[home] [Überblick "Panorama"] 
zu: Panorama - "Spenden für den Terror"

Michael Schiffmann
Übersetzer/Herausgeber/Autor

An
An das
NDR Fernsehen
Redaktion PANORAMA
Hugh-Greene-Weg 1
22529 Hamburg

Betr.: Interviews in Heidelberg

Sehr geehrter Damen und Herren,

mit äußerstem Befremden musste ich gerade eben folgende Zeilen lesen:

Spenden für den Terror - Deutsche unterstützen Attentäter im Irak
Donnerstag, 11. Dezember, 21.45 Uhr

Fast kein Tag vergeht, an dem nicht Menschen im Irak durch Anschläge getötet werden. Die Opfer: irakische Zivilisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, italienische Carabinieri, japanische Diplomaten, spanische Geheimdienstler – und vor allem amerikanische Soldaten. Das Morden hört nicht auf – und bringt dem Land statt Frieden und Freiheit nur Tränen, Wut und Chaos.
Trotzdem findet der neue Terror Unterstützung – ausgerechnet in der deutschen Friedensbewegung. "10 Euro für den irakischen Widerstand", lautet der Titel einer gerade gestarteten Kampagne. Schon für 40 Euro könne man eine Kalaschnikow kaufen – so werben Friedensaktivisten aus mehreren deutschen Städten und anderen europäischen Staaten um Spenden. Das Geld wollen sie der "Irakischen Patriotischen Allianz" (IPA) zur Verfügung stellen. Die IPA hat sich aber auf die Fahnen geschrieben, Attentate gegen Amerikaner im Irak durchzuführen - und arbeitet dabei auch mit Anhängern des ehemaligen Folterregimes von Saddam Hussein zusammen.
Spenden aus Deutschland für Anschläge im Irak – PANORAMA über kriegerische Ansichten innerhalb der deutschen Friedensbewegung.
(siehe http://www.ndrtv.de/panorama/20031211/irak.html)

Offenbar will sich Panorama bei diesem vollkommen realitätsfernen Beitrag auch auf Aufnahmen und Interviews stützen, die der Journalist John Goetz am ersten Dezember in Heidelberg bei der wöchentlichen Mahnwache gegen Krieg und Terror drehen ließ.

So wahrheitswidrig und entstellend ihre Sendung offenbar zu sein beabsichtig, so wahrheitswidrig waren auch die Angaben des Herrn Goetz, der an besagtem Drehtermin behauptete, für die Sendung Monitor zu drehen, offenbar in der Absicht, sich das Vertrauen der Menschen zu erschleichen, die nun auch mit Hilfe seines Materials diffamiert werden sollen.

So hat Herr Goetz bei seinen Aufnahmen auch den mir persönlich (wir haben zusammen zwei Bücher über den Irak herausgegeben) bestens bekannten Friedensaktivisten Joachim Guilliard interviewt. Herr Guilliard erzählte mir unmittelbar nach diesem Interview, wie Herr Goetz ihn immer wieder gedrängt habe, über seine Stellung zum bewaffneten Widerstand gegen die Besatzung und die Unterstützung dieses Widerstandes durch die Friedensbewegung zu sprechen, obwohl für Herrn Guilliard ganz andere Themen wichtig waren und er gerne den tatsächlichen Kern der Friedensarbeit in Heidelberg und anderswo dargelegt hätte.

Bei ihnen mag so etwas als "investigativer" Journalismus gelten; ich dagegen kann in dieser plumpen Methode, bei der Leute erst darüber belogen werden, wo und wofür das gesammelte Material verwendet werden soll, und wo man sich sodann nicht für ihre tatsächlichen Ansichten interessiert, sondern sie dazu drängt, möglichst "scharfe" und "pikante" Aussagen zu machen, die man dann weiterhin ihres Zusammenhangs entkleidet, nur niedersten Schmierenjournalismus erkennen.

Die Unterstützung des bewaffneten Widerstandes im Irak ist in der Friedensbewegung im allgemeinen und der Friedensbewegung in Heidelberg im besonderen eine absolute Marginalie, über die praktisch niemand diskutiert, nicht weil das Thema so geheim wäre, sondern weil so irrelevant.

