Wehrmachtsoffiziere – in der
Mitte Oberbefehlshaber Walther von Brauchitsch –
in Herrenmenschenpose auf der Akropolis (Athen, Mai
1941) - Foto: jW-Archiv
|
Alarm aus Köln am vergangenen Samstagmittag vor der Öffnung der
Stimmlokale in Athen: »Die Griechenlandwahl kann zum Sargnagel der
Euro-Zone werden.« Klemens Kindermann, im Deutschlandfunk
Abteilungsleiter Wirtschaft und Gesellschaft, ängstigt sich am
Mikrophon, die Griechen könnten den »harten Reformweg« ablehnen
und Alexis Tsipras »an die Macht« bringen. Und droht: Dann sei
ihnen in der Euro-Zone nicht mehr zu helfen.
Der Mann vom Deutschlandfunk kennt seine Griechen und ihre
Hinterlist. Seit der Antike. Schon »der große Aristoteles« habe in
seiner »Oikonomika« – außerhalb des Deutschlandfunks stammt die
von einem Pseudoaristoteles – insgesamt 77 Tricks zur Steigerung
der Staatseinnahmen aufgelistet. Einer sei erstaunlich zeitlos:
der Trick, die Zahlungstermine für Staatsausgaben jeden Monat ein
bißchen hinauszuschieben, bis dann auf ganze Jahre gesehen ein
Monat eingespart ist. Auch der Chef des Linksbündnisses SYRIZA
Tsipras werde auf Zeit spielen, Nachverhandlungen zum
Hilfsprogramm fordern, Erleichterungen von den Sparauflagen und
zusätzliches Geld.
Machtwort aus dem Deutschlandfunk: »Nach all dem, was der Klub der
Euro-Zone mit den Nachfahren des findigen Aristoteles durchgemacht
hat, muß bei einem Sieg der Linken für Resteuropa feststehen: Das
Maß ist endgültig voll.« Zu viel habe sich Athen in der
Vergangenheit geleistet: »Die nicht eingehaltenen Versprechen, zu
privatisieren, die mangelnde Bereitschaft, die verkrusteten
Strukturen im Land endlich aufzubrechen.« Und vor allem: »Die
falschen Zahlen für die Aufnahme in den Euro.«
Falsche Zahlen? Heute vor 68 Jahren, am 20. Juni 1944 gab die
Reichsregierung auf ihrer Wirtschaftspressekonferenz erstmals die
seit Kriegsbeginn geheimgehaltene Außenhandelsstatistik bekannt.
Falsche Zahlen
Das Ergebnis war sensationell: Die deutsche Außenhandelsbilanz
aller Jahre seit 1939 erwies sich als nahezu ausgeglichen – das
Außenhandelsdefizit mit den von der Wehrmacht besetzten Ländern
war verblüffend gering. Kurz, dieses Ergebnis strafte »jene
Behauptungen Lügen, wonach das kriegführende Deutschland die
besetzten Gebiete und die befreundeten Länder des Kontinents
ausbeutet«, schrieb damals der Europapress-Wirtschaftsdienst und
bestätigte: »Deutschland hat, wie aus der (…) Statistik
eindrucksvoll hervorgeht, im Großen und Ganzen seine
Ausfuhrleistungen dem wachsenden Einfuhrvolumen anpassen können.«
Diese Zahlen wurden noch im Nürnberger Prozeß Kurt Hunscha, dem
Chefvolkswirt der Dresdner Bank, der Hausbank der SS, geglaubt.
Bis heute, so stellt der Historiker Jonas Scherner fest, sind die
vom Statistischen Reichsamt veröffentlichten Daten »Grundlagen für
Aussagen über den Außenhandel Deutschlands im Zweiten Weltkrieg«.
Die Zahlen sind falsch, stellte Scherner in der von Lothar Gall
herausgegebenen Historischen Zeitschrift fest (»Der deutsche
Importboom während des Zweiten Weltkriegs. Neue Ergebnisse zur
Struktur der Ausbeutung des besetzten Europas auf der Grundlage
einer Neuschätzung der deutschen Handelsbilanz«: HZ 2012, Band
294, Nr. 1, Seiten 79–113).
