Peter Strutynski

Querschüsse: Die UCK ist an einem Verhandlungsergebnis nicht wirklich interessiert - Und die USA?

Es geht nicht nur um die Sprache und um eine neue Verfassung, es geht um die Zerschlagung Makedoniens

Seit einem Monat verhandeln Vertreter der albanischen Minderheit und die Regierung Makedoniens über Verfassungs- und andere Rechtsfragen, die den Albanern mehr Rechte im Staat einräumen als bisher. Dazu gehört insbesondere das Recht, das Albanische als zweite Amtssprache zu verwenden - zumindest in den Gebieten, in denen die Albaner eine qualifizierte Minderheit ausmachen. Dazu gehört eine "angemessene" Präsenz der Albaner im Öfffentlichen Dienst, vor allem in den Sicherheitskräften. Und dazu gehört auch die Veränderung des Verfassungsartikels, der bisher nur von einem "makedonischen" Staatsvolk ausging.

Worum geht es in den Verhandlungen?

Grundlage der Verhandlungen, die im Juli in Skopje, im August in Ohrid geführt wurden, ist ein Papier, das auf Vorschlägen des französischen Verfassungsrechtlers Robert Badinter beruht. Neben prinzipiellen Vereinbarungen wie dem Verzicht auf Waffengewalt, der territorialen Integrität und einer Verankerung des multi-ethnischen Charakters Makedoniens werden darin Vorschläge für eine bessere politische und gesellschaftliche Repräsentation der ethnischen Minderheiten im Allgemeinen aufgeführt. Hier geht es also um eine stärkere Integration der Albaner.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 10. Juli außerdem davon, dass ein neues Gesetz über die Stärkung der lokalen Selbstverwaltung vorgesehen sei. Dies würde einen größeren Gestaltungsspielraum auch für Gemeinden bedeuten, in denen vorwiegend Albaner leben. Auf der Grundlage einer Volkszählung sollen zudem unter internationaler Beteiligung die bisherigen lokalen Grenzen überarbeitet werden. Des weiteren sei vorgesehen, dass bisherige Ungleichgewichte in der personellen Zusammensetzung der öffentlichen Verwaltung zugunsten unterrepräsentierter Minderheiten ausgeglichen werden sollen. Vor allem bei den Polizeikräften sollen die Bevölkerungsverhältnisse angemessen berücksichtigt werden. Bei parlamentarischen Wahlverfahren, zum Beispiel für die Besetzung des Verfassungsgerichts, wird ein zweiteiliger Schlüssel angeregt: Für ein Drittel der Richter soll neben der absoluten Mehrheit des Parlaments auch mindestens die Hälfte der Stimmen jener Abgeordneten notwendig sein, die einer ethnischen Minderheit angehören. Ähnliche Quoten sind bei Verfassungsänderungen sowie bei Abstimmungen vorgesehen, die kommunale Kompetenzen oder kulturelle oder sprachliche Interessen einer Minderheit betreffen.

Besonders schwierig gestalteten sich die Verhandlungen um den offiziellen Gebrauch der albanischen Sprache. Konkrete Vorschläge gingen z.B. dahin, dass Schüler künftig in ihrer Muttersprache unterrichtet werden können. Mit der geplanten Möglichkeit zur Gründung privater Universitäten sollte zudem das Recht einhergehen, die Lehrsprache frei zu wählen. An den staatlichen Universitäten sollen ebenfalls Modalitäten geschaffen werden, andere Sprachen als Makedonisch zu verwenden. Wenn eine Minderheit in einer Gemeinde mindestens 20 Prozent der Bevölkerung stellt, sollen deren Mitglieder das Recht haben, sich an öffentliche Institutionen in ihrer Muttersprache zu wenden. In solchen Gemeinden soll die Sprache der Minderheit zudem als zusätzliche offizielle Sprache anerkannt werden.

