Nach den Wahlen Ende Januar scheint der Weg offen zur
Privatisierung der größten und wichtigsten Werte des Irak.
Großbritannien und
die USA betreiben ihre Politik auf der Regierungsebene sehr bedacht.
Doch
könnten die Arbeiter der Ölindustrie für die Besatzer des Irak ein
größere
Hindernis werden.
Zwei Jahre nach der Invasion des Irak kann man leicht
zynisch werden. Jeden Tag werden wir mit neuen Nachrichten über Gewalt
im Irak
bombardiert, über die Unehrlichkeit unserer Regierung und die schnelle
Privatisierung
des Landes.
Das Treffen mit
Hassan Jama'a Awad, dem Generalsekretär der Basra Öl Gewerkschaft [1],
war für diese Gefühle ein wirkliches Gegengift. In Hassan fand ich die
Quelle
der Hoffnung, das die Dinge im Irak sich doch zum Besseren ändern
können.
Die Basra Ölgewerkschaft, die keine politische und
religiöse Anbindungen hat, ist in der
größten Industrie des Irak eine machtvolle Kraft. Sie vertritt 23 000
Arbeiter
in der Ölindustrie im Süden des Irak. Sie entstand aus der Gewerkschaft
der
Südlichen Ölgesellschaft und verbindet jetzt zehn
Gewerkschaftsausschüsse in
neun irakischen Ölgesellschaften aus Basra, Amara und Nassiriyah.
"Die Meinung aller (irakischen) Ölarbeiter ist, dass
sie gegen Privatisierung sind", stellt Hassan fest. " Wir sehen die
Privatisierung als wirtschaftlichen Kolonialismus. Die
Besatzungsbehörde behauptet, dass die Privatisierung unsere
Branche
entwickeln würde und nützlich sei. Aber wir sehen das überhaupt nicht
als
Entwicklung; wir sehen in jedem Plan zur Privatisierung des Ölsektor
eine große
Katastrophe."
Die Souveränität über die Ölreserven ist der Schlüssel
für die zukünftige Entwicklung des Irak, sagt Hassan. "Das Öl muss in
den
Händen der Iraker bleiben, denn Öl ist die einzige nationale Ressource
mit
großem Wert, die wir besitzen und unsere Wirtschaft hängt davon ab."
Während das das langfristige Ziel der Gewerkschaft ist,
hat sie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder einige
bemerkenswerte Erfolge erstritten.
Gleich nach ihrer Gründung zu Beginn der Besatzung, im April
2003, begann die
Gewerkschaft der Südlichen Ölfelder entschlossen mit der Organisierung
der
Ölarbeiter, um die Macht der Arbeiter zu stärker, damit mit dem
Management
verhandelt werden konnte. Am 10. August des gleichen Jahres
organisierte die
Gewerkschaft einen Streik, mit dem drei Tage lang der Ölexport der
größten
irakischen Ölgesellschaft gestoppt wurde.
Im September 2003 gab der US-Verwalter Paul Bremer einen
Befehl aus, der die Lohnstufen für alle Beschäftigten des öffentlichen
Sektors
festlege. Bremers neue Lohnskala war nicht nur auf das Niveau der
Saddam Zeit
abgesenkt, sie beseitigte auch entscheidende Zuschläge, wie auch
Gewichtungen
von Arbeit in abgelegenen Gegenden oder unter gefährlichen Bedingungen.
Die niedrigste Stufe auf Bremers Lohnskala waren gerade
einmal 69,000 ID (US $ 40-45) pro Monat. „Man hat bei einem solchen
Lohn noch
nicht einmal genug Geld, um zu essen,“ unterstreicht Hassan. Die Miete
für ein
billiges Haus kostet normalerweise 50 000 Dinar im Monat. Die SOC
Gewerkschaft
gab deshalb eine von ihr empfohlene Lohnstabelle heraus, die die
wirklichen Lebenshaltungskosten zur Grundlage
hatte.
Aus Angst vor einem weiteren Streik nahm der Regierende
Rat (Gouverning Council, GC) mit der Gewerkschaft Verhandlungen auf und
gab im Januar 2004 nach. Die drei untersten Lohngruppen in Bremers
Skala wurden
abgeschafft. Der Mindestlohn für Ölarbeiter
betrug 102 000 Dinar. Außerdem wurden wieder Risiko und Ortszuschläge
eingeführt, was für viele Arbeiter eine deutliche Erhöhung war.
