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Es begann mit einer Lüge
Monitor-Autoren enthüllen Fälschungen in der Berichterstattung
zum Kosovo-Krieg
Jo Angerer und Mathias Werth
WDR Monitor, Februar 2001
Original-Quelle: http://www.wdr.de/online/news/kosovoluege/index.phtml
(nicht mehr verfügbar)
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Manuskript
der Sendung
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AKF-Dokmentation (PDF) mit Manuskript der Sendung, Reaktionen und
Stellungnahmen
24. März 1999: Im italienischen Piacenza starten deutsche Kampfjets
gegen Jugoslawien. Es ist der erste Kriegseinsatz deutscher Soldaten nach
dem Zweiten Weltkrieg. Nur aus einem Grund durften deutsche Soldaten am
Krieg teilnehmen und der hiess: Abwendung einer humanitären Katastrophe.
Verteidigungsminister Rudolf Scharping lieferte die Argumente für
den Kriegseinsatz: Bilder von Massakern an der Zivilbevölkerung, von
zerstörten Dörfern. Die Serben hätten zur Vertreibung der
Kosovaren den Operationsplan "Hufeisen" entwickelt, so das Verteidigungsministerium.
Nach diesem Plan wollten die Serben die Kosovo-Albaner aus dem Land treiben.
Zum Beleg lieferte Scharping den Journalisten die passenden Fotos. Die
Bilder gingen durch die Presse und sorgten für Stimmung für einen
deutschen Kriegseinsatz. 78 Tage führte die NATO dann Krieg gegen
Jugoslawien - nicht nur mit Bomben. Von Beginn an ging es auch darum, wer
die 'richtigen' Begriffe besetzte und die 'besseren' Bilder besaß.

Mit Bildern aus Kriegsgebieten hatten die Monitor-Redakteure Mathias Werth
und Jo Angerer ihre Erfahrungen. Bereits in der Berichterstattung zum Golfkrieg
konnten sie für Monitor Fälschungen aufdecken. Über zehn
Jahre arbeiten die beiden als Team zu Themen der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik.
Als der Kosovo-Konflikt sich zuspitzte, berichtete Jo Angerer in Deutschland,
Mathias Werth konnte in Moskau die russische Sicht der Dinge verfolgen.
Es gab unterschiedliche Wahrnehmungen und unterschiedliche Betroffenheit.
Auf zahllosen Pressekonferenzen informierten Politiker und Militärs
die Öffentlichkeit. Bereits während des Krieges gab es erste
Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Stellungnahmen.
"Bewusste Fälschungen"

Zwei Jahre nach dem Krieg ist es den Monitor-Autoren nun gelungen, hochrangige
Militärs bei Bundeswehr und NATO zu befragen, die an den Kriegsvorbereitungen
unmittelbar beteiligt waren. Sie sprachen mit Beratern der US-Regierung,
dem damaligen NATO-Sprecher Jamie Shea und mit Verteidigungsminister Rudolf
Scharping.
Vor allem aber unternahmen sie aufwendige Recherchen vor Ort im
Kosovo. Sie gingen der Frage nach: Gab es die ethnischen Säuberungen
wirklich schon vor dem Krieg? Der "Operationsplan Hufeisen", das "Konzentrationslager"
im Fußballstadion von Pristina, das Massaker an Zivilisten in Rugovo
- Angerer und Werth überprüften diese zentralen Argumente für
den deutschen Kriegseinsatz. Sie stießen auf "bewusste Fälschungen".
Zeugen bestätigten die These von einer systematischen Verfolgung der
Zivilbevölkerung im Kosovo nicht.

Die Journalisten waren in Dörfern, die angeblich vor dem NATO-Einsatz
von den Serben zerstört worden waren. Die dort lebenden Kosovo-Albaner
erzählten, dass die Ortschaften erst nach den NATO-Luftangriffen durch
Gefechte zwischen Serben und UCK-Kämpfern zerstört worden seien.
OSZE-Beobachter, die vor dem NATO-Einsatz im Kosovo waren, äußerten
sich gegenüber Angerer und Werth kritisch zu den Bombardements. Norma
Brown, enge Mitarbeiterin von OSZE-Chef William Walker sagt: "Die humanitäre
Katastrophe im Kosovo gab es erst durch die NATO-Luftangriffe. Dass diese
die Katastrophe auslösen würde, wussten alle bei der NATO, der
OSZE und bei unserer Beobachter-Gruppe."
Angerer und Werth bekamen auch Zugang zu geheimen Lageberichten, Planungsunterlagen
aus dem US-amerikanischen Außenministerium und dem Bundesverteidigungsministerium.
Sie kamen zu dem Ergebnis: Hier wurde eine Rechtfertigung fabriziert und
damit der deutsche Kriegseinsatz legalisiert. "Es begann mit einer Lüge",
so das Fazit der Dokumentation über den ersten Kriegseinsatz deutscher
Soldaten nach 1945.
Die Dokumentation "Es begann mit einer Lüge" von Jo
Angerer und Mathias Werth sendete die ARD am Donnerstag, 8.02.01, um 21.45
Uhr.