Presse,
Reaktionen etc. zur Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“
Palästina/Nahost-Initiative Heidelberg
Presseerklärung zu Kritik an der Nakba-Ausstellung in
der VHS Heidelberg
Heidelberg, 22.9.2011
Vom 23.9. bis 21.10 zeigt die Volkshochschule in Zusammenarbeit mit der
„Palästina/Nahost-Initiative Heidelberg“ die Wanderausstellung „Die Nakba –
Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“. In einem
tendenziösen Artikel des Mannheimer Morgens von heute erheben Vertreter der
Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg und der Hochschule für Jüdische Studien
Heidelberg Vorwürfe gegen die Ausstellung, die wir nicht unwidersprochen lassen
wollen.
Es ist nicht verwunderlich, dass Personen, die sich nur Israel verbunden fühlen,
eine andere Sicht auf die Gründungsgeschichte Israels haben als die Ausstellung.
Das macht sie keineswegs „zweifelhaft“, wie der Rabbiner der jüdischen Gemeinde,
Janusz Pawelczyk-Kissin, urteilt, ohne sie selbst gesehen zu haben. Sie ist ein
Beitrag zur Diskussion und zum besseren Verständnis der Sicht der Palästinenser.
Wir weisen insbesondere die üble Unterstellung von Herrn Pawelczyk-Kissin
zurück, mit dem Begriff „Nakba“ würde eine Gleichsetzung der Vertreibung der
Palästinenser und dem „Massenmord an den Juden durch die Nationalsozialisten“
betrieben.
Auch die Kritik von Professor Johannes Heil zeigt nur eine andere
Parteilichkeit. Mit dem Vorwurf, die arabischen Staaten hätten zu wenig getan,
um die Flüchtlinge zu integrieren, versucht Israel schon lange von der eigenen
völkerrechtlichen Verpflichtung abzulenken, diesen die Rückkehr zu ermöglichen
oder ihnen eine angemessen Entschädigung anzubieten. Den Vorwurf, die
Ausstellung habe „erhebliche handwerkliche Fehler“, müsste Prof. Heil noch
belegen.
Bedauerlich ist, dass Herr Pawelczyk-Kissin und Herr Heil ihre Kritik nicht im
Rahmen der Podiumsdiskussion einbringen werden. Den Vorwurf, wir hätten die
Diskussion mit Absicht auf den Vorabend des jüdischen Neujahrsfests gelegt,
weisen wir zurück. Als die Einladung an die jüdische Gemeinde und die jüdische
Hochschule erging, waren durchaus auch noch alternative Termine in der
Volkshochschule reserviert. Ein kurzer Hinweis auf den Feiertag hätte genügt.
Die jüdische Hochschule hat uns aber erst vor wenigen Tagen geantwortet, als das
Programm schon im Druck war. Die jüdische Gemeinde hat früher abgesagt, ohne
Begründung und ohne Verweis auf den Feiertag. Der jüdische Verleger Abraham
Melzer wiederum, der an der Podiumsdiskussion teilnehmen wird, hatte an dem
Termin nichts zu beanstanden.
Die Veranstaltung mit Rolf Verleger wurde im Einverständnis mit ihm auf den 20.
Oktober, den Vorabend des Festes „Tag der Thorafreude“, gelegt. Der Beginn wurde
so gewählt, dass ihm und anderen der Besuch der Synagoge vorher möglich ist.
Es geht bei der Ausstellung generell nicht um Religion und auch nicht um
Judentum, sondern um geschichtliche Ereignisse rund um die Gründung des Staates
Israels. Der Vorwurf, es wäre uns bei den Diskussionsangeboten nicht um
„Ausgleich, sondern um Zuspitzung, ja um gezielte Entwürdigung der jüdischen
Seite“ gegangen, ist daher absurd.
Wir werden uns weiter um ein öffentliches Gespräch bemühen. Wir sind für alle
Terminvorschläge von Seiten der Jüdischen Kultusgemeinde und der Hochschule für
Jüdische Studien oder anderer Interessenten offen. Die Ausstellung ist noch bis
12. November in Heidelberg zu sehen, ab 23. Oktober in den Räumen des
Palmyra-Verlags.
