Auf Expansionskurs
Eine Analyse vor dem NATO-Gipfel in Istanbul
Von Knut Mellenthin
junge Welt, 26. Juni 2004
Das am Montag und Dienstag (28. und 29. Juni 2004) in Istanbul
stattfindende Gipfeltreffen der NATO steht ganz im Zeichen einer
räumlichen und aufgabenmäßigen Expansion des Bündnisses: Im Irak soll
eine verstärkte Einbindung der NATO dazu dienen, die internationale
Akzeptanz einer auf viele Jahre geplanten Präsenz ausländischer, vor
allem US-amerikanischer Truppen zu verbessern. Angesichts zunehmender
Kritik in den USA soll eine demonstrativ zur Schau gestellte »größere
Rolle der NATO« im Irak auch als innenpolitische Entlastung für
Präsident Bush vor den Wahlen im November dienen. In Afghanistan soll
die NATO mehr Aufgaben außerhalb der Hauptstadt Kabul übernehmen. Der
Aufbau einer innerhalb weniger Tage weltweit einsetzbaren schnellen
Eingreiftruppe der NATO soll vorangetrieben und 2006 abgeschlossen
werden. Dem Gipfel liegt ein von NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop
Scheffer präsentiertes »antiterroristisches« Maßnahmenpaket zur
Beschlußfassung vor.
Die Überwindung der sogenannten »Usability gap«
(»Verwendbarkeitslücke«) wird ein weiteres Diskussionsthema sein.
Gemeint ist die Kluft zwischen dem großen Potential der einzelnen
NATO-Länder und der – abgesehen von den USA – vergleichsweise sehr
geringen Zahl von Soldaten, Transportmitteln und Waffensystemen, die
derzeit für kollektive Kriegseinsätze zur Verfügung stehen.
Nach der auf dem vorigen NATO-Gipfeltreffen in Prag (November 2002)
bekanntgegebenen Aufnahme von sieben osteuropäischen Staaten in die
NATO, wodurch sich die Zahl der Mitglieder von 19 auf 26 erhöhte,
werden in Istanbul erste Signale für die voraussichtlich in etwa drei
bis vier Jahren anstehende nächste Erweiterungsrunde erwartet.
Außerdem sollen die arabischen Staaten Nordafrikas unter dem Motto »Vom
Dialog zur Partnerschaft« durch intensivere militärische Zusammenarbeit
allmählich an die NATO herangeführt werden. Ähnliches gilt für die
Nachfolgestaaten der Sowjetunion im Kaukasus und in Zentralasien. Und
es wird in wahrscheinlich nur ganz allgemeiner, unkonkreter Form als
Pflichtübung ein Appell an die moslemischen Staaten des Nahen und
Mittleren Ostens für politische und wirtschaftliche Reformen sowie zur
»sicherheitspolitischen« Zusammenarbeit im Sinne der im Mai 2003 von
US-Präsident George W. Bush lancierten Greater-Middle-East-Initiative
erwartet.
»Lastenteilung« im Irak
Die US-Regierung wollte ursprünglich in Istanbul erreichen, daß die
NATO die Verantwortung für die bisher von Polen geführte internationale
Truppe in der sogenannten Mitte-Süd-Region des Irak übernimmt. Diese
Multinational Division (MND) genannten Streitkräfte umfassen 10000
Soldaten aus 23 Ländern, darunter 2 400 aus Polen. Faktisch handelt es
sich bei dem polnischen Engagement von Anfang an um eine
NATO-Operation: Bevor Polen im September 2003 die Führung der MND
übernahm, beschloß der Nordatlantik-Rat, das Führungsgremium der NATO,
am 2. Juni 2003, die polnischen Truppen im Bereich des Transport- und
Nachschubwesens sowie der Kommunikation, einschließlich
nachrichtendienstlicher Informationen, zu unterstützen. NATO-Experten
sind an der Einsatzplanung beteiligt, für den Stab der polnischen
Irak-Truppen fanden Lehrgänge in der NATO-Schule in Oberammergau statt.
