Demonstration für eine "Sofortige und bedingungslose Waffenruhe!"
am 5.8.2006 in Heidelberg
"Es gibt eine Lösung - wenn beide Seiten sich an
Verträge, Völkerrecht und UN-Resolutionen
halten!"
Redebeitrag
von Winfried Belz, Heidelberger Friedensratschlag
Wenn ich in diesen Tagen mit Leuten ins Gespräch über die Tragödie im
Nahen Osten komme, höre ich sie oft sagen:
„Wie soll das noch weitergehen?“
„Niemand hat eine Lösung!“
So verständlich die Ohnmacht ist, die da ausgesprochen wird, so falsch
halte ich die Meinung, es könne dort keinen Frieden geben!!
Es gibt eine Lösung - wenn beide Seiten sich an
Verträge, an Menschen-und Völkerrecht sowie an die Resolutionen der UN
halten!
Allerdings sind beide Seiten in diesem Konflikt in einer total
gegensätzlichen Lage:
Auf der einen Seite der Staat Israel als ein geordneter Staat mit einer
funktionierenden Demokratie, Wirtschaft, einer hochgerüsteten Armee und
mit Rückendeckung der Supermacht USA.
Auf der anderen Seite das pal. Volk, das nichts von alledem hat!
Vielmehr lebt es seit 1967, also seit fast 40 Jahren, unter isr.
Besatzung, die ihm elementare Menschenrechte vorenthält und das Leben
immer unerträg-
licher macht.
Ich sagte vorhin: „Es gibt eine Lösung, wenn beide Seiten sich an
Verträge halten!“
Welche Folgen das hat, wenn das nicht geschieht, will ich nachfolgend
an der sog. „Road map“ zeigen:
Im September 2002 wurde ein Friedensplan für den Nahen Osten von vier
Instanzen vorgelegt: USA – EU – Russland und die UN.
Dieser Plan hatte das Ziel eines friedlichen Nebeneinanders von Israel
und einem unabhängigen pal. Staat. Diese „Straßenkarte für Frieden“
wurde Ende April 2003 beiden Konfliktparteien übergeben, wobei Israel
sofort Bedenken und Vorbehalte äußerte. Die „road map“ wurde übrigens
auch von den UN in der Sicherheitsresolution 1515 befürwortet.
Wenn die Bestimmungen und der Zeitplan dieses Vertrags verwirklicht
worden wären,
- gäbe es seit Ende 2005 einen autonomen Staat „Palästina“ mit
endgültigen Grenzen,
- wäre auf dem Verhandlungsweg Einigung erzielt über Jerusalem,
- gäbe es eine Übereinkunft über die isr. Siedlungen auf pal.
Gebiet,
- und es gäbe eine Lösung des Flüchtlingsproblems.
Doch wie sieht die Wirklichkeit zwischen Israelis und
Palästinensern heute aus?
Kein eigenständiger Staat Palästina mit anerkannten Grenzen --
- vielmehr ein in kleine, lebensunfähige Territorien zerstückeltes
pal. Gebiet, - eingesperrt hinter einer völkerrechtswidrigen
Sperranlage bzw. Mauer;
- durchsetzt von völkerrechtswidrigen Siedlungen Israels, die durch
Schnellstraßen miteinander verbunden sind und die Palästinenser nicht
befahren dürfen; Kontrollstellen, sog. „Checkpoints“ innerhalb des
besetzten Westjordanlandes, die das Leben der pal. Bevölkerung
strangulieren;
- und der ganz offensichtlich aus taktischen Gründen von Israel
geräumte Gazastreifen ist ein Freiluftgefängnis, in dem die Menschen
einer humanitären Katastrophe ausgeliefert sind!
Und Jerusalem, die Stadt, die beiden Völkern so wichtig ist --
- Im Krieg von 1967 eroberte Israel den Westteil der Stadt. 1980
erklärte es einseitig Jerusalem zur „ungeteilten und ewigen Hauptstadt
Israels“.