Am 19. September 1939 wurde Wehrmachtsgut von Einfuhrzöllen,
Verbrauchssteuern und damit auch von der handelsstatistischen
Erfassung freigestellt. Und im August 1940 wurde diese
Zollbefreiung in einem vertraulichen Erlaß auf alles ausgedehnt,
was sich als »Rüstungsgut« deklarieren ließ, von einer
»eingehenden Zollbeschau« sei abzusehen. Alles, was der deutsche
Soldat für sein Vaterland und für die Lieben zu Haus im
Feindesland zusammenplünderte, konnte unerfaßt am Zoll und damit
an der Außenhandelsstatistik vorbei.
Scherner stellt fest, daß die Deutschen so »das wahre Ausmaß der
Ausbeutung vor den einheimischen Behörden der besetzten Gebiete
verschleiern konnten«. Die Zollbeamten hatten nicht das Recht,
Warentransporte zu kontrollieren, die von den Besatzern als
Wehrmachtsgut deklariert wurden. Für das
Reichswirtschaftsministerium war klar, wie nützlich solche
Bestimmungen sind: »Für die Wirtschaftspropaganda dem Ausland
gegenüber empfiehlt sich die Verwendung der offiziellen deutschen
Handelsstatistik.« Was an dieser Statistik vorbeilief, dafür gab
es auch im Ministerium nur Schätzungen, die ein Mehrfaches der
offiziellen Zahlen betrugen.
Scherner kommt zu dem Ergebnis, daß »die offizielle deutsche
Importstatisitik für die Zeit des Zweiten Weltkrieges vollkommen
irreführend ist. Denn tatsächlich kam es, im Unterschied zu dem,
was die Einfuhrstatistik suggeriert, zu einem spektakulärem
Importboom.« Für die besetzten Länder aber bedeutete das den
Verfall von Wirtschaft und Währung, unter dem sie immer noch
litten, als das wiederauferstandene Deutschland sich seines
»Wirtschaftswunders« rühmte. Scherner: »Bis heute sind die vom
Statistischen Reichsamt veröffentlichten Daten zur deutschen
Handelsbilanz Grundlage für Aussagen Deutschlands im Zweiten
Weltkrieg. Danach war die Handelsbilanz des Reiches in den
betreffenden Jahren fast ausgeglichen und das Außenhandelsdefizit
mit den besetzten Ländern erstaunlich gering.«
Wie berichtet (»Unsere Schulden in Athen«, jW 19/20.5.2012) hatte
der Historiker Hagen Fleischer gegenüber der FAZ eine Forderung
Griechenlands benannt, die sogar im Nazireich unbestritten war.
Die FAZ: »Ein gänzlich anderer Fall betrifft hingegen die deutsche
Zwangsanleihe bei der griechischen Nationalbank. Hier geht es
nicht um Reparationen, sondern um die Rückzahlung einer Anleihe,
die sogar von Hitlers Deutschland als verpflichtend anerkannt
worden war. Noch Anfang 1945 bezifferten Fachleute der Reichsbank
in Berlin die Höhe der Schuld des deutschen Reiches gegenüber
Griechenland auf 476 Millionen Mark.« Fleischer nennt das eine
»moderate Schätzung« und fügt hinzu: »Von dieser Basis aus könnten
Verhandlungen in einer Form geführt werden, die keinen
Präzedenzfall für andere Staaten darstellt. Zugleich wäre damit
dem absurden Zustand ein Ende gesetzt, daß (…) die Vertreter des
NS-Regimes eine Schuld Deutschlands anerkannten, die von der
demokratisch gewählten und bestätigten Regierung der
Bundesrepublik, dem völkerrechtlichen Nachfolger des Deutschen
Reiches, bis heute ignoriert wird.«
Ergebnis: Die Länder, denen Angela Merkel heute ihren »Sparkurs«,
das deutsche Verarmungsprogramm für Europa, aufzwingen will,
wurden damals schon unter deutscher Besatzungsherrschaft
ausgeplündert, ihre Währungen wurden inflationiert.