Schon im April 2003 hatte die NATO beschlossen, die schließlich nicht
zustande gekommene Beteiligung türkischer Truppen am Irak-Krieg dadurch
zu unterstützen, daß sie Überwachungsflugzeuge und Raketenabwehr zur
Verfügung stellen wollte.
Trotzdem sind insbesondere die Regierungen in Berlin und Paris daran
interessiert, an der Fiktion festzuhalten, es handle sich im Irak nicht
um einen NATO-Einsatz. Beide Regierungen haben im Vorfeld von Istanbul
erklärt, daß sie gegen eine Übernahme der MND-Führung durch die NATO
seien, daß sie aber gegebenenfalls gegen einen solchen Beschluß kein
Veto einlegen würden. Frankreich öffnete sogar eine zusätzliche
Hintertür mit der Erklärung, daß die Frage eines förmlichen
NATO-Einsatzes sich anders darstellen würde, wenn die irakische
Regierung nach der »Machtübernahme« am 30. Juni offiziell um eine
solche Hilfe bittet. Wenige Tage später hielt Bush einen entsprechenden
Brief des als Ministerpräsident der Marionettenregierung fungierenden
langjährigen CIA-Agenten Ijad Allawi in Händen, mit dem der
US-Präsident nun Druck auf Berlin und Paris ausübt.
Von den 26 Mitgliedsstaaten der NATO sind, nach dem Rückzug Spaniens,
immer noch 16 mit militärischen Einheiten im Irak vertreten. Eine klare
Mehrheit für eine offizielle Übernahme der Führung der MND durch die
NATO wäre also sicher. Dennoch scheint es im Moment so, daß diese
Forderung der US-Regierung in Istanbul nicht zur Diskussion gestellt
wird, sondern daß ein Konsens angestrebt wird. Dieser wird vermutlich
so aussehen, daß die NATO wesentliche Aufgaben bei der Aufstellung,
Ausbildung und Bewaffnung einer im Dienst der Besatzungsmacht und des
Marionettenregimes stehenden irakischen Armee übernimmt.
Die Bundeswehr wird sich nach vorliegenden Berichten daran beteiligen.
Allerdings will Berlin weiterhin keine deutschen Soldaten in den Irak
schicken. Die Ausbildung müßte also durch Lehrgänge und Training in
Deutschland oder in einem willigen arabischen Land wie den Vereinigten
Emiraten – wo deutsche Ausbilder jetzt schon irakische
Kriminalpolizisten schulen – stattfinden.
Aus Sicht der US-Regierung ist dieser Kompromiß nicht optimal, erfüllt
aber seinen Zweck: eine Verbreiterung der Basis der unbefristeten
militärischen Besetzung und neokolonialen Reglementierung des Irak zu
demonstrieren bzw. vorzutäuschen. Innenpolitisch versucht Bush damit,
jenen Kritikern entgegenzukommen, die mehr internationale
Zusammenarbeit und »Burden sharing« (Lastenteilung) fordern.
Außenpolitisch soll eine stärkere Beteiligung der NATO dazu dienen,
willigen moslemischen Regierungen (die Rede ist bereits von Marokko,
Tunesien und Pakistan) die Bereitstellung von Besatzungstruppen für den
Irak zu erleichtern.
Priorität Afghanistan
Die von der NATO geführte internationale »Beistandstruppe« ISAF in
Kabul ist die erste Militäraktion des Bündnisses außerhalb seines
vertraglich definierten Territoriums. Sie umfaßt rund 6500 Soldaten aus
35 Ländern. Ihre Zuständigkeit war zunächst – auch auf Drängen der
US-Regierung, die das Monopol ihrer eigenen, nicht der ISAF
unterstellten Truppen im Rest des Landes wahren wollte – auf Kabul
beschränkt.
Die deutsche Regierung setzte sich schließlich im Herbst vorigen Jahres
in der NATO mit der Forderung durch, der Bundeswehr ein Mandat für den
ersten ISAF-Einsatz außerhalb Kabuls zu geben. Über 200 deutsche
Soldaten sind derzeit als Provincial Reconstruction Team (PRT) in der
nordafghanischen Provinz Kundus stationiert, um »einen Beitrag für ein
sicheres Umfeld für den Wiederaufbau in der Region zu leisten«.