Die UCK will mehr als nur staatliche Anerkennung der albanischen Sprache

Man sollte meinen, dass vieles von dem, was hier verhandelt wurde, relativ leicht umsetzbar wäre, wenn alle Beteiligten nur ein wenig Vernunft walten ließen. Zumindest auf Seiten der UCK - die nicht an den Verhandlungen teilnimmt, aber politisch von makedonischen Albanerorganisationen vertreten wird - ist diese Vernunft aber nicht anzutreffen. Oder sagen wir besser: Die UCK verfolgt Ziele, die weit über das hinausgehen, was überhaupt Gegenstand der Verhandlungen sein kann. Einer der kritischen Punkte der Anfang August wieder aufgenommenen Verhandlungen ist das Problem der Kontrolle und der Zusammensetzung der Sicherheitskräfte in den Gebieten, in denen die Bevölkerungsmehrheit aus ethnischen Albanern besteht. Die Albaner beharren darauf, die Sicherheitskräfte dort selbst zu bestimmen. Das aber - so die berechtigte Befürchtung der slawischen Mazedonier - hieße, wie Reiner Rupp am 4. August in der "jungen welt" schrieb, "den UCK-Bock zum Gärtner zu machen. Denn auf diese Weise bekäme innerhalb kürzester Zeit die UCK in den ethnisch-albanischen Gebieten ganz legal die gesamten Sicherheitsstrukturen in ihre Hand. Das hätte mit großer Sicherheit die Teilung Mazedoniens zur Folge und würde die Tür für Großalbanien öffnen."

Die UCK: Schießen statt verhandeln

Die Widersprüche zwischen UCK und der Regierung in Skopje traten in den ersten Augusttagen aber noch viel manifester zu Tage. Während die Verhandlungsdelegationen - auf Seite der "westlichen" Staaten sind das u.a. James Pardew (USA), Francois Léotard (EU) und Pieter Feith (NATO) - optimistisch sind, bis zum 13. August ein unterzeichnetes Abkommen in Händen zu haben, versucht die UCK, dem Gang der Ereignisse ihren eigenen Stempel aufzudrücken:

Noch viel Klärungsbedarf

Bis heute (11. August) gibt es aber noch Klärungsbedarf in zwei wichtigen Fragen: Einmal fehlt nach wie vor ein operationalisierbarer Entwaffnungsplan der UCK. Ohne einen solchen Plan wird der Vertrag aber von der Regierung in Skopje nicht unterzeichnet werden können. Die UCK besteht darauf, einem Entwaffnungsplan nur zustimmen zu können, wenn ihr zuvor eine Amnestie zugesagt worden ist. Der Forderung nach einer Amnestie - eine schwere Zumutung für Skopje - haben sich auf westlicher Seite die USA angeschlossen. Auch Bundeskanzler Schröder, der am 9. August das Abkommen als "großen Fortschritt" bezeichnete, sieht in der Frage der Amnestierung der UCK-Kämpfer noch eine wichtige Hürde, die es bis zum 13. August zu überspringen gälte.

Verteidigungsminister Scharping sah den Zeitpunkt noch nicht für gekommen, im Bundestag über eine Beteiligung der Bundeswehr an einem NATO-Einsatz zum "Einsammeln der Waffen" abzustimmen, da noch nicht alle Bedingungen erfüllt seien. Zu den Bedingungen der Bundesregierung zählten immer: Eine Vereinbarung zwischen makedonischer Regierung und albanischer Bevölkerungsminderheit in Sachen Sprache und Verfassung, ein adauerhafter Waffenstillstand und die Bereitschaft der UCK zur "freiwilligen" Waffenabgabe. Gleichzeitig machte Scharping aber darauf aufmerksam, dass es mit einem 30 tägigen Einsatz in Makedonien nicht getan sei. Die Entwaffnung der Albaner würde sicher länger dauern. Sollte es tatsächlich zum NATO-Einsatz kommen, so fuhr Scharping vollmundig fort, müsse sie "konsequent" gegen "extremistische Gruppen" vorgehen. Die Entwicklung dürfe nicht von "kriminellen, extremistischen und terroristischen Elementen unter den Albanern" bestimmt werden, sagte er am 9. August (zit.n. ngo-online, 10.08.2001).