Es stimmt, dass es in Wien - und vielleicht auch anderswo - eine Gruppe gibt, die die von ihnen erwähnte Sammlung durchführt. Das ist ihr gutes Recht, denn nach dem Völkerrecht ist bewaffneter Widerstand gegen eine unprovozierte und daher illegale Besatzung legitim. Statt nun aber seriös zu untersuchen, wer diese Sammlung durchführt und die entsprechenden Leute nach ihrer Meinung zu befragen, versuchen die Zuträger ihrer Sendung, diese Praxis und Meinung anderen unterzuschieben und ein Thema, das rational, offen und ehrlich diskutiert werden kann, in Sensationsmache, Schaumschlägerei und Verleumdung zu verwandeln.

Zu einer rationalen Diskussion würde für diejenigen, die die Ankündigung der Panorama-Sendung verfasst haben, auch gehören, einmal ihre eigenen stillschweigenden Prämissen zu untersuchen. "Das Morden hört nicht auf - und bringt dem Land statt Freiheit und Frieden nur Tränen, Wut und Chaos", heißt es da.

Ist es wirklich in erster Linie oder auch nur in wesentlichem Maß das von Ihnen summarisch so bezeichnete "Morden" bewaffneter anti-US-amerikanischer Kräfte, die im übrigen ideologisch höchst unterschiedlich ausgerichtet sind, das den Irak der Freiheit und des Friedens beraubt und Tränen, Wut und Chaos bringt?

Was ist mit den mindestens 18.000, nach auf Zahlen aus dem Pentagon basierenden Schätzungen aber bis zu 70.000 Irakis, 10.000 davon Zivilisten, die im unprovozierten Krieg der USA ums Leben kamen? Was mit ihren Angehörigen? Was mit den Hunderttausenden von Verwundeten? Was mit der brutalen Missachtung der Menschenrechte durch die Besatzungsmacht, Tausenden von ohne Prozess und unter furchtbaren Bedingungen festgehaltenen Gefangenen? Was für Gefühle von "Freiheit" löst der angeblich als Protoregierung fungierende, in Wahrheit aber völlig machtlose "Irakische Regierungsrat" unter den Irakis aus?

Könnte es sein, dass gerade das und vieles andere mit Frieden und Freiheit sehr wenig zu tun hat, aber eine Menge Tränen, Wut und Chaos auslöst und hervorruft? Über solche Fragen könnte ernsthaft und sachlich diskutiert werden, und in diesem Zusammenhang könnte auch die Frage nach Recht und Unrecht, Sinn und Unsinn bewaffneten Widerstandes gegen die Besatzung im Irak gesprochen werden.

Voraussetzung wäre allerdings ein Mindestmaß an Seriosität und Bereitschaft, die entsprechenden Positionen auch zu Wort kommen zu lassen, statt sie zu entstellen, ja, teilweise auf den Kopf zu stellen. Eine Seriosität und Bereitschaft, die Ihnen ganz offenkundig fehlt.

Sie haben mich bei der oben angesprochenen Mahnwache teilweise gefilmt (und offenbar auch im umgangssprachlichen Sinn "gefilmt"). Ich untersage Ihnen, dieses Material zu verwenden, da es unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zustandegekommen ist und ich in Kenntnis der wahren Sachlage meine Zustimmung zu diesen Aufnahmen nicht gegeben hätte. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang gleich darüber aufklären, dass ich mir gerichtliche Schritte vorbehalte.

Zur Vermeidung solcher Schritte fordere ich Sie auf, mir bis zum 11. Dezember um 12 Uhr per Mail an die oben angegebene Adresse zu bestätigen, dass keine Aufnahmen von mir Ihren Sendungen verwendet werden. Zur Erleichterung dieser Aufgabe finden Sie anbei ein Bild von mir.

Ich erwarte ferner von Ihnen, dass Sie zu diesem Schreiben in der gebotenen Ausführlichkeit Stellung nehmen. Unabhängig davon werde ich auch andere Medienorgane - warum zum Beispiel nicht vielleicht Monitor - von ihren fragwürdigen Praktiken in Kenntnis setzen.

Seriöse Informationen zu dem von Ihnen auf RTL-Niveau herabgezogenen Thema finden sich in dem dieser Tage erscheinenden Band von Rüdiger Göbel, Joachim Guilliard und Michael Schiffmann (Hg.), "Der Irak - Krieg, Besetzung, Widerstand", Papyrossa Verlag, Köln. Der Ankündigung ihrer Sendung entnehme ich, dass es Ihnen nicht schlecht anstünde, ihre Nase einmal in dieses Buch zu stecken, statt Unrat zu erschnüffeln, wo keiner ist oder wo sie selbst ihn hingelegt haben.

Mit gesunkener Hochachtung,

Michael Schiffmann

Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg,
Freiheit für Mumia Abu-Jamal Heidelberg.