Legalisierte Plünderung
Schon am 15 Juli 1941 machte sich Reichsfinanzminister Lutz Graf
Schwerin von Krosigk in einem Brief an Hermann Göring Sorgen über
die »ungünstige Entwicklung der Finanzwirtschaft in den meisten
europäischen Ländern und Gebieten und die nachteiligen Folgen für
die deutsche Wirtschaft«. Wo immer der deutsche Soldat
einmarschierte »kam es nach der Besetzung zu einem ungeregelten
Ausverkauf, bei dem das anfängliche Nebeneinander der
verschiedenen öffentlichen und privaten Käufer – einschließlich
der Wehrmachtsangehörigen – bald in ein Gegeneinander ausartete.
Die Folge des Ausverkaufes war ein Anziehen der Preis- und
Lohnschraube« – die Preise stiegenstark, die Löhne kaum – »und
eine weitgehende Verlagerung des Warenverkehrs auf den schwarzen
Markt.«
Noch schlimmer als in Polen sei es auf dem Balkan, vor allem »in
Griechenland ist der Endpunkt der Entwicklung so gut wie erreicht;
es gibt hier einen legalen Markt überhaupt nicht mehr, es gibt
kein Preisverhältnis mehr, das zur Grundlage der Stabilisierung
und Reorganisierung dienen könnte.« Bei einer längeren Dauer des
Krieges komme es darauf an zu verhindern, daß die »Länder, deren
Potential wir in Anspruch nehmen, vorzeitig absacken«.
Und hier – im vertraulichen Brief an Göring – gibt der
Finanzminister auch zu, daß von einer ausgeglichenen Handelsbilanz
mit Griechenland keine Rede sein kann: »Die Clearing-Verschuldung
war Ende 1939 noch ganz unbedeutend, Ende 1940 betrug sie noch 953
Millionen, Ende 1941 schon 3251 Millionen RM. Inzwischen hat sie
die Fünfmilliardengrenze überschritten, für Ende 1942 werden wir
mit sieben Milliarden Reichsmark rechnen müssen…«
Nicht nur das: »Hand in Hand« mit einer »Inangriffnahme des
Währungsproblems« könne »für den im Land entstehenden Bedarf der
Wehrmacht notfalls auf verschärfte Requisition« – legalisierte
Plünderung – »zurückgegriffen werden«. Mit einer insofern
»günstigen Wirkung, als auch in anderen Ländern die Erkenntnis
reift, daß Deutschland als der Hauptträger des Kampfes stärkere
kriegswirtschaftliche Rücksichten verlangen kann.« Schreibt
Wolfgang Schäubles Rechtsvorgänger Schwerin von Krosigk und
schließt: »Mir scheint das Beispiel Griechenlands (…) hierzu
geradezu herauszufordern«.
Griechen sind zu dezimieren
Göring kannte das Problem. Im Gespräch mit dem italienischen
Außenminister Graf Ciano bedauerte er schon mal: »Deutscherseits
kann da nichts unternommen werden. Wir können uns nicht übermäßig
um den Hunger der Griechen kümmern. Das ist ein Unglück, mit dem
auch noch andere Leute zu tun haben.« Und: »Vielleicht ist es gut
so, gewisse Nationen müssen eben dezimiert werden. Aber selbst
wenn es nicht so wäre, da läßt sich einfach nichts tun. Wenn die
Menschheit zum Hungertod verurteilt ist, ist es doch klar: Unsere
beiden Völker« – Deutsche und damals noch Italiener – »werden die
letzten sein, die sterben.«
Und vor den Militärbefehlshabern gibt er drei Wochen nach dem
erhellenden Brief des Reichsfinanzministers seine Erkenntnisse
preis: »In jedem der besetzten Gebiete sehe ich die Leute
vollgefressen, und im eigenen Volk herrscht Hunger.« Konsequenz:
»Die ewige Sorge für den Fremden muß jetzt endlich einmal
aufhören.«
Das meint – geistesverwandt – auch Thilo Sarrazin knapp siebzig
Jahre später. Am Wahltag gab die Frankfurter Allgemeine am Sonntag
dem ausgewiesenen Spezialisten für Negersklavenzinsfüße das Wort
zum Kommentar gegen die »Südländer«, wie er höflich die Leute da
unten nennt.