USA: "Paten der UCK"

Das hört sich nach einer allzu "robusten" Peace-keeping-Mission an. Bisher war den Fraktionen im Bundestag und der deutschen Öffentlichkeit eher das Gegenteil versprochen worden: eine reine Überwachung der Waffenabgabe und dessen technische und logistische Unterstützung. Außerdem dürfte die Bundeswehr die in dem Zitat angedeutete Frontstellung gegen die UCK bei einer gemeinsamen NATO-Aktion, in der die USA den Ton angeben, kaum aufrechterhalten können, erfreut sich doch die UCK der besten Verbindungen zu Washington. In einem SPIEGEL-Bericht (Heft 31/2001) wurden die USA als "Paten der UCK" dargestellt. Als Belege für das offenkundige Patronageverhältnis werden u.a. angeführt:

Dies alles macht nur "Sinn", wenn die USA ein übergeordnetes strategisches Ziel verfolgen: die Zerschlagung des Staates Makedonien. Die Crux für die Europäer - wenn sie denn hehrere Ziele verfolgen würden - liegt darin, dass sie sich diesem Zerstörungsprozess kaum werden entgegenstellen können. So heißt es für sie nur: Mitmachen beim grausamen Spiel, damit wir wenigstens unsere Finger drin haben, wenn die Karten auf dem Balkan - wieder einmal - neu gemischt werden.

Und dafür soll die Bundeswehr in Marsch gesetzt werden? Da gibt es nur eins, liebe(r) Bundestagsabgeordnete(r): Sag Nein!

Peter Strutynski



Kurz dokumentiert:
SPD: Widerstand gegen Mazedonien-Einsatz wächst
Mittlerweile haben 28 SPD-Parlamentarier eine Erklärung unterzeichnet, mit der sie bei einer Abstimmung im Bundestag ihre Ablehnung des Einsatzes zur Entwaffnung der UCK begründen wollen. Die Fraktionsführung der SPD geht aber davon aus, dass einige der Unterzeichner von ihrem Schritt zurücktreten werden.
Ein Sprecher von SPD-Fraktionschgef Peter Struck sagte der Netzeitung, dass die politischen Grundlagen eines Nato-Einsatzes nach wie vor unklar seien. Man gehe davon aus, dass wenn die Grundlagen bekannt würden, «einige wieder zurückkommen». Der Sprecher sagte weiter, er begreife nicht, wieso so viele Abgeordnete das Papier unterschreiben würden.
Auch bei den Grünen wird mit Abweichlern gerechnet - dann wäre die auf Stimmen aus dem Oppositionslager angewiesen. Union und FDP lehnen bislang aber eine Zustimmung ab. Sie verlangen als Voraussetzung für ein Ja eine bessere finanzielle Ausstattung der Streitkräfte. In ihrer Erklärung betonen die Abgeordneten, die internationale Politik dürfe nicht in eine «Gewaltfalle laufen, die Parallelen zur Eskalation im Kosovo» aufweise. Der Konflikt könne nur mit friedlichen Mitteln unter Einbeziehung von Uno und OSZE gelöst werden. Die Nato sei als Konfliktschlichter «ungeeignet». Ein erneuter Alleingang der Allianz beschädige die Autorität der Uno und untergrabe deren Anspruch auf weltweite Friedenssicherung, heißt es in dem Papier.
Die SPD-Abgeordneten mit Harald Friese an der Spitze halten es für ausgeschlossen, dass ethnische Konflikte mit militärischen Mitteln gelöst werden können. Außerdem ist die Nato ihrer Ansicht nach als Konfliktschlichter ungeeignet.
Aus: Netzeitung, 6. August 2001


Quelle: Internetseite des Friedensratschlags unter http://www.friedensratschlag.de

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