Insgesamt ist die Bundeswehr an der ISAF mit bis zu 2 250 Soldaten,
also etwa einem Drittel der Gesamtzahl, beteiligt
Die Planung der NATO sah ursprünglich vor, bis zum Istanbuler
Gipfeltreffen weitere fünf PRTs in anderen Landesteilen aufzustellen,
um die afghanische Regierung bei der Ausdehnung ihres Machtbereichs zu
unterstützen und bei der Vorbereitung der Wahlen zu helfen. Die sollten
eigentlich schon im Juni stattfinden, wurden inzwischen auf September
verschoben und werden vielleicht noch länger hinausgezögert. Inzwischen
ist eher unwahrscheinlich, daß die NATO in Istanbul fünf komplette neue
PRTs präsentieren kann oder daß diese Zahl zumindest in nächster Zeit
erreichen wird.
Die ISAF bleibt aber, neben KFOR im Kosovo, das bedeutendste kollektive
Projekt der NATO. Generalsekretär Scheffer hat Afghanistan mehrfach als
»Nummer-1-Priorität« seiner gesamten Arbeit bezeichnet, deren weitere
Entwicklung entscheidend für die »Glaubwürdigkeit« der NATO sei. Eine
tiefere Verstrickung des Bündnisses auf diesem Konfliktschauplatz ist
also vorauszusehen. Während der Einsatz im Irak unter den
NATO-Vormächten weiterhin umstritten ist, bestand über das militärische
Engagement in Afghanistan von Anfang an größte Einigkeit.
Schnelle Eingreiftruppe
Die NATO wird in Istanbul ihr Ziel bestätigen, bis zum nächsten
Gipfeltreffen 2006 den im November 2002 in Prag beschlossenen Aufbau
ihrer schnellen Eingreiftruppe, NATO Response Force, abzuschließen. Die
NRF soll dann eine Gesamtstärke von 21000 bis 22000 Soldaten haben und
über alle drei Waffengattungen (Landstreitkräfte, Marine und Luftwaffe)
verfügen. Sie soll dann innerhalb von fünf Tagen weltweit einsatzbereit
sein. Angeblich ist die NRF schon jetzt in der Lage, »schwierige
Aufgaben« zu übernehmen, doch steht der praktische Beweis für diese
Behauptung noch aus. Die NRF soll künftig eine »Schlüsselrolle« im
»Krieg gegen den Terror« spielen. Ihre Bomberflotte soll dann in der
Lage sein, bis zu 200 Angriffe täglich zu fliegen.
Angesichts der Erfahrungen in Afghanistan und im Irak ist jedoch nicht
nur zweifelhaft, ob die gesetzten Ziele bis 2006 erreicht werden,
sondern es ist auch ungeklärt, wie ein Einsatz dieser multinationalen
Truppe funktionieren soll. Bisher entscheiden die Regierungen aller
NATO-Länder von Fall zu Fall, ob und in welchem Umfang sie sich an
gemeinsamen Militärunternehmen beteiligen. Es ist nicht anzunehmen, daß
sie nunmehr auf ihre Entscheidungsfreiheit verzichten werden.
Reformen
Der seit Januar amtierende NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer
wird in Istanbul offiziell seine Reformforderungen vortragen, für die
er schon im Vorfeld kräftig geworben hat: Die Streitkräfte der NATO
sollen noch »schlanker«, schlagkräftiger und schneller werden, um
jederzeit eine weltweite Aggressions- und Interventionspolitik
praktizieren zu können. Die Reichweite der Truppen soll vergrößert,
ihre Kampfbereitschaft erhöht werden. Dazu gehört auch der Ausbau der
Lufttransport-Kapazitäten.
Scheffer fordert, stärker als bisher die Beschlußfassung über
gemeinsame Militäroperationen der NATO zu verbinden mit präzisen
Festlegungen aller Mitglieder auf den von ihnen zu leistenden Beitrag.