Sarrazin, der 1990 im Bonner Finanzminsterium die Grundlagen für
die Plünderung der DDR ausarbeitete, ist entsetzt über den
tatsächlich etwas unterinformierten US-Historiker Charles Mayer,
der fordere, Deutschland müsse seine Verpflichtung für Europa in
ähnlicher Weise wahrnehmen, wie vor 20 Jahren für Ostdeutschland.
Sachkenner Sarrazin aus erster Hand: »Historiker müssen nicht
zahlenfest sein: Aber 17 Millionen Ostdeutsche kosteten
Westdeutschland 1,5 bis zwei Billionen Euro. Das läßt erahnen, was
300 Millionen Menschen kosten mögen.«
In der Tat war der Euro-Raum für die – das ist sie geblieben –
westdeutsche Wirtschaft ein ebenso gutes Geschäft wie der Anschluß
der DDR. Aber Sarrazin verbittet sich auch ausländische
Flegeleien, die er empört aufzählt: »Deutschland habe die Krise
durch seine egoistische Haltung wenn nicht verursacht, so doch
verschärft, und wenn es nicht bereit sei, für die Schulden der
Südländer mitzuhaften, dann trage es nicht nur die Verantwortung
für ein Auseinanderbrechen des Euro-Raums, sondern für eine
Weltwirtschaftskrise, die jene Anfang der dreißiger Jahre in den
Schatten stellen könne. Ausgerechnet Deutschland, das durch
Brüningsche Sparpolitik die Machtergreifung der Nazis, den Zweiten
Weltkrieg und den Holocaust verursacht habe, sei anscheinend
bereit, die Welt abermals in den Untergang zu treiben. Das war der
Tenor eines Aufsatzes des britischen Historikers Niall Ferguson
und des amerikanischen Ökonomen Roubini.«
Ständig die Moralkeule
Solcher Tenor gefällt ihm nicht. Sarrazin genervt: »Es ist
auffallend, wie unbefangen, ja impertinent viele angelsächsische
Diskussionspartner, aber nicht nur sie, bei der Forderung nach
deutschem Geld mit der deutschen Schuld an den Katastrophen des
vergangenen Jahrhunderts spielen. 70 Jahre nach dem Zweiten
Weltkrieg haben die Deutschen das Recht (und die Pflicht), sich in
der internationalen Zusammenarbeit bei finanziellen Fragen von
ihrem vernünftigen Eigeninteresse leiten zu lassen, ohne ständig
die Moralkeule fürchten zu müssen.«
Richtig, ein so gelungen modernisierter Nazinachfolger wie
Sarrazin sieht da die von Martin Walser erfundene Auschwitzkeule
auf sich eindreschen. Aber diese Geschichte hat nicht mit Moral zu
tun, sondern mit historischen Hypotheken, die Deutschland einfach
nicht abtragen mag. Sie gehen zurück auf das Jahr 1941, als
Deutschland Griechenland überfiel und ausplünderte.