Brief an Redaktion und Autor des RNZ-Berichts
über die Ausstellung ("Eine einseitige
oder doch eine unterdrückte Sichtweise" vom 24.9.2011)
Heidelberg, 25.9.2011
Sehr geehrter Herr Hörnle, sehr geehrte Redaktion,
Ihr Bericht über die Nakba-Ausstellung zeichnet sich diesmal – im Gegensatz zum
sachlichen Artikel vom Mai 2008, als diese in Wiesloch gastierte – durch starke
Unausgewogenheit aus. Den Vorwürfen einiger VVN-Mitgliedern, die ihren Unmut
über den Beschluss des Ortsverbandes, die Ausstellung zu unterstützen, auf
Handzetteln heraus ließen, wurde breiten Raum eingeräumt, die angegriffenen
Veranstalter jedoch nicht einmal zu den Vorwürfen befragt.
Dabei hätte ein Blick auf das Begleitprogramm genügt, um zu sehen, dass die
Dissidenten es nicht richtig gelesen haben. An keiner Stelle steht, dass „Kritik
an Israel Tabu“ sei. Tatsächlich ist die Rede davon, dass das Thema „Nakba“,
d.h. die Vertreibung der Palästinenser 1948, in Israel Tabu ist und die
Ausstellung hierzulande z.T. sehr heftige Kritik ausgesetzt war. Diese kommt
insbesondere von den jüdischen Gemeinden. Es war daher als Entgegenkommen der
Veranstalter gedacht, ein Gesprächsangebot ins Begleitprogramm aufzunehmen.
Dass die Podiumsdiskussion nächsten Mittwoch aus Versehen auf den Vorabend eines
jüdischen Feiertages gelegt wurde, ist bedauerlich. Die Vhs hatte allerdings
zwei Ausweichtermine reserviert. Hätte die jüdische Hochschule nicht erst 10
Tage vor Ausstellungsbeginn auf unsere Einladung geantwortet, so hätten wir die
Diskussion problemlos einen Tag vorverlegen können.
Wie Prof. Heil die jüdischen Feiertage verbringen möchte, ist selbstverständlich
seine Sache. Er sollte aber tolerieren, wenn andere Juden damit anders umgehen.
Der jüdische Verleger Abraham Melzer wird zur Podiumsdiskussion kommen und u.a.
auch dazu Stellung beziehen. Rolf Verleger, ehemaliges Mitglied des Zentralrats
der Juden, hat den Termin für die Veranstaltung mit ihm selbst vorgeschlagen. Da
die Veranstalter dies schon im Vorfeld in einer Presseerklärung erläutert
hatten, ist es mehr als unredlich, den Artikel ohne dies zu erwähnen, mit Herrn
Heils Vorwurfs eines „Affronts“ gegen Juden enden zu lassen.
Auch der Vorwurf Heils, die Palästina-/Nahost-Initiative rufe zum Boykott
israelischer Waren auf, wird ohne zu hinterfragen wiedergegeben. Tatsächlich
beziehen sich deren Aufrufe, wie leicht auf ihrer Homepage nachzusehen ist,
allein gegen Waren aus den illegalen Siedlungen im besetzten Westjordanland.
Der Vorwurf, in der auf 14 Tafeln beschränkten Ausstellung fehle dies und jenes,
ist billig. Die von Prof. Heil geäußerte Kritik, wie z.B. die seiner Ansicht
nach fehlender Berücksichtigung, des mit den Nazis sympathisierenden Großmuftis
von Jerusalem, zeugt zudem nicht von großer Sachkenntnis. Belege dafür, wie
bescheiden der Einfluss des Großmuftis auf die Palästinenser damals war, kann
man schon bei Wikipedia finden. Und Herr Heil wird ja hoffentlich nicht aus der
partiellen Zusammenarbeit einiger palästinensischer Führer mit dem Feind ihres
Feindes irgend eine Rechtfertigung für die Vertreibung von über 80% Prozent der
damaligen Bevölkerung und die Zerstörung ihrer Dörfer ableiten wollen.
Mit freundlichen Grüßen,
Joachim Guilliard,
Palästina-/Nahost-Initiative
P.S.: Interessant für Sie könnte sein, wie andere Zeitungen berichteten:
z.B. am 28. April 2011 die Neue Zürcher Zeitung "Unerwünschte
Palästina-Ausstellung - Systematische Diskreditierung durch jüdisch-deutsche
Interessengruppen"
Oder als Beispiel für sachliche und ausgewogene Berichterstattung der Aachener
Nachrichten über die Kontroverse in Aachen, sowohl deren
Seite