So sieht ein Guerillakrieg aus

von Maria Tomchick
ZNet 30.06.2003

Während es jetzt offensichtlich wird, dass das Pentagon kein festes Konzept entwickelt hat, wie der Nachkriegsirak regiert werden soll, hat jemand anderes bestimmt Pläne entworfen, wie man die US-Herrschaft sabotiert.

Vor Beginn des Krieges beharrten die Militärstrategen darauf, einen Plan für die Zeit nach dem Ende der Kampfhandlungen zu haben. Ihr Plan bestand darin, sich auf Saddam Hussein und seine Führungsmannschaft zu stürzen, ihn zu ergreifen oder ihn zu töten und die Verwaltungsbeamten auf der mittleren Ebene, die städtischen Beamten und die Polizeikräfte im Amt zu belassen, um das Land zu regieren. Das Pentagon erwartete, dass das Militär sich weigern würde zu kämpfen, Saddam mit einem Staatsstreich loszuwerden und die Macht über die Sicherheitslage im Irak aufrechtzuerhalten, so dass die US-Truppen in Bagdad einmarschieren und eine neue Regierung errichten könnten.

Keiner dieser optimistischen Pläne hat wie erwartet funktioniert. Während sich nämlich der Kongress langsam für die Geheimdienstdaten des CIA und der Defense Intelligence Agency zu interessieren beginnt und nach den Leuten sucht, die die irakischen Massenvernichtungswaffen zu hoch einschätzten, hat noch niemand daran gedacht, Anhörungen zu machen, um festzustellen, welcher Militärplaner oder welcher hohe Regierungsbeamter aus der Bush-Administration uns in einen Krieg geführt hat, dessen langfristige Planung einem Harry-Potter-Roman ähnelt.

Als die US-Truppen während der Invasion vordrangen, verließen die Funktionäre der Baath Partei und Angehörige der Polizei ihre Posten, versteckten sich und hinterließen Chaos und Plünderungen. In vielen kleinen Dörfern, besonders im von Schiiten bewohnten Süden, wurden Funktionäre der Baath Partei getötet oder von den Dorfbewohnern, deren Hass auf Saddam besonders stark war, aus ihren Ämtern entfernt. Mächtige in den Orten ansässige Familien oder Scheichs übernahmen ihre Ämter, bauten sich eine eigene Miliz auf und provozierten Fehden zwischen den einzelnen Stämmen. Als die amerikanischen und britischen Truppen ihre Angriffe und Hausdurchsuchungen verstärkten, hat die Verwirrung, welche Milizen welche Städte und Stadtbezirke kontrollieren, zu Angriffen und Überfällen aus dem Hinterhalt gegen US- und britische Truppen geführt, dazu gehört auch Schusswechsel bei dem letzte Woche sechs britische Soldaten getötet wurden.

Die Sicherheit und die Plünderungen bleiben die einzigen großen Probleme für die US-Übergangsbehörde. Wenn die Sicherheitsprobleme gelöst würden, wären Hilfsorganisationen in der Lage, Nahrungsmittel in den Irak zu bringen und zivile Bauunternehmen könnten die zerstörte Infrastruktur wiederaufbauen. Am 19. Juni gab die US Agency for International Development (USAID) einen Bericht heraus, in dem mitgeteilt wurde, dass die Sicherheit im Hafen von Umm Qasr, der ersten Stadt, die eingenommen und von den Invasionsstreitkräften "gesichert" wurde, ein "großes Problem" bleibe und "noch problematischer geworden" sei. USAID berichtete, dass bewaffnete Männer sackweise Mehl direkt von einem der Schiffe mit Hilfsgütern, die im Hafen festmachen, gestohlen hätten (was übrigens eine sehr billige und effiziente Vorgehensweise zur Ernährung einer Guerillaarmee ist).

Die zunehmende Sabotage irakischer Öl- und Gaspipelines ist ein noch größeres Problem. Im Irak läuft fast alles mit Öl und Gas. Die wichtigsten Stromkraftwerke werden mit Öl betrieben, die wiederum alles von Wasserwerke über Eisfabriken bis Benzinpumpen an Tankstellen antreiben. In der Zwischenzeit pumpt exportiertes Öl dringend gebrauchtes Geld in die irakische Wirtschaft; die Bush Administration hatte gehofft, dass die Wiederaufnahme der Ölexporte das meiste Geld für den Wiederaufbau liefern würde.

Ursprünglich schätzte die Bush Administration, dass die Ölexporte innerhalb von zwei Wochen nach Ende des Krieges wieder auf das Vorkriegsniveau gebracht werden könnten. Die Frist wurde dann auf Mitte Juni verschoben. Jetzt sind jedoch zwei Monate vorbei seit George Bush das Ende der größten Feindseligkeiten im Irak erklärte und die Ölproduktion ist kaum hoch genug, um die Versorgung im Inneren zu sichern. Es hat sich herausgestellt, dass der Vertrieb fast unmöglich geworden ist.