Grund dieser Forderung ist die vor allem in Afghanistan aufgetretene
Schwierigkeit, benötigte Waffen und Mittel, beispielsweise
Transporthubschrauber, verfügbar zu machen.
Außerdem sollen künftig die Kosten der Einsätze nicht mehr allein von
den jeweils beteiligten Staaten gezahlt werden, sondern aus einem
einzurichtenden gemeinsamen Etat. Dieser Punkt wird in Istanbul
wahrscheinlich sehr umstritten sein. Eine Konsequenz dieses Vorschlags
könnte sein, daß künftig über NATO-Einsätze sehr viel kontroverser als
bisher diskutiert wird, da sie automatisch auch von denjenigen
mitfinanziert (und mitverantwortet) werden müßten, die sich selbst
nicht beteiligen wollen.
Nächste Beitrittsrunde
Im März diesen Jahres traten Bulgarien, Rumänien, Estland, Lettland,
Litauen, die Slowakei sowie als einziger Nachfolgestaat des früheren
Jugoslawiens Slowenien formal der NATO bei. Polen, Tschechien und
Ungarn waren schon 1999 aufgenommen worden. Neuaufnahmen stehen in den
nächsten Jahren voraussichtlich nicht an, nicht einmal eine Nominierung
der nächsten Kandidaten ist in Istanbul zu erwarten. Dennoch erhoffen
sich vor allem die schon jetzt eng mit der NATO zusammenarbeitenden und
im Irak engagierten Staaten der sogenannten Adria-Gruppe – Kroatien,
Albanien und Mazedonien – irgendein positives Signal für eine künftige
Mitgliedschaft. Darüber hinaus unterstützen sie die Aufnahme von
Serbien-Montenegro und Bosnien-Herzegowina in die Adria-Gruppe. Mit
konkreten Beschlüssen über neue Beitritte wird jedoch frühestens auf
dem NATO-Gipfel 2006 gerechnet.
Ukraine
Die Ukraine arbeitet schon jetzt eng mit der NATO zusammen und strebt
die Kandidatur zur nächsten Beitrittsrunde an. Mit starken Beiträgen zu
den Besatzungstruppen im Irak sowie zur NATO-geführten KFOR im Kosovo
hofft Kiew, seine Chancen zu verbessern. Die NATO wird in Istanbul
voraussichtlich die enge Zusammenarbeit würdigen, aber eine weitere
Annäherung der Ukraine an das Bündnis von Fortschritten bei der
»Demokratisierung«, insbesondere vom Ausgang der Präsidentschaftswahl
im Herbst, abhängig machen.
Kaukasus und Zentralasien
Der Militärpakt wird sich von seinem Gipfeltreffen aus an die
Nachfolgestaaten der Sowjetunion im Kaukasus und in Zentralasien wenden
und sie zur Ausdehnung und Intensivierung der Zusammenarbeit im Rahmen
der Partnership for Peace (Partnerschaft für den Frieden) auffordern.
Die 1994 gegründete PfP dient dazu, durch gemeinsame Manöver,
Ausbildungsangebote, Teilnahme an NATO-geführten Einsätzen und andere
Formen der Kooperation insbesondere die ehemals sozialistischen Länder
an das Bündnis heranzuführen und gegebenenfalls ihre Mitgliedschaft
vorzubereiten. Die NATO strebt als nächsten Schritt an, in den Staaten
des Kaukasus und Zentralasiens »Berater« zu plazieren, um ihren Einfluß
auf deren »Militärreformen« (Modernisierung und Anpassung an die
NATO-Standards) zu verstärken. Außerdem will sie in Istanbul offiziell
ihr Interesse bekanntgeben, in diesen Ländern Büros zu eröffnen.
