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Freitag - 25. Juni 2004 - 20.00 Uhr

Der Irak
Auf dem Weg zur liberalen Demokratie oder zur kolonialen Diktatur?

mit Sabah Alnasseri, Politologe, Exil-Iraker, Frankfurt
Joachim Guilliard, Autor, Heidelberg

im Gumbelraum, Karlstorbahnhof Heidelberg

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Am 30. Juni 2004 soll die Besatzung des Irak offiziell enden. Die Besatzungsmächte haben eine irakische Interimsregierung eingesetzt und einen Übergangsprozess definiert, der innerhalb von 18 Monaten dazu führen soll, dass eine verfassungsmäßige neue Regierung gewählt en soll. Mit Resolution 1546 akzeptierte der UN-Sicherheitsrat die Pläne der USA und ihrer Verbündeten.

Die meisten Mitglieder der neuen Regierung sind Vertraute Washingtons. Der Regierungschef Ijad Allawi steht, wie mindestens 7 weitere Minister, schon seit vielen Jahren auf der Gehaltsliste der USA und hat in den 90er Jahren Bombenanschläge im Irak organisiert.

Diese Marionettenregierung hat nur sehr geringe Befugnisse. Sie erhält weder die Kontrolle über die Wiederaufbaugelder und Öleinkünfte, noch über die US-geführten Gefängnisse und Lager. Die irakische Justiz wird – ungeachtet aller Folterberichte – auch zukünftig weder Einfluss auf die Gefangenschaft irakischer Bürger haben, noch die Möglichkeit, Verbrechen von Besatzungssoldaten auf irakischem Territorium zu verfolgen – von Schadensersatz für die angerichteten Schäden ganz zu schweigen. Da dieser Regierung untersagt ist, die von der Besatzungsbehörde erlassenen Gesetze zu ändern, bleibt auch der Erlass in Kraft, der US-Amerikanern Immunität vor Strafverfolgung durch irakische Gerichte garantiert.

Mehr als 200 "Ratgeber" aus den USA bleiben nach dem 30. Juni als "Berater" in den irakischen Ministerien und garantieren für eine US-konforme Politik.

Dennoch hat der Sicherheitsrat einer Resolution zugestimmt, die diese Regierung als souverän anerkennt, die fortgesetzte Stationierung von über 150.000 Besatzungstruppen legitimiert und die irakischen Sicherheitskräfte dem US-amerikanischen Oberkommando unterstellt. Nach den völkerrechtlich gleichfalls mehr als fragwürdigen Resolutionen 1483 und 1511 ist dies die dritte massive Hilfestellung der im Sicherheitsrat mit tonangebenden Staaten Frankreich, Russland und Deutschland, für die Staaten, die den Irak unter Bruch des Völkerrechts überfallen haben. Sie sichern damit diesen die weitgehende und langfristige Kontrolle über das eroberte Land zu.

Regiert werden wird das Land in Wahrheit vom neuen Botschafter John Negroponte und einem Stab von 1.700 Mitarbeitern aus der zur Festung ausgebauten Botschaft der USA im Zentrum Bagdads, unterstützt – neben der US-Armee – von einer US-geführten neuen irakischen Geheimpolizei und paramilitärischen Einheiten zur Bekämpfung des Widerstands.

Die UN-Resolution verlangt bis spätestens 31. Januar 2005 Wahlen zu einer gewählten Übergangsregierung. Unabhängig davon, ob diese tatsächlich stattfinden werden, wurden schon erste Vorbereitungen getroffen, unliebsame Kandidaten auszuschließen. Nach einem Erlass Bremers, sind alle Angehörige "illegaler" bewaffneter Organisationen für mindestens drei Jahre von allen öffentlichen Ämter ausgeschlossen, unabhängig davon, ob sie sich für Eingliederung in den Übergangsprozess entscheiden würden.

Da die tatsächliche Macht im Land offensichtlich weiterhin bei den USA liegt, wird auch der Widerstand weiter anwachsen. Kann die Entwicklung daher tatsächlich Souveränität und Demokratie bringen oder droht dem Irak eine US-hörige, koloniale Diktatur? Welche Gründe gibt es für Deutschland und Frankreich die US-Besatzungspolitik politisch so massiv zu unterstützen? Wird in naher Zukunft die NATO – und damit auch die deutsche Bundeswehrsoldaten – im Irak aktiv sein?

Über diese und andere Fragen sprechen der in Frankfurt lebende Iraker Sabah Alnasseri und Joachim Guilliard, Mitautoren des Anfang des Jahres bei PapyRossa erschienen Buches "Der Irak, Krieg, Besatzung, Widerstand".

Veranstalter: Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg, VVN/BdA HD, DGB-Arbeitskreis Frieden, Bunte Linke HD

Infos und Kontakt: Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg
c/o:Friedensladen ? Karlstor1 ? 69117 HD ? Tel.: 06221/978927 ? www.antikriegsforum-heidelberg.de