Samstag zum US-Hauptquartier. Der Streit um die Rednerliste sorgte zwischen den Demonstranten aber für Missklänge.
"Krieg ist immer Terror", steht auf einem großen Transparent. Über dem Bismarckplatz wehen zahlreiche Friedensflaggen, die Fahnen von IG Metall, PDS, Grünen und anderen. 17 Tage nach Ausbruch des Irak-Krieges sind immerhin noch 3000 Menschen gekommen. Anders als bei der letzten großen Demonstration vor zwei Wochen, spürt dieses Mal aber wirklich jeder Teilnehmer , dass diejenigen, die zu der Kundgebung aufgerufen haben, zerstritten sind.
Lothar Binding sorgt für den Aufreger des Nachmittags: Der SPD-Bundestagsabgeordnete trägt tatsächlich, wie angekündigt, einen Maulkorb. Binding will jedem zeigen, dass er auf der Demonstration nicht reden darf, weil die Organisatoren keine Mandatsträger auf ihrer Bühne wünschen. Nicht jeder Demonstrant kann sich mit dieser Form des Protests anfreunden. Zwei Autonome bellen wie Hunde, ein anderer trägt ein Schild: "Keine Angst. Ich beiße nur für meine Partei."
Niemand habe Anspruch, auf einer Demonstration zu reden, rechtfertigt Joachim Guilliard vom Forum gegen Militarismus und Krieg die Entscheidung des Bündnisses, keine Mandatsträger sprechen zu lassen: "Eine Demonstration ist keine Diskussionsveranstaltung, sondern eine politische Aktion, mit der die Menschen 'von unten' ihren Protest zum Ausdruck bringen." Im Übrigen hätten sich die Veranstalter bemüht, die verschiedenen beteiligten Gruppen angemessen einzubinden. Mit der Absage an die Bundestagsabgeordneten wolle das Bündnis parteipolitische Auseinandersetzungen vermeiden und nach außen klar seine Regierungsunabhängigkeit signalisieren.
Scharf verurteilt der IG Metall-Bevollmächtigte Pat Klinis den Streit um die Rednerliste: "Wenn wir die Friedensbewegung in Heidelberg kaputt machen wollen, machen wir weiter so." In einer emotionalen Ansprache fordert der Gewerkschafter jeden auf, sich am Bündnis gegen den Krieg zu beteiligen. Klinis: "Es geht hier um die Sache, gegen den ungerechten Krieg." Wütend klettert der Heidelberger IG Metall-Chef von der Bühne und meint zu einem der Organisatoren: "Da habe ich weder für den einen noch für den anderen gesprochen."
Allmählich tritt der Redner-Streit in den Hintergrund. Während Binding weiter seinen Maulkorb trägt und einige Teilnehmer ihn auffordern, "dieses Ding doch endlich abzunehmen", setzt sich der Kirchheimer Pfarrer Vincenzo Petracca für einen "gerechten Frieden" ein, fordert eine Kultur der Gewaltfreiheit und einen gerechten Welthandel. Und dann kann es endlich losgehen, der Demonstrationszug setzt sich in Bewegung.
Über die Rohrbacher- und Rheinstraße geht es in Richtung Hauptquartier. Wie schon die Male zuvor, bleiben die Fenster im Mark Twain Village verschlossen, sind einige wenige Militärpolizisten die einzigen US-Amerikaner, die sich am Rande der Demonstration blicken lassen.
Am Hauptquartier angekommen, legen die Kriegsgegner einen Kranz im Gedenken an die Opfer nieder. Die Worte unter den Demonstranten sind versöhnlicher geworden. Lothar Binding lobt die Veranstaltung. Den Maulkorb hat er mittlerweile abgenommen.
Nur ein Mal noch kommt es zu Missklängen, als der Vorsitzende des Bundesausländerbeirats, Memet Kiliç, für die Grünen redet. Einige Demonstranten stören sich an den Joschka Fischer-Zitaten und ärgern sich, dass Kiliç die deutsche Regierung verteidigt. "Es reicht!", "Aufhören!", skandiert eine Gruppe von Zuhörern. Aber nicht nur mit Kiliç sind die Demonstranten an diesem Tag ungeduldig. Irgendwie scheinen sich die Argumente, das Bedauern über den Krieg und die Vorwürfe gegen die Bundesregierung immer zu wiederholen. Und so dauert es nicht lange, bis die ersten Kriegsgegner abwandern. Die feurigen Reden von Vietnam-Veteran Dave Blalock und US-Kriegsdienstverweigerer Dave Carson hören nur noch wenige.