.
Die SOC Gewerkschaft
übte auch auf die ausländischen Ölkonzerne Druck aus. 2003 wurde eine
Tochtergesellschaft von Halliburton, Kellogg Brown and Root (KBR)
bestellt, um
die irakischen Ölanlagen wieder aufzubauen. Im Süden beauftragte KBR
die
kuwaitische Baugesellschaft Al Khorafi als Subunternehmer. Sie brachte
1200
ausländische Arbeiter mit, die meisten aus Asien, obwohl es im Irak
einen
ungeheure Arbeitslosigkeit gibt.
Die Gewerkschaft organisierte vor den Büros von Al
Khorafi eine Demonstration. Panzer der Besatzungsmächte rollten auf die
Protestierenden zu. Trotzdem blieben die Tapfersten. Und in den
darauffolgenden
Diskussionen stimmte die Gesellschaft zu, 1000 Arbeiter durch Iraker zu
ersetzen.
Der Kampf um die Kontrolle und das Eigentum am irakischen
Öl dauert weiter an. Hassan macht sich keine Illusionen über die Gründe
der
amerikanischen und britischen Invasion seines Landes. „Als die
britischen
Truppen nach Basra kamen, beschützten sie die Ölanlagen, aber
überließen die
Krankenhäuser und Universitäten den Plünderern“.
Und er fügt hinzu „Es gibt in diesem Krieg zwei Stadien.
Erst die militärische Besatzung. Dann der wirtschaftliche Krieg und die
Zerstörung der irakischen Wirtschaft“.
Irak hat die zweitgrößten Ölreserven der Welt, aber diese
waren seit den 1970ern für die westlichen Konzerne verboten. Mit dem
Rückgang
der Möglichkeiten anderswo, wollen die Konzerne jetzt unbedingt wieder
zurück
in den Irak.
Das Öl war ein Sektor, der aus den Massenprivatisierungen
ausgenommen war, die 2003 und 2004 von der Besatzungsbehörde (Coalition
Provision Authority) angeordnet wurden. Während Halliburton von den
Besatzungsbehörden einen Vertrag für die Durchführung kurzzeitige
Reparaturen an den Ölanlagen bekam, wurden
die Verhandlungen für größere Ölförderverträge auf später verschoben.
Die meisten Ölkonzerne sagten, dass sie bis nach den
Wahlen warten wollten, ehe sie irgend einen größeren Vertrag
unterzeichnen. Sie
wollten sicher zu gehen, dass sie eine rechtliche Absicherung haben,
die nicht
von einem internationalen Gerichtshof in Frage gestellt werden kann.
Dem
entspricht auch, dass der Ölminister Thamer Ghadban im Oktober 2004 in
einem
Interview mit der internen Zeitschrift von Shell sagte, dass 2005 das
„Jahr des
Dialogs mit den internationalen Ölgesellschaften“ sein werde.
Die Besatzungsmächte haben ständig das Argument
vorgebracht, dass der Irak Technologie, Expertise und Kapital von den
westlichen Ölkonzernen braucht, um sein Öl und damit seine Wirtschaft
zu
entwickeln.
Doch der Irak hat eine lange Geschichte in der
Ölproduktion. Er hat unter seinen Arbeitern bedeutende Fähigkeiten
entwickelt.
„ Wir sind auch vollkommen fähig unsere eigenen Betriebe wieder
aufzubauen,
weil wir ein hohes Niveau an Expertise und technologischen Fähigkeiten
haben“
sagt Hassan. „Ja, wir wollen unsere Betriebe und Fertigkeiten
entwickeln, aber
wir können unsere Land ohne Privatisierung wieder aufbauen.“
Während der Irak eine starke Basis an technischen
Fähigkeiten hat, haben die 12 Jahre Sanktionen dazu geführt, dass nur
wenig
moderne Ölindustrie -Technologie vorhanden ist. Aber Hassan glaubt,
dass man
das bekommt, indem man ausländische Gesellschaften anstellt. (im Rahmen
von
sogenannten Dienstleistungsvereinbarungen, in denen der Staat als Kunde
die Kontrolle hat. Solch ein Modell ist in anderen Staaten des
Mittleren Ostens
schon gebräuchlich. „Ich habe keine Angst für ausländischen Firmen, die
hereinkommen und uns dann wieder verlassen. Unter dem Gesichtspunkt der
Weiterentwicklung kann uns eine
ausländische Firma mit einigen Fähigkeiten und Ressourcen versehen,
aber die
Leitung der Entwicklung muss vom irakischen Volk kontrolliert
werden.“
Diese letzte Bedingung ist es, die in Widerspruch zu den
amerikanischen und britischen Plänen gerät. Wenn sie davon reden, dass
Ölgesellschaften Investitionen einbringen, dann meinen sie langfristige
Produktions-Verträge.
