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Widerstand gegen den wirtschaftlichen Krieg im Irak

Greg Muttitt *)
Corporate Watch, Newsletter Issue 23 April/May 2005
 
Nach den Wahlen Ende Januar scheint der Weg offen zur Privatisierung der größten und wichtigsten Werte des Irak. Großbritannien und die USA betreiben ihre Politik auf der Regierungsebene sehr bedacht. Doch könnten die Arbeiter der Ölindustrie für die Besatzer des Irak ein größere Hindernis werden.
 
Zwei Jahre nach der Invasion des Irak kann man leicht zynisch werden. Jeden Tag werden wir mit neuen Nachrichten über Gewalt im Irak bombardiert, über die Unehrlichkeit unserer Regierung und die schnelle Privatisierung des Landes.
 
Das Treffen mit Hassan Jama'a Awad, dem Generalsekretär der Basra Öl Gewerkschaft [1], war für diese Gefühle ein wirkliches Gegengift. In Hassan fand ich die Quelle der Hoffnung, das die Dinge im Irak sich doch zum Besseren ändern  können.
 
Die Basra Ölgewerkschaft, die keine politische und religiöse Anbindungen hat, ist  in der größten Industrie des Irak eine machtvolle Kraft. Sie vertritt 23 000 Arbeiter in der Ölindustrie im Süden des Irak. Sie entstand aus der Gewerkschaft der Südlichen Ölgesellschaft und verbindet jetzt zehn Gewerkschaftsausschüsse in neun irakischen Ölgesellschaften aus Basra, Amara und Nassiriyah.
 
"Die Meinung aller (irakischen) Ölarbeiter ist, dass sie gegen Privatisierung sind", stellt Hassan fest. " Wir sehen die Privatisierung als wirtschaftlichen Kolonialismus. Die Besatzungsbehörde behauptet,  dass die Privatisierung unsere Branche entwickeln würde und nützlich sei. Aber wir sehen das überhaupt nicht als Entwicklung; wir sehen in jedem Plan zur Privatisierung des Ölsektor eine große Katastrophe."
 
Die Souveränität über die Ölreserven ist der Schlüssel für die zukünftige Entwicklung des Irak, sagt Hassan. "Das Öl muss in den Händen der Iraker bleiben, denn Öl ist die einzige nationale Ressource mit großem Wert, die wir besitzen und unsere Wirtschaft hängt davon ab."
 
Während das das langfristige Ziel der Gewerkschaft ist, hat sie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder einige bemerkenswerte Erfolge erstritten.
 
Gleich nach ihrer Gründung zu Beginn  der Besatzung, im April 2003, begann die Gewerkschaft der Südlichen Ölfelder entschlossen mit der Organisierung der Ölarbeiter, um die Macht der Arbeiter zu stärker, damit mit dem Management verhandelt werden konnte. Am 10. August des gleichen Jahres organisierte die Gewerkschaft einen Streik, mit dem drei Tage lang der Ölexport der größten irakischen Ölgesellschaft gestoppt wurde.
 
Im September 2003 gab der US-Verwalter Paul Bremer einen Befehl aus, der die Lohnstufen für alle Beschäftigten des öffentlichen Sektors festlege. Bremers neue Lohnskala war nicht nur auf das Niveau der Saddam Zeit abgesenkt, sie beseitigte auch entscheidende Zuschläge, wie auch Gewichtungen von Arbeit in abgelegenen Gegenden oder unter gefährlichen Bedingungen.
 
Die niedrigste Stufe auf Bremers Lohnskala waren gerade einmal 69,000 ID (US $ 40-45) pro Monat. „Man hat bei einem solchen Lohn noch nicht einmal genug Geld, um zu essen,“ unterstreicht Hassan. Die Miete für ein billiges Haus kostet normalerweise 50 000 Dinar im Monat. Die SOC Gewerkschaft gab deshalb eine von ihr empfohlene Lohnstabelle  heraus, die die wirklichen Lebenshaltungskosten zur Grundlage hatte. 
 
