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Bericht zur Veranstaltung des Heidelberger Friedensratschlags
"Irak unter Besatzung Welche Strategien hat die Friedensbewegung?"
Rhein-Neckar-Zeitung
06./07. März 2004
"Wie hältst Du es mit der Gewalt?"
Die Gretchenfrage der Friedensbewegung erhält in Heidelberg eine neue Aktualität
Von Kirsten Baumbusch
"Wie hältst Du es mit der Gewalt?" So lautet wohl schon seit altersher die Gretchenfrage der Friedensbewegung. Während die einen die Ansicht vertreten, Gewalt sei grundsätzlich zu ächten, argumentieren andere, dass gewaltsamer Widerstand unter bestimmten Bedingungen durchaus legitim sein könne. Pünktlich zum Jahrestag des Kriegsbeginn im Irak am 20. März ist dieses Thema auch in Heidelberg wieder hoch gekocht.
"Irak unter Besatzung Welche Strategien hat die Friedensbewegung?" So hatte der Heidelberger Friedensratschlag, der sich als Reaktion auf den 11. September gegründet hat, seine Veranstaltung in der Volkshochschule überschrieben. "Man kann den Terrorismus nicht mit Krieg bekämpfen", so erklärt Renate Wanie vom Friedensratschlag, was die Menschen damals zusammenbrachte. Ganz ähnlich argumentiert sie auch im Hinblick auf den Irak. Aus der Gewaltspirale auszusteigen sei eine Grundvoraussetzung für Frieden.
Und das gilt ihrer Ansicht nach für alle. Eine Unterscheidung in gute und böse Gewalt könne es schließlich nicht geben. Natürlich weiß auch Renate Wanie, dass Demokratie nicht zu verordnen ist und die Mittel, von außen auf die Vorgänge im Irak einzuwirken begrenzt sind. Doch ganz so machtlos, wie sich viele Anhänger der Friedensbewegung vorkommen, seien sie auch nicht. Es müsse, so meint sie, ein globaler, vernetzter Widerstand gegen die Besatzung des Irak organisiert werden. Dazu gehöre beispielsweise die politische Forderung, dass die Erträge der irakischen Ölquellen den Irakern zugute kommen, das Anprangern von westlichen Industriekonzernen, die an Waffenexporten verdienen, und der Widerstand gegen Nato-Einsätze in dem arabischen Land.
Im Prinzip sieht das Joachim Guilliard vom Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg ähnlich. Nur signalisiert er deutlich mehr Verständnis dafür, dass die Menschen im Irak immer häufiger zu Waffen greifen, um Widerstand zu leisten. Man dürfe nicht vergessen, in welcher trostlosen Lage sich die Menschen dort befinden.
1000 Iraker kommen jede Woche gewaltsam zu Tode, so Guilliard. Das sind 25 Mal so viele wie vor dem Krieg. Die Kindersterblichkeit habe sich glatt verdoppelt, wusste auch Annette Schiffmann vom Forum zu berichten. Noch immer fehlen überall Medikamente und Nahrungsmittel. Die Amerikaner wollten nicht nur die Todesstrafe wieder einführen, sondern hätten auch in friedliche Demonstrationen hineingeschossen. Schiffmann räumt deshalb wie Guilliard den geschundenen Menschen das Recht ein, "sich ihrer Haut zu wehren".
Der Wortführer des hiesigen Antikriegsforums Guilliard war im Dezember in die Schlagzeilen geraten, als das ARD-Magazin "Panorama" über ihn berichtete. Der Autor der linken Zeitschrift "Junge Welt", so hieß es damals, habe dazu aufgerufen, den Widerstand im Irak zu unterstützen. Er selbst gab gegenüber der RNZ zu, dass er kein reiner Pazifist sein und schon früher die Kampagne "Waffen für El Salvador" unterstützt habe.
Das sieht Jürgen Grässlin ganz anders. Der in Freiburg lebende Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft unterstreicht, dass es seiner Ansicht nach keine legitime Form des militärischen Widerstandes gibt. Die Friedensbewegung dürfe ihren Anspruch, das Völkerrecht auf ihrer Seite zu haben, nicht leichtfertig verspielen. Auch gewaltfreier Widerstand, das habe Ghandi bewiesen, sei nicht harm- und wirkungslos. "Was die Menschen im Irak brauchen, sind keinesfalls Waffen", so der Pazifist, "da gibt es schon viel zu viel davon."