- Im selben Jahr beschloss das israelische Parlament die
Einverleibung Ostjerusalems. Durch zielstrebigen Siedlungsbau um den
Ostteil der Stadt während der letzten Jahre hat Israel diese Ziel
erreicht – natürlich nicht als Ergebnis von Verhandlungen mit den
Palästinensern, sondern durch das gewaltsame Schaffen von Tatsachen!
Nach den Bestimmungen der „road map“ hätte Israel alle
Siedlungen auf pal. Boden, die nach 2001 errichtet worden waren, räumen
müssen –
- Stattdessen ging und geht in all den Jahren der
völkerrechtswidrige Siedlungsbau ungebremst weiter. Diese Siedlungen
sind z.T. riesige, wehrartige Trabantenstädte auf Hügeln und werden
meist von extrem aggressiven Israelis bewohnt, die den Palästinensern
das Leben zur Hölle machen. In diesem Zusammenhang möchte ich
wenigstens den Namen der Stadt „Hebron“ nennen!
- Es gibt heute über 400 israelische Siedlungen unterschiedlicher
Größe, in denen mehr als 250 000 Israelis leben unter knapp 3 Millionen
Palästinenser.
Statt den Verbleib von Hunderttausenden pal. Flüchtlinge in
fairen Verhandlungen zu lösen –
- macht Israel durch seinen rabiaten Vernichtungskrieg gegen die
libanesische Bevölkerung und durch die Zerstörung der Infrastruktur 20%
zu Flüchtlingen im eigenen Land!
Zur Veranschaulichung ein Vergleich:
Bei uns in Deutschland mit seinen rd. 80 Mill Einwohnern wären rund 16
Mill auf der Flucht vor dem Bombenhagel!
Was ich gerade beschrieben habe, zeigt das totale Versagen des
„Nahost-Quartetts“! Über die EU ist auch Deutschland an diesem Versagen
mitbeteiligt!
Nachdem die Regierung der Großen Koalition im Palästina-Konflikt
lediglich ihr Verhältnis zu den USA zu harmonisieren suchte, traut sie
sich bis heute nicht, im laufenden Libanonkrieg einen sofortigen
Waffenstillstand von beiden Seiten zu fordern, solange Israel dazu
nicht grünes Licht gibt! Vielmehr versucht unsere Regierung sogar, die
EU daran zu hindern, auch von Israel einen Beitrag zum Ende des Krieges
zu verlangen!
Da das „Nahost-Quartett“ bisher nichts unternommen hat, um die Verstöße
gegen die „road map“ zu verhindern bzw. zu ahnden, halte ich es für
überfällig, Deutschland und die EU aufzufordern, das „Quartett“ zu
verlassen.
Im Rahmen der EU sollte die Bundesregierung eine eigenständige Politik
im Nahen Osten entwickeln. Maßstab dieser neuen Politik müssen
Völker- und Menschrechte sein!
Ferner sollten wir von der Bundesregierung fordern, mit der
israelischen Regierung auf Augenhöhe zu reden und sie zur Rechenschaft
zu ziehen für die Zerstörungen von Einrichtungen in den pal .Gebieten
und im Libanon, die mit deutschen und europäischen Steuergeldern
aufgebaut worden waren.
Zu Beginn meiner Rede betonte ich:
Es gibt eine Lösung des jahrzehntelangen Kampfes zwischen
beiden Völkern, wenn beide Seiten sich an abgeschlossene
Verträge, an Menschen- und Völkerrecht und an die UN-Resolutionen
halten!
Da Israel in diesem schrecklichen Konflikt aber der weitaus stärkere
und überlegene Teil ist, hat es die Möglichkeit und die moralische
Verpflichtung, den Palästinenserinnen und Palästinensern endlich ihren
eigenen Staat zu zugestehen!
Doch dazu muss Israel sich von den Plänen, ein Großreich „Israel“ zu
errichten, endgültig und verbindlich verabschieden!
Wirkliche Sicherheit für das israelische Volk kann es nur geben,
wenn das pal. Volk einen eigenen lebensfähigen Staat hat!
Dafür sollten wir uns gerade als deutsche Friedensbewegung engagiert
einsetzen!
Die Friedenskräfte in beiden Völkern erwarten und brauchen uns!