»Sind es die Leute in den griechischen Städten, die gegenwärtig
nur aus Drogenverkäufern, Schwarzmarkthändlern, Hehlern, Dieben,
Arbeitsscheuen bestehen«, so fragten damals aus vernünftigem
Eigeninteresse die Deutschen Nachrichten in Griechenland,
»wirklich wert durch Nahrungslieferungen der Achsenmächte am Leben
erhalten zu werden?«
Dieses deutsche Blatt, das 1942 noch nicht Die Zeit hieß
(Schlagzeile zur Wahl: »Die ganze Welt will unser Geld«), fragte:
»Wie lange noch die Achsenmächte in ihrem harten Abwehrkampf ein
Volk von Millionen von Faulenzern ernähren können, das bleibt
fraglich.« Das Blatt, das es so gut meinte, wie heute Bild, es
klärte damals auch schon die Pleitegriechen auf: »Keiner hilft
euch, wenn ihr euch nicht selbst helft. Hört auf mit dem Gezänk,
arbeitet und verdient euch euren Lebensunterhalt selbst, sonst
könnten die Achsenmächte das Interesse verlieren, euch zu
unterstützen. Griechenland muß durch eigene Anstrengung
überleben.«
Ob es das wirklich muß, war damals schon umstritten. Generalmajor
Karl Hans Maximilian von Le Suire, der 1916 in die Königlich
Bayerische Armee eingetreten war und 1943 in Griechenland
befehligte, vertrat da eine entschieden andere Ansicht: »Es gibt
keine Freundschaft mit dem Sauvolk«, wußte er aus jener
geschichtlichen Erfahrung, die in seinen Adern floß. Sein Vorfahr
Georg Wilhelm von Le Suire, Kommandant des 1. Königlich
Bayerischen Jägerbataillons »König«, begleitete als Kriegsminister
den minderjährigen bayerischen Prinzen, der 1832 von außen als
»Otto I., König von Griechenland« eingesetzt wurde und mit einem
Heer von ins Land eingefallenen Beamten die Griechen solange
kujonierte, bis sie ihn 1862 davonjagten.
Nachfahr Karl von Le Suire zog in dieses Land 1943 als Chef der
117. Jägerdivision. Aus den Schulungsschriften des Oberkommandos
der Wehrmacht konnte er erfahren: »Auf die nordrassische
Bevölkerung, die einst die geschichtliche und kulturelle Größe
Griechenlands gestaltete, deuten nur noch geringe Spuren, Griechen
seien demnach »grundsätzlich nicht umvolkbar« – das sind sie bis
heute nicht, wie Bild tagtäglich informiert.
Damals gab es allerdings ein breites Meinungsspektrum über die
Griechen und ihre Art. Der große Humanist Erhart Kästner, der vor
und nach 1945 durch seine dann etwas umformulierten Reisebücher
berühmt wurde, hatte 1943 in »Griechenland. Ein Buch aus dem
Kriege« bedauert, daß »blutsmäßig von den alten Griechen verdammt
wenig oder nichts übrig geblieben im heutigen Hellas« – wohin man
blickt: »Lemuren und Affengesichter«.
Aber dann doch: »Da waren sie, die ›blonden Achaier‹ Homers, die
Helden der Ilias. Wie jene stammten sie aus dem Norden, wie jene
waren sie groß, hell und jung, ein Geschlecht, strahlend in der
Pracht seiner Glieder« – die einmarschierte Wehrmacht der
Deutschen. »Es schien, als sei ein verloren geglaubtes Geschlecht
wiedergekehrt und habe mit« – ja – »Selbstverständlichkeit Besitz
genommen von diesem Ufer, oder als seien sie immer dagewesen und
der Götterberg habe nie auf andere niedergeblickt als auf sie.«
Das war die Großdeutsche Wehrmacht, heute läßt es uns an die
Begleitkommandos der Troika denken.
Mit den Helden der Nordilias war auch der erwähnte Generalmajor
Karl von Le Suire ins – wie er schnell erkannte – »Land der
Nichtstuer, Schieber und Korrupteure« eingerückt. Da kamen einige
seiner Soldaten im Kampf mit den Partisanen um. Er ordnete
daraufhin als »Sühnemaßnahme« die Zerstörung von Kalavryta und 25
Dörfern an. Vernichtet wurde auch das Kloster Agia Lavra, ein
griechisches Nationalheiligtum. Die Vollzugsmeldung für das von
Generalmajor Le Suire befohlene Massaker registriert 674
erschossene Griechen. Es war nur eine von den vielen
Massenmordaktionen der Wehrmacht in Griechenland.