Am Tag, als die USA die Wiederaufnahme der irakischen Ölexporte vom türkischen Hafen Ceyhan aus bekannt gab, wurde die wichtigste Pipeline für den Export zwischen den Ölfeldern im Norden und Ceyhan bombardiert. Das Öl aus dem Norden kann nicht in den Süden nach Umm Qasr befördert werden, weil die wichtigste Pipeline bei einem Bombenangriff der Amerikaner während des Krieges zerstört wurde und frühestens bis zum Ende des Jahres repariert wird. Am 23. Juni machten Saboteure eine Pipelineverbindung ausfindig, die unterirdisch ca. 180 Meter entfernt von der Hauptstraße vom Irak nach Syrien verläuft. Sie gruben ein Loch, bis sie die Rohrleitung erreichten, befestigten daran Sprengstoff und sprengten ein Loch in die Pipeline, die Öl von den Feldern im Norden nach Syrien und dem Libanon befördert und schnitten somit die Exporte vom Norden wirkungsvoll ab.

Die Felder in Rumaila im Süden, von denen man erwartet hatte, dass sie sofort Exportöl produzieren würden, haben sich als unstabil erwiesen. Weitverbreitete und systematische Plünderungen haben die nahe gelegenen Wasserpumpstationen ernsthaft beschädigt. (Wasser wird in Ölquellen gespritzt zur Erzeugung von ausreichendem Druck, um das Öl hochzupumpen und Salz aus dem Öl zu spülen, damit es raffiniert werden kann). Mitarbeiter des Bauunternehmens Halliburton sind überzeugt, dass die Plünderungen als Sabotageakte beabsichtigt waren und nicht, um wirtschaftlichen Gewinn zu machen. Einer der Mitarbeiter sagte: "Es hat andere Anschläge auf Einrichtungen gegeben, die sinnlos erscheinen, außer dass sie die Entwicklung des Ölsektors aufhalten."

Aber die Sabotageakte sind noch weiter gegangen. Am 22. Juni traf eine Explosion die Hauptpipeline, die die Ölfelder im Süden mit Dura, der wichtigsten Raffinerie Bagdads verbindet. Darauf folgende Anschläge in der vergangenen Woche haben Gasleitungen beschädigt, die Elektrizitätswerke, die den gesamten mittleren Irak, einschließlich die Hauptstadt, beliefern. Die Einwohner Bagdads und der Umgebung leiden seit dem 23. Juni an dem vollständigen Ausfall von Strom, fließendem Wasser, Klimaanlagen und Kühlungen, während die Tagestemperaturen im mittleren Irak auf 43° Celsius gestiegen sind.

Zusätzlich sind die Manager der öffentlichen Dienstleistungsbetriebe unter Druck geraten. Am 24 Juni wurde die Leiterin eines Kraftwerks, das des Westen Bagdads versorgt, in ihrem Haus ermordet und der Bagdader Direktor eines Reparaturbetriebes für Elektrizitätsanlagen wurde von einer Granate mit Raketenantrieb getroffen, als er in einem bewachten Konvoi fuhr, um westliche Journalisten zu treffen, mit denen er die über Elektrizitätsprobleme der Stadt diskutieren wollte.

Derartig gut koordinierte und sachkundige Anschläge passieren nicht zufällig. Sie weisen, trotz gegenteiliger Behauptungen von Regierungsbeamten im Pentagon, auf eine Guerillabewegung hin. Und trotz koordinierter Durchsuchungsaktionen der US-Truppen in den Städten und Dörfern im "Sunni Belt" (dem Gebiet in dem in der Mehrheit Sunniten leben) westlich und nördlich von Bagdad., steigt die Zahl der täglichen Angriffe gegen US-Soldaten, allein an einem einzigen Tag in der vergangen Woche wurden 25 verschiedene Überfälle aus dem Hinterhalt und Angriffe gemeldet.

Wer steckt hinter diesen Angriffen? Der Pentagon behauptet, dass Reste von Saddams Milizen und Anhänger der Baath Partei die Schuldigen seien. Aber die "Theorie von einzelnen Widerstandsnestern" erscheint schwach, selbst wenn man die Erklärungen des Pentagon zu diesem Thema genau untersucht. "Was einst nach Zufall aussah, scheint jetzt irgendwie organisiert zu sein", gestand ein hoher Regierungsbeamter der Washington Post. Ein "loses Netzwerk" bewaffneter Kämpfer, die früher Saddam Husseins Sicherheitsagenturen angehörten, hätten eine Gruppe namens "Die Rückkehr" gebildet, diese würde von reichen sunnitischen Familien finanziell unterstützt, behaupten andere Regierungsbeamte. Zwei andere Milizen - Die Schlangenpartei und Die Neue Rückkehr - werden auch als Verdächtige zitiert.

