Von Kirsten Baumbusch
"Auch wenn ich seit über dreißig Jahren in Deutschland in Sicherheit und Frieden lebe, meldet sich dieser Konflikt Woche für Woche mit Hartnäckigkeit zurück." Das hat der Schriftsteller Rafik Schami (Foto: Palmyra-Verlag) einmal über den Palästinakonflikt gesagt. Derzeit ist es aber vor allem der Krieg im Irak, der den 57-Jährigen umtreibt. Viele Jahre hat Schami in Heidelberg verbracht. Deshalb hat er auch den Aufruf zum Ostermarsch für Kultur und für den Frieden unterschrieben, der am Samstag, 19. April, um 12 Uhr auf dem Bismarckplatz beginnt.
"Besatzung ist keine Befreiung", lautet der Tenor der Demonstration. Rafik Schami, der gebürtige Syrer, der heute zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren überhaupt gehört, kann leider nicht persönlich teilnehmen. Sein Sohn ist schwer erkrankt und hat hohes Fieber. Obwohl Rafik Schami seit geraumer Zeit mit seiner Familie in der Pfalz lebt, ist der Kontakt an den Neckar auch nach seiner Promotion in Chemie nie abgerissen, erzählt er im RNZ-Gespräch. So hat beispielsweise der in Heidelberg ansässige Palmyra Verlag kürzlich sein Tagebuch "Mit fremden Augen" veröffentlicht. Darin beschäftigt er sich auf sehr persönliche und zugleich poetische Weise mit dem 11. September, dem Palästinakonflikt und der arabischen Welt.
Mit seiner Unterschrift unter Aufrufe geht Rafik Schami normalerweise ziemlich sparsam um. Aber er findet auch, dass sich Autoren, die sich in den kriegerischen Auseinandersetzungen im Orient auskennen, nicht schmollend nach Hause zurückziehen und an ihrem neuesten Roman arbeiten, sondern ihre Stimme erheben sollten. Akribisch überprüft er aber stets die Absicht der Veranstalter. Eine Demonstration, die gegen den Krieg ist, aber auch Antiamerikanismus predigt, würde seine Unterstützung niemals finden. "Ich liebe das amerikanische Volk", sagt er.
Auch wenn sich die Amerikaner derzeit in einer Krise befänden, sei das noch lange kein Grund, den Hass zu predigen. Deshalb hatte er vorgestern noch inständig gehofft, dass das Verwaltungsgericht in Karlsruhe das Verbot der gleichzeitig anberaumten rechtsextremen Demo nicht aufhebt. Alles, was rassistisch und antisemitisch ist, ist Rafik Schami nämlich ein Gräuel. Grund zum Demonstrieren gibt es laut Schami noch genug. Obwohl viele glauben, das Schlimmste sei vorbei, sieht er noch großen Anlass zur Sorge. "Der Diktator ist gestürzt", das ist für Rafik Schami keine Frage, aber ihn stimmt nachdenklich, dass die Kulturgüter geplündert wurden und dass die Schiiten bislang die Teilnahme an allen Sitzungen einer Übergangsregierung boykottieren. "Die Schiiten stellen die Mehrheit der Bevölkerung", gibt der Schriftsteller zu bedenken, "wenn die nicht eingebunden werden, droht Bürgerkrieg."
Jeden Tag mehrmals telefoniert er derzeit mit seiner Schwester, die in Damaskus lebt. "Wenn in Syrien auch noch eine Front aufbricht, steht die ganze Gegend in Flammen", fürchtet Schami. Er hält es für durchaus möglich, dass die amerikanische Regierung tatsächlich eine neue "Geografie des Orients" in die Tat umsetzen möchte.
In der arabischen Welt hat er im Wesentlichen drei Verhaltensweisen auf den Fall des Regimes Saddam Husseins ausgemacht. Während die Regierenden "Schiss haben" vor den Amerikanern, hat die normale Bevölkerung Angst vor Plünderungen und Anschlägen. Im Aufwind sehen sich laut Rafik Schami die Fundamentalisten. Er glaubt, dass die versuchen werden, wie schon 1967 und 1991 aus einer totalen Niederlage Kapital zu schlagen. 1967 war es die PLO, die aus einer in der Niederlage radikalisierten Gruppe entstand und zu den Waffen griff, in den neunziger Jahren das Netzwerk Osama bin Ladens.
Er selbst habe nie daran gezweifelt, dass es den amerikanischen und britischen Streitkräften gelingen würde, den Gegner in die Knie zu zwingen. Doch dass Demokratie und Freiheit in ein Volk "hineinbombardiert" werden könnten, daran hegt er doch ernsthafte Zweifel. Obwohl Rafik Schami richtig stolz ist auf Gerhard Schröder und Jacques Chirac, sieht der Schriftsteller aber auch bei den Europäern in der Vergangenheit viele Versäumnisse. "Geschäft ist nicht alles", moniert er die jahrzehntelang gepflegte Einstellung, die Diktatoren regelrecht zu hofieren und aufzurüsten, wenn nur die Kasse stimmt.