Mittelmeer-Dialog
Die NATO wird in Istanbul eine Aufwertung des Mediterranean Dialogue
(Mittelmeer-Dialog) vorschlagen. Dieser 1994 gegründeten
Diskussionsgruppe gehören die arabischen Staaten Marokko, Tunesien,
Algerien (seit 2000), Ägypten, Jordanien und Mauretanien sowie Israel
an. Der »Dialog« besteht bisher in gemeinsamen Konferenzen,
Expertentagungen, Teilnahme an NATO-Seminaren und
Informationsaustausch. Jetzt sollen die arabischen Länder aufgefordert
werden, sich an der NATO-Überwachungsoperation Active Endeavor (»Aktive
Anstrengung«) im Mittelmeer zu beteiligen, die angeblich dazu dient,
mit illegalen Waffen für Terroristen beladene Schiffe aufzuspüren.
Außerdem will die NATO ihre Hilfe beim Aufbau von Einsatzkräften zur
Bekämpfung von Naturkatastrophen anbieten. Die militärische
Zusammenarbeit soll ausgebaut werden, um die Fähigkeit (und
Bereitschaft) der arabischen »Dialog«-Länder zu verbessern, sich an
NATO-geführten Einsätzen zu beteiligen.
Der Mediterranean Dialogue als Mittel der Einflußnahme auf moslemische
Länder soll als Modell der von der US-Regierung lancierten
Greater-Middle-East-Initiative dienen. Dieser relativ weit
fortgeschrittenen regionalen Zusammenarbeit, die vor allem von den
europäischen NATO-Mitgliedern betrieben wird, droht aber durch die enge
Verbindung mit der aggressiven US-Strategie ein schwerer Rückschlag.
Der Versuch, die vergleichsweise guten Beziehungen einiger europäischer
Staaten zur arabischen Welt zu instrumentalisieren, um das tiefe
Mißtrauen gegen die Politik der US-Regierung aufzufangen, verfehlt
nicht nur seinen Zweck, sondern gefährdet auch die vorhandenen Ansätze.
Voraussichtlich wird keiner der nach Istanbul eingeladenen arabischen
»Dialog«-Partner dort erscheinen.
Greater Middle East
Die ursprüngliche Planung der US-Regierung, mehrere im Juni
stattfindende internationale Tagungen, mit dem NATO-Gipfel als
krönendem Abschluß, zur werbewirksamen Präsentation und Profilierung
ihrer mit wenig konkretem Inhalt und mit noch weniger Finanzmitteln
ausgestatteten Greater-Middle-East-Initiative zu nutzen, war schon im
Vorfeld komplett gescheitert. Der Skandal um die Folterung und
Demütigung von Gefangenen im Irak, in Afghanistan und in Guantánamo hat
das Ansehen der amerikanischen Politik in der moslemischen Welt auf
absehbare Zeit zerstört.
Das Versprechen, den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens bei
politischen und wirtschaftlichen Reformen zu helfen, ist vor diesem
Hintergrund nicht nur Hohn, sondern eine schlecht verhüllte Drohung.
Kosmetische Erklärungen, daß man der arabischen Welt nichts von außen
aufzwinge wolle, sondern daß Reformen von innen kommen und den
Verhältnissen der einzelnen Länder entsprechen müßten, ändern an der
Unglaubwürdigkeit der US-Politik nichts. Denn Tatsache ist, daß die
US-Regierung in zwei moslemischen Ländern, Afghanistan und Irak,
bereits ein militärisch abgesichertes neokoloniales Besatzungsregime
errichtet hat und daß sie sich gegen zwei weitere Staaten, Syrien und
Iran, eine Aggression ausdrücklich offenhält. Daher sind selbst
engstens mit den USA kooperierende und von ihnen abhängige arabische
Regimes auf deutlich demonstrierte Distanz zu den amerikanischen
Vorschlägen bzw. Forderungen gegangen. Voraussichtlich wird kein
arabischer Politiker der Einladung nach Istanbul folgen.
Dennoch will die NATO an der Absicht festhalten, bei ihrem
Gipfeltreffen eine pompöse Istanbul Cooperation Initiative zu
verabschieden, die die jetzt schon unübersehbare Menge wirkungsloser
und inhaltsloser Erklärungen dieser Art vermehren wird. »Fire and
Forget«, Abschießen und Vergessen, ist ein militärischer Terminus, der
diese Art von Politik gut beschreibt.