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Die Strategie der Friedensbewegung bezüglich der Besetzung des Iraks durch die USA ist eindeutig: sie lehnt die Fortsetzung des Krieges unter der Besatzung ab und fordert die Beendigung der widerrechtlichen Besatzung. Um das zu erreichen macht die Friedensbewegung Aktionen: zuletzt die Aktionen zum Jahrestag des Kriegsbeginns der USA gegen den Irak, und auch die Ostermärsche standen im Zeichen dieser Forderungen.
Auf dem Ostermarsch 2004 in Karlsruhe sagte Dieter Lachenmaier, Geschäftsführer des Friedensnetzes Baden-Württemberg:
"Vor einem Jahr war unter der Überschrift »Geschichte wird gemacht« in den Friedensblättern eine kühne These zu lesen : »Die politische Zukunft von Aznar, Blair, Bush Merkel und anderen« so stand dort, sei nur deshalb »noch nicht besiegelt, weil es in ihren Ländern an personellen Alternativen zur herrschenden Logik des Krieges mangelt«.
In Spanien wurde der erste Posten dieser Liste nun erfolgreich abgearbeitet."
"Vor einem Jahr fanden die massivsten Aktionen und Proteste gegen den Krieg statt. Noch nie in der Geschichte gab es eine so starke, weltweit aktive und wie ich meine sogar erfolgreiche Friedensbewegung.
Nicht, daß wir den Krieg hätten verhindern können. Aber wir haben Spuren hinterlassen. Wir können selbstbewußt sein. Wir sind eine Kraft, ein politischer Faktor mit dem gerechnet werden muss und auf den gezählt werden kann. Die politischen Kosten künftiger Kriege sind gestiegen." (siehe: http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/bewegung/Ostermarsch2004/karlsruhe.html )
Und der neue Ministerpräsident Spaniens hat sich angesichts des wachsenden Widerstandes im Irak gezwungen gesehen, seinen Wahlversprechen Taten folgen zu lassen: Mit Datum 19.4.2004 hat er den Rückzug der spanischen Truppen aus dem Irak befohlen.
Nicht jeder Rückblick fällt so optimistisch aus. Entsprechend entwickelt sich daraus eine andere Strategie. So fragte sich Stephan Philipp, Chefredakteur der Mitgliederzeitschrift "ZivilCourage", in der Ausgabe 2004/1 zum Schluß seines Schwerpunktthemas: "Welche Friedensbewegung wollen wir?".
Vorausgegangen war eine Sendung des Fernsehmagazins Panorama, die fälschlicherweise den Eindruck erweckte, Teile der deutschen Friedensbewegung würden direkt den militärischen irakischen Widerstand unterstützen.
Jürgen Grässlin, einer der Bundessprecher der DfG-VK reagierte prompt. Schon am Tag nach der Sendung ließ er verbreiten, dass die Friedensbewegung ausschließlich auf gewaltfreien Widerstand setze und dass Vertreter anderer Positionen nicht zur Friedensbewegung gehören.
Auf dem Höhepunkt der gemeinsamen Aktionen der Friedensbewegung vor dem Irakkrieg wäre niemand auf die Idee gekommen, die Frage zu stellen, ob Teile der Friedensbewegung den Irakern bei dem bevorstehenden Angriff das Recht auf Widerstand auch mit militärischen Mitteln zugestehen – nachdem der Krieg nicht verhindert werden konnte und der große Erfolg ausblieb, soll den Irakern Gegenwehr gegen das eingedrungene Militär nur noch gewaltlos also ohne Waffen moralisch erlaubt sein. Für andere Meinungen sei in der Friedensbewegung kein Platz mehr.
Dass das Fernsehmaganzin Panorama an einer solchen Sicht Interesse hat ist leicht erklärlich, aber warum zieht sich Jürgen Grässlin diesen Schuh an, ohne Panorama auch nur mit einem Wörtchen zu kritisieren?
Statt sich auf die Rechtswidrigkeit und die Verbrechen der US-Besatzung im Irak zu konzentrieren, vermeinte er hinter jedem Flugblatt und hinter jeder Rede bestimmter Teile der Friedensbewegung den Belzebub der Befürwortung von Gewaltanwendung entdecken zu müssen. Auch Arundhati Roy mußte daran glauben. Kaum hatte sie ihre Rede in Mumbai gehalten, erschien unmittelbar am nächsten Tag eine scharfe, distanzierende Pressemitteilung Jürgen Grässlins.
Wie reagierte er bei den inzwischen über 700 Toten in Falludscha von Ostern 2004? Sofortige empörte Reaktionen des Bundessprechers der DfG-VK an die Presse verbunden z.B. mit einer Aufforderung an die Bunderegierung, gegen dieses Verhalten der USA zu protestieren? Fehlanzeige. Bis heute habe ich dazu keine Pressemitteilung von Jürgen Grässlin oder Felx Oekentorp gesehen.
In ihrer Rede hat sich Arundhati Roy nicht vom irakischen Widerstand distanziert, aber – als anerkannte Persönlichkeit – nicht nur der Friedensbewegung sondern auch der Antiglobalisierungsbewegung ein engagiertes und außerordentlich kluges, absolut gewaltfreies Widerstandskonzept vorgelegt, und was ist die Reaktion des pazifistischen Grässlin? Statt den Verdrehungen von Panorama auf den Leim zu gehen und eine Arundhati Roy zu verunglimpfen, wäre es nicht für die ZivilCourage wesentlich angemessener gewesen, das Widerstandkonzept von Arundhati Roy im einzelnen zu diskutieren? Nach einer Besprechung dieses Konzepts sucht man in der "ZivilCourage" vergebens.
Welche Friedensbewegung wollen wir? Eine, die innere Konflikte aufbaut und sich mehr mit sich selbst beschäftigt als auch noch für Falludscha Worte zu haben oder eine, die stark ist, weil sie die verschiedenen Meinungen und Sichten nicht zum Anlass der Trennung macht sondern über alle Meinungsunterschiede hinweg das Gemeinsame und eine gemeinsame Handlungsfähigkeit sucht?
Es gibt unterschiedliche Widerstandskonzepte. Um sie diskutieren zu können müssen sie aber korrekt dargestellt werden. Grässlin, Oekentorp und Stefan Philipp tun das nicht, wenn sie die Unterschiede so platt darstellen: hier absolute Gewaltfreiheit – dort Terror, Mord und Totschlag.
Wir wollen Meinungsstreit aber keine Spaltungsversuche.