Aus Angst vor einem weiteren Streik nahm der Regierende Rat (Gouverning Council, GC) mit der Gewerkschaft Verhandlungen auf und gab im Januar 2004 nach. Die drei untersten Lohngruppen in Bremers Skala wurden abgeschafft.  Der Mindestlohn für Ölarbeiter betrug 102 000 Dinar. Außerdem wurden wieder Risiko und Ortszuschläge eingeführt, was für viele Arbeiter eine deutliche Erhöhung war.
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Die SOC Gewerkschaft  übte auch auf die ausländischen Ölkonzerne Druck aus. 2003 wurde eine Tochtergesellschaft von Halliburton, Kellogg Brown and Root (KBR) bestellt, um die irakischen Ölanlagen wieder aufzubauen. Im Süden beauftragte KBR die kuwaitische Baugesellschaft Al Khorafi als Subunternehmer. Sie brachte 1200 ausländische Arbeiter mit, die meisten aus Asien, obwohl es im Irak einen ungeheure Arbeitslosigkeit gibt.
 
Die Gewerkschaft organisierte vor den Büros von Al Khorafi eine Demonstration. Panzer der Besatzungsmächte rollten auf die Protestierenden zu. Trotzdem blieben die Tapfersten. Und in den darauffolgenden Diskussionen stimmte die Gesellschaft zu, 1000 Arbeiter durch Iraker zu ersetzen.
 
Der Kampf um die Kontrolle und das Eigentum am irakischen Öl dauert weiter an. Hassan macht sich keine Illusionen über die Gründe der amerikanischen und britischen Invasion seines Landes. „Als die britischen Truppen nach Basra kamen, beschützten sie die Ölanlagen, aber überließen die Krankenhäuser und Universitäten den Plünderern“.
 
Und er fügt hinzu „Es gibt in diesem Krieg zwei Stadien. Erst die militärische Besatzung. Dann der wirtschaftliche Krieg und die Zerstörung der irakischen Wirtschaft“.
 
Irak hat die zweitgrößten Ölreserven der Welt, aber diese waren seit den 1970ern für die westlichen Konzerne verboten. Mit dem Rückgang der Möglichkeiten anderswo, wollen die Konzerne jetzt unbedingt wieder zurück in den Irak.
 
Das Öl war ein Sektor, der aus den Massenprivatisierungen ausgenommen war, die 2003 und 2004 von der Besatzungsbehörde (Coalition Provision Authority) angeordnet wurden. Während Halliburton von den Besatzungsbehörden einen Vertrag für die Durchführung kurzzeitige  Reparaturen an den Ölanlagen bekam, wurden die Verhandlungen für größere Ölförderverträge auf später verschoben.
 
Die meisten Ölkonzerne sagten, dass sie bis nach den Wahlen warten wollten, ehe sie irgend einen größeren Vertrag unterzeichnen. Sie wollten sicher zu gehen, dass sie eine rechtliche Absicherung haben, die nicht von einem internationalen Gerichtshof in Frage gestellt werden kann. Dem entspricht auch, dass der Ölminister Thamer Ghadban im Oktober 2004 in einem Interview mit der internen Zeitschrift von Shell sagte, dass 2005 das „Jahr des Dialogs mit den internationalen Ölgesellschaften“ sein werde.
 
Die Besatzungsmächte haben ständig das Argument vorgebracht, dass der Irak Technologie, Expertise und Kapital von den westlichen Ölkonzernen braucht, um sein Öl und damit seine Wirtschaft zu entwickeln.
 
Doch der Irak hat eine lange Geschichte in der Ölproduktion. Er hat unter seinen Arbeitern bedeutende Fähigkeiten entwickelt. „ Wir sind auch vollkommen fähig unsere eigenen Betriebe wieder aufzubauen, weil wir ein hohes Niveau an Expertise und technologischen Fähigkeiten haben“ sagt Hassan. „Ja, wir wollen unsere Betriebe und Fertigkeiten entwickeln, aber wir können unsere Land ohne Privatisierung wieder aufbauen.“
 
Während der Irak eine starke Basis an technischen Fähigkeiten hat, haben die 12 Jahre Sanktionen dazu geführt, dass nur wenig moderne Ölindustrie -Technologie vorhanden ist. Aber Hassan glaubt, dass man das bekommt, indem man ausländische Gesellschaften anstellt. (im Rahmen von sogenannten Dienstleistungsvereinbarungen, in denen der Staat als Kunde die Kontrolle hat. Solch ein Modell ist in anderen Staaten des Mittleren Ostens schon gebräuchlich. „Ich habe keine Angst für ausländischen Firmen, die hereinkommen und uns dann wieder verlassen. Unter dem Gesichtspunkt der Weiterentwicklung  kann uns eine ausländische Firma mit einigen Fähigkeiten und Ressourcen versehen, aber die Leitung der Entwicklung muss vom irakischen Volk kontrolliert werden.“ 
 
Diese letzte Bedingung ist es, die in Widerspruch zu den amerikanischen und britischen Plänen gerät. Wenn sie davon reden, dass Ölgesellschaften Investitionen einbringen, dann meinen sie langfristige Produktions-Verträge.
 
