Von Steffen Liebendörfer
Ostermarsch in Heidelberg. Und parallel ein Nazimarsch durch Heidelberg - kann das gut gehen? Es kann. Rund 1000 Ostermarsch-Teilnehmer und 100 Nazis standen sich am Hauptbahnhof drei Stunden lang gegenüber. Doch ein Großaufgebot der Polizei verhinderte eine direkte Konfrontation zwischen den beiden Gruppen, und bis auf verbale Auseinandersetzungen verlief alles friedlich.
Zunächst sah es nach einem Flop aus: Nur wenige Hundert Demonstranten hatten sich um 12 Uhr zum Auftakt des Ostermarsches auf dem Bismarckplatz versammelt. Große Tafeln mit Bildern aus dem Irak vor dem Krieg und während des Krieges wiesen dabei eindringlich auf dessen verheerende Folgen hin. Doch während der ersten Reden vom Demo-Lastwagen aus stieg die Teilnehmerzahl stetig an. Einige hielten es schon nicht mehr aus und wollten mit Plakaten und Transparenten losmarschieren. Kurz nach halb eins setzte sich der Zug mit rund 1000 Menschen in Bewegung. Wegen eines drohenden Marschs rechtsextremer Gruppierungen durch Heidelberg wurde die ursprüngliche Demonstrationsroute geändert, um sich den am Hauptbahnhof aufmarschierten Neonazis entgegenzustellen. Je näher die Ostermarschierer dem Hauptbahnhof kamen, desto klarer wurde die Anspannung erkennbar. Dort hatten sich für 13 Uhr die Neonazis angekündigt.
"Für die Freiheit, für das Leben Nazis von der Straße fegen", brüllten linke Demonstrationsteilnehmer aus den ersten Reihen des Protestzuges provozierend in Richtung Hauptbahnhof, wo jedoch noch kein Rechter zu sehen war. Dann stoppte der Ostermarsch mitten auf der Kreuzung für eine Zwischenkundgebung. Das geplante Ostermarschprogramm wurde nun vorwiegend gegenüber dem Hauptbahnhof durchgeführt. Das hatte einen Grund: Solange die Ostermarschteilnehmer dort demonstrierten, durften die mittlerweile rund 100 Nazis nicht an der Polizei vorbei, die zwei Ringe um den Hauptbahnhof gezogen hatte, um Konfrontationen zu unterbinden. Vor anderthalb Jahren gab es noch böse Auseinandersetzungen.
Die Frage nach der Gesamtstärke des Polizeiaufmarsches wollte jedoch niemand eindeutig beantworten. Aus taktischen Gründen, um sich bei künftigen Nazimärschen nicht vorab ausrechnen zu lassen, wie Polizeisprecher Kurzer gegenüber der RNZ sagte. Es dürften gut und gern über 1000 Polizisten aus Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz gewesen sein. Nach Abzug des Ostermarsches hätten die Sicherheitskräfte die Rechten marschieren lassen müssen. Für beide Gruppen ging es darum, länger als die anderen durchzuhalten.
Zur Kritik der Ostermarschierer an den Amerikanern und Engländern: "Zum Einsatz kamen dabei international geächtete und besondere grausame Waffen, wie Streubomben, Vakuumbomben und uranhaltige Munition", hielt Joachim Guilliard vom Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg in seinem Redebeitrag den am Krieg beteiligten Mächten vor. Der Krieg sei jedoch nicht in wenigen Wochen erkämpft worden, sondern in dieser kurzen Zeit nur durch das zwölf Jahre lange Embargo möglich gewesen, so Guilliard.
Michael Csaszkóczy von der Antifaschistischen Initiative Heidelberg nahm die rund 100 am Haupteingang des Hauptbahnhofs versammelten Nazis ins Visier. "Das eigentliche Problem ist aber nicht dieses Häufchen von Straßenschlägern, die als groteske, wenn auch treffende Kopie der SA-Schlägertrupps hier vor dem Bahnhof aufmarschiert sind", spielte er die Rolle der Rechten herunter. Schlimmer sei die Beteiligung von Nazis an gesellschaftlichen Diskursen und dass sich Deutschland seit der Wiedervereinigung nach rechts bewegt habe. "Kein Wunder, dass die Nazis Morgenluft wittern, denn das müffelt wirklich sehr vertraut nach Volksgemeinschaft und deutscher Großmachtpolitik", kommentierte Csaszkóczy den "deutschen Weg" in der Weltpolitik.
Erst nach drei Stunden gaben die Neonazis auf. Gegen 16 Uhr machte sich der Demonstrationszug der Ostermarschierer auf den Weg zum US-Hauptquartier, wo er mit der Ansprache des Vietnamkriegsveteranen Dave Blalock an die US-Soldaten sowie der Umbenennung der Mark Twain Village endete. Die Wohnsiedlung wurde von den Teilnehmern der Demonstration in General Custer Village umbenannt, um den langjährigen Missbrauch des Namens eines engagierten Kriegsgegners zu beenden.
"Unser Protest richtet sich nicht gegen die Amerikaner insgesamt, sondern lediglich gegen die Präsenz bewaffneter Truppen in Heidelberg."