Gesellschaften wie Shell sind während der gesamten
Besatzungszeit dafür eingetreten, eine
Vertragsform zu nutzen, die als Production Sharing Agreements (PSAs)
bekannt
ist. Und es scheint , dass sie damit einen gewissen Erfolg hatten.
Im September 2004 versuchte der von den USA eingesetzte
Übergangsministerpräsident Ayad Allawi den Januar - Wahlen und der
Verfassungsgebung vorzugreifen, in dem er die irakische Ölpolitik
selbst auf
einen Weg setzte. In einer Reihe von Richtlinien, die als Grundlage
einer
zukünftigen Ölpolitik formuliert wurden, stellte er dar, dass alle
neuen
irakischen Ölreserven von ausländischen multinationalen Konzernen durch
PSAs
entwickelt werden sollten, und dass die nationale Ölgesellschaft, die
die
bestehenden Ölfelder leitet, teilweise privatisiert werden sollte. Dann
bemerkte er noch, dass diese Ziele nicht im irakischen Parlament
debattiert
werden sollen und dass es ein langsamer Prozess sein würde.
Auch wenn eine solche Einbindung ausländischer Konzerne
die Entwicklung der irakischen Reserven beschleunigen würde, würde das
gleichzeitig dazu führen, dass ein großer Teil der Erträge nicht im
Land
bliebe. Und was genauso wichtig ist, der Irak würde die Kontrolle über
die
Entwicklung verlieren und auch einen Teil seiner Gesetzgebungs- und
Regulierungsmacht. PSAs legen üblicherweise für 25 bis 50 Jahre fest,
wer die
Ölerträge bekommt, und beschränken das Recht der Regierung des
Gastgeber neue
Gesetze zu beschließen, die die Profitabilität für die Konzerne während
dieser
Periode einschränken.
Auch wenn die PSAs in vielen kleinen ölproduzierenden
Ländern genutzt werden, gibt es sie in keinem der größeren
Ölproduzenten des
Mittleren Osten. Inzwischen sind in Russland (einem anderen großen
Ölland), nur
drei PSAs unterzeichnet, alle Anfang der 1990er. Sie sind so
kontrovers, dass
wahrscheinlich keine weiteren unterschrieben werden. International
werden die
PSAs in wachsendem Maße kritisiert, wegen des unfairen Deals für die
Gastländer. Wenn der Iraks PSAs unterzeichnet, würde er unterschreiben,
dass
seine besten Entwicklungschancen abhanden kommen.
Hassan Juma’a und seine Kollegen sind sicher, dass sie
sich weiterhin gegen solche Entwicklungen stellen werden. Wenn man ihre
bisherigen Erfolge sieht, könnten die Arbeiter in der irakischen
Ölindustrie
diejenigen sein, die die Pläne des Westens, sich diese Reserven unter
den Nagel
zu reißen, aufhalten können. Aber die große Chance für einen Erfolg der
Ölarbeiter liegt in der internationalen Unterstützung.
Hassan endet mit dem Appell. „Wir hoffen, dass alle
Aktivisten in England an der Seite unseres Kampfes stehen. Damit würdet
Ihr dem
irakischen Volk einen großen Dienst erweisen. Wir werden uns immer
daran
erinnern.“
*) Greg Muttitt arbeitet für PLATFORM, eine
Organisation, die für soziale und
Umweltgerechtigkeit kämpft
Original: „Resisting the economic war in Iraq“
Quelle:
http://archive.corporatewatch.org/newsletter/issue23/part13.htm
Übersetzt von Stefanie Haenisch,
stefanieht@gmx.de
[1] mittlerweile in „Allgemeine Gewerkschaft der
Beschäftigten im
Ölsektor“ (General Union of Oil Employees) GUOE umbenannt.