FREITAG 14, 28.03.2003
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Robin Cook: Warum ich das Kabinett verlassen musste

MILITÄRISCH EIN ABENTEUER UND DIPLOMATISCH EIN DESASTER - Der britische Parlamentsminister Robin Cook begründet seinen Rücktritt

Ich bin zurückgetreten, weil ich glaube, dass ein fundamentales Prinzip der Außenpolitik der Labour Party verletzt wurde. Wenn wir an eine internationale Gemeinschaft glauben, die auf verbindlichen Regeln und Institutionen beruht, dann können wir sie nicht einfach beiseite schieben, wenn sie zu Ergebnissen führt, die uns nicht gefallen.

Ich kann keinen Krieg verteidigen, für den es weder ein internationales Mandat noch die Unterstützung im eigenen Lande gibt. Die unermüdlichen Bemühungen des Premierministers und des Außenministers, eine zweite Resolution herbeizuführen, habe ich begrüßt. Da nun diese Versuche gescheitert sind, können wir nicht einfach so tun, als wenn diese zweite Resolution ohne Bedeutung wäre.

In der letzten Zeit haben wir Frankreich mit völlig unangemessener Kritik überzogen, obwohl Frankreich nicht allein mehr Zeit für Inspektionen forderte. Auch Deutschland und Russland sind gegen unseren Kurs. Zu keinem Zeitpunkt hatten wir eine Mehrheit für eine zweite Resolution. Wir täuschen uns über die Breite des internationalen Widerstands gegen die Militäraktion, wenn wir Präsident Chirac allein verantwortlich machen.

In Wirklichkeit begeben wir uns in einen Krieg, für den es in allen internationalen Institutionen, an denen wir führend beteiligt sind, an Unterstützung mangelt. Weder die NATO noch die EU und auch nicht der Sicherheitsrat haben zugestimmt. Sich in einer solchen diplomatischen Isolation wiederzufinden, ist ein ernsthafter Rückschritt. Noch vor einem Jahr waren wir und die Vereinigten Staaten Teil einer Koalition gegen den Terrorismus, die breiter und vielfältiger war, als ich mir vorher je hätte vorstellen können. In späteren Zeiten wird man erstaunt sein über die diplomatischen Fehlkalkulationen, mit denen diese mächtige Koalition so schnell aufgelöst worden ist.

Großbritannien ist keine Supermacht. Unsere Interessen werden am besten verteidigt, wenn wir nicht auf unilaterale Aktionen, sondern auf multilaterale Übereinkünfte und weltweit geltende Regeln setzen. Genau diese für uns so wichtigen Partnerschaften sind aber nun geschwächt. Die Europäische Union ist geteilt. Der Sicherheitsrat ist blockiert. All dies sind schwere Verluste, die bereits vor dem Krieg eingetreten sind.

Die Schwelle für einen Krieg sollte immer besonders hoch liegen. Niemand von uns kann voraussagen, wie viele zivile Tote die Bombardierung des Irak mit sich bringen wird. Aber die Ankündigung der Vereinigten Staaten, auf »Schock und Schrecken« zu setzen, lässt vermuten, dass Tausende Zivilisten umkommen werden. Die militärische Stärke des Irak ist höchstens noch halb so groß wie zur Zeit des letzten Golfkriegs. Ironischerweise ist es gerade diese Schwäche, die dazu führt, dass wir eine Invasion überhaupt in Erwägung gezogen haben. Und genau deshalb sind einige davon ausgegangen, dass der Krieg schon in wenigen Tagen vorbei sein könne.

Wir können nicht in unserer Militärstrategie darauf setzen, dass Saddam schwach ist, und gleichzeitig unseren Krieg damit begründen, dass Saddam eine ernsthafte Bedrohung darstellt. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat der Irak keine Massenvernichtungswaffen im herkömmlichen Sinne, also Waffen, mit denen weit entfernt liegende urbane Ziele getroffen werden können. Wahrscheinlich hat der Irak noch B- und C-Waffen, die, wenn überhaupt, nur unmittelbar an der Front eingesetzt werden könnten. Aber diese Waffen hat das Land bereits seit den achtziger Jahren, als die Vereinigten Staaten Milzbranderreger und die britische Regierung Anlagen zur Herstellung von Chemiewaffen an den Irak verkauften.

Warum ist es ausgerechnet jetzt so dringend, militärische Gewalt einzusetzen, um im Irak Potenziale zu vernichten, die es dort bereits seit 20 Jahren gibt und zu deren Aufbau wir beigetragen haben? Und warum ist es nötig, gerade jetzt auf einen Krieg zu setzen, da doch die Ambitionen von Saddam durch die Präsenz der UN-Inspekteure zunichte gemacht werden können?

Man sagt, der Irak hätte zwölf Jahre Zeit für die Abrüstung gehabt, und nun sei unsere Geduld erschöpft. Was ist das für ein Argument, wenn man bedenkt, dass die Resolution 242, die Israel aufruft, die besetzten Gebiete zu verlassen, bereits seit 30 Jahren besteht. Trotz der fortdauernden Weigerung Israels, sich an diese Resolution zu halten, gibt es offenbar gegenüber diesem Land keinerlei Ungeduld. Besonders beunruhigt hat mich während der vergangenen Wochen der Verdacht, dass wir niemals auf die Idee gekommen wären, britische Soldaten in den Irak zu schicken, wenn es in Florida ein anderes Wahlergebnis gegeben hätte und Al Gore gewählt worden wäre.

Ich glaube, die Stimmung der britischen Öffentlichkeit ist vernünftig. Es gibt keinen Zweifel, dass Saddam Hussein ein brutaler Diktator ist. Aber kaum einer ist überzeugt, dass er für Großbritannien eine Gefahr darstellt. Die meisten Menschen wollten, dass die Inspektionen weitergehen. Sie haben den Verdacht, dass sie übereilt in einen Konflikt verwickelt wurden, in dem die US-Regierung nur ihre eigenen Ziele verfolgt. Sie wollen nicht, dass Großbritannien an einem militärischen Abenteuer teilnimmt, für das es keine breite internationale Koalition gibt und die von vielen unserer traditionellen Verbündeten strikt abgelehnt wird.

Viele Kommentatoren haben gesagt, dass das Unterhaus seine zentrale Rolle in der britischen Politik verloren hat. Nichts könnte eine solche Meinungen besser widerlegen als ein Parlament, das sich weigert, britische Truppen in einen Krieg zu schicken, der keine internationale Legitimation hat und keine nationale Unterstützung findet.

In der britischen Zeitung The Guardian hat Robin Cook seinen Rücktritt begründet.

Übersetzung aus dem Englischen: Hans Thie