Andere Gruppen sind auf der Bildfläche erschienen und haben die Verantwortung für Anschläge gegen US-Truppen übernommen. Die libanesische Fernsehgesellschaft LBC TV strahlte ein Video aus, das von einer Gruppe, die sich Irakische National Front der Fedajin nennt, gemacht wurde. Die Irakischen Widerstandsbrigaden schickten eine Erklärung an Al-Jazeera und erklärten sich verantwortlich für alle Anschläge, die seit Ende des Krieges gegen die Besatzungstruppen ausgeführt wurden. US-Regierungsbeamte geben zu, dass "muslimische Organisationen, Waffenschmuggler und andere normale Kriminelle sowie Iraker, die sich für den Tod ihrer Angehörigen durch Amerikaner rächen wollen, an Anschlägen gegen die US-Streitkräfte beteiligt sind." (Washington Post 22.06.2003)

Aber Zivilisten, die versuchen sich an amerikanische Truppen zu rächen, sind nicht für die strategische Zerstörung der Infrastruktur verantwortlich, die zufälligerweise immer zu dem Zeitpunkt geschieht, wenn wichtige politische Stellungnahmen der US-Übergangsbehörde veröffentlicht werden. Am Tag, nach dem Paul Bremer vor dem Weltwirtschaftsforum in Jordanien sprach und verkündete, er würde einseitig irakischen Nationalbesitz an private ausländische Konzerne verkaufen, sprengten Saboteure die Gasleitung, die Bagdad und den mittleren Irak von der Stromzufuhr abschnitt. Diese Aktion bereitet die Bühne für einen größeren Aufstand in den nächsten Tag vor, da die Einwohner beginnen unter der sengenden Hitze, Durst, Hunger (durch den Mangel an Kühlanlagen) zu leiden, und krank werden, wenn sie Wasser aus den verschmutzten Flüssen und stehenden Gewässern trinken oder darin baden.

Es wird deutlich, dass jemand einen Plan für den Irak hat, aber hierbei handelt es sich nicht um die Bush Administration.

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Die Arbeiten von Maria Tomchick sind auf folgenden Wesite veröffentlicht worden: Alternet, ZNet, the CounterPunch, MotherJones.com und AntiWar.com. Sie ist außerdem Mitherausgeberin und Redakteurin der Zeitschrift "Eat the State", einer zweiwöchentlich erscheinenden antiautoritären politisch-humoristischen Zeitung, die in Seattle herausgegeben wird.
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Quellen:

"Thefts Plague U.S. Contractors' Efforts in Iraq," Jackie Spinner, Washington Post, 6/20/03, www.washingtonpost.com/ac2/wp-dyn/A14326-2003Jun19?language=printer
"Fire, Explosions Hit Iraq-Turkey Pipeline," Michael Georgy and Steve Bryant, Reuters, 6/13/03 "Iraqi Pipeline Blast and Fire Are Laid to Sabotage," Neela Banerjee, New York Times, 6/14/03, www.nytimes.com
"Key Iraq Pipeline Won't Reopen Before Year's End," Keith Johnson, Wall Street Journal, 6/18/03, A14
"Attack on fuel pipeline in western Iraq: oil official," Agence France Presse, 6/23/03
"Explosion in Iraqi oil pipeline, residents claim sabotage," Agence France Presse, 6/22/03.
"Rash of Pipeline Fires Is Keeping Workers Busy," Neela Banerjee, New York Times, 6/23/03, www.nytimes.com/2003/06/24/international/worldspecial/24OIL.html
"Iraq Pipelines Easy Targets for a Sabateur," Warren Vieth and Alissa J. Rubin, Los Angeles Times, 6/25/03, www.latimes.com
"Gunmen shoot dead Baghdad power-station boss; Explosion damages oil pipeline," Agence France Presse, 6/25/03
"U.S. soldier killed, 8 hurt in attack," Ellen Barry and Rebecca Bou Chebel, Boston Globe, http://www.boston.com/dailyglobe2/178/nation/US_soldier_killed_8_hurt_in_attackP.shtml
"Facing Well-Planned Attacks, U.S. Alters Tactics to Military Sweeps," Bradley Graham, Washington Post, 6/18/03, A16
"Attacks in Iraq Traced to Network," Daniel Williams, Washington Post, 6/22/03, Al
"Unknown Iraqi Group Vows to Kill U.S. Soldiers," Reuters, 6/23/03
"Four killed in new clashes in Baghdad, London warns of lack of security," Agence France Presse, 6/18/03
"Overseer in Iraq Vows to Sell Off Government-Owned Companies," Edmund L. Andrews, New York Times, 6/23/03, www.nytimes.com

 

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[ Übersetzt von: Tony Kofoet | Orginalartikel: "This Is What A Guerilla War Looks Like" ]