Brave Bürger
Bonn betrieb bewußt Täterschutz. Der Historiker Hagen Fleischer
stellte 2001 fest: »Kein Deutscher wurde wegen an Griechen
begangener Kriegsverbrechen von einem deutschen Gericht
verurteilt.« Berlin treibt diese Immunität der deutschen
Massenmörder in Griechenland noch weiter. Die Bundesregierung
klagte gerade erst – natürlich mit Erfolg – vor dem
Internationalen Gerichtshof in Den Haag, weil ein griechisches
Gericht Deutschland zu Entschädigungen verurteilt hatte. Das
Bonner Finanzministerium aber war hinter allem her, was die
Deutsche Wehrmacht in Griechenland in der Eile des Abzugs nicht
mitgenommen haben könnte. Der Historiker Hagen Fleischer
berichtet: Als die Presse meldete, in Griechenland werde nach
einem Schatz gesucht, den marodierende Wehrmachtsoffiziere vor dem
deutschen Abzug für bessere Zeiten vergraben hätten, bat man das
Auswärtige Amt, eruieren zu lassen, »ob es sich bei den
vergrabenen Goldmünzen um deutsches Reichsvermögen handelt und in
welcher Weise dieses nachgewiesen werden kann.«
Der Bremer Sozialwissenschaftler und Historiker Karl Heinz Roth
hat in einer soeben erschienenen Schrift (»Griechenland: Was tun?«
VSA Verlag, Hamburg 2012, 94 Seiten, 9,80 Euro) zusammengefaßt,
wie die blonden Achaier damals in Griechenland wüteten und
plünderten:
»Unmittelbar nach dem Einmarsch konfiszierten sie alle strategisch
wichtigen Rohstoffe und transportierten sie ins Reich ab.
Anschließend brachten sie die Montanindustrie und den
Transportsektor unter ihre Kontrolle und beuteten sie systematisch
aus. Parallel dazu werteten sie die Nationalwährung – die Drachme
– ab und etablierten ungleiche Tauschrelationen im Rahmen eines
bilateralen Verrechnungssystems. Zusätzlich preßten sie der
Nationalbank gewaltige Geldbeträge und Zwangsanleihen zur
Finanzierung der Besatzungskosten sowie riesiger militärischer
Infrastrukturinvestitionen ab. Durch diese raubwirtschaftlichen
Maßnahmen lösten sie eine Hyperinflation aus, die schon im Winter
1941/42 zu einer Hungerkatastrophe mit über 100000 Toten führte.
Darauf folgten 1942/1943 die Ausplünderung und Zerstörung von über
1600 Ortschaften im Rahmen der Partisanenbekämpfung, wodurch eine
Million Menschen obdachlos wurden. Und als sich die deutschen
Okkupanten im Herbst 1944 wieder aus Griechenland zurückzogen,
zerstörten sie die die ökonomische und verkehrstechnische
Infrastruktur weitgehend. Auf diese Weise teilte Griechenland das
Schicksal der besetzten osteuropäschen Territorien, deren
sozialökonomische Basis einem in diesem Ausmaß noch nie
dagewesenen Raub- und Vernichtungskrieg zum Opfer fiel.«
Am Sonntag haben die Griechen – so wie es Angela Merkel befahl –
mit einer Mehrheit wieder eine Regierung der Kollaboration
gewählt, die die Verelendung ihres Landes absichert. Um 21.35 Uhr
stand Caren Miosga für die ARD am »Fuße der Akropolis, wo einst
die Demokratie geboren wurde«, und zeigte sich froh: »Das Ergebnis
könnte für Resteuropa eine große Erleichterung bedeuten« Sie
befragte die Wähler. Ein Grieche war mit der Wahl zufrieden. Er
sagte: »Wir werden brave Bürger sein und nicht Zigeuner.«