Gesellschaften wie Shell sind während der gesamten Besatzungszeit  dafür eingetreten, eine Vertragsform zu nutzen, die als Production Sharing Agreements (PSAs) bekannt ist. Und es scheint , dass sie damit einen gewissen Erfolg hatten.
 
Im September 2004 versuchte der von den USA eingesetzte Übergangsministerpräsident Ayad Allawi den Januar - Wahlen und der Verfassungsgebung vorzugreifen, in dem er die irakische Ölpolitik selbst auf einen Weg setzte. In einer Reihe von Richtlinien, die als Grundlage einer zukünftigen Ölpolitik formuliert wurden, stellte er dar, dass alle neuen irakischen Ölreserven von ausländischen multinationalen Konzernen durch PSAs entwickelt werden sollten, und dass die nationale Ölgesellschaft, die die bestehenden Ölfelder leitet, teilweise privatisiert werden sollte. Dann bemerkte er noch, dass diese Ziele nicht im irakischen Parlament debattiert werden sollen und dass es ein langsamer Prozess sein würde.
 
Auch wenn eine solche Einbindung ausländischer Konzerne die Entwicklung der irakischen Reserven beschleunigen würde, würde das gleichzeitig dazu führen, dass ein großer Teil der Erträge nicht im Land bliebe. Und was genauso wichtig ist, der Irak würde die Kontrolle über die Entwicklung verlieren und auch einen Teil seiner Gesetzgebungs- und Regulierungsmacht. PSAs legen üblicherweise für 25 bis 50 Jahre fest, wer die Ölerträge bekommt, und beschränken das Recht der Regierung des Gastgeber neue Gesetze zu beschließen, die die Profitabilität für die Konzerne während dieser Periode einschränken.
 
Auch wenn die PSAs in vielen kleinen ölproduzierenden Ländern genutzt werden, gibt es sie in keinem der größeren Ölproduzenten des Mittleren Osten. Inzwischen sind in Russland (einem anderen großen Ölland), nur drei PSAs unterzeichnet, alle Anfang der 1990er. Sie sind so kontrovers, dass wahrscheinlich keine weiteren unterschrieben werden. International werden die PSAs in wachsendem Maße kritisiert, wegen des unfairen Deals für die Gastländer. Wenn der Iraks PSAs unterzeichnet, würde er unterschreiben, dass seine besten Entwicklungschancen abhanden kommen.
 
Hassan Juma’a und seine Kollegen sind sicher, dass sie sich weiterhin gegen solche Entwicklungen stellen werden. Wenn man ihre bisherigen Erfolge sieht, könnten die Arbeiter in der irakischen Ölindustrie diejenigen sein, die die Pläne des Westens, sich diese Reserven unter den Nagel zu reißen, aufhalten können. Aber die große Chance für einen Erfolg der Ölarbeiter liegt in der internationalen Unterstützung.
 
Hassan endet mit dem Appell. „Wir hoffen, dass alle Aktivisten in England an der Seite unseres Kampfes stehen. Damit würdet Ihr dem irakischen Volk einen großen Dienst erweisen. Wir werden uns immer daran erinnern.“

*) Greg Muttitt arbeitet für PLATFORM, eine Organisation, die für soziale  und Umweltgerechtigkeit kämpft
Original: „Resisting the economic war in Iraq“
Quelle:  http://archive.corporatewatch.org/newsletter/issue23/part13.htm
Übersetzt von Stefanie Haenisch, stefanieht@gmx.de
 

[1] mittlerweile in „Allgemeine Gewerkschaft der Beschäftigten im Ölsektor“ (General Union of Oil Employees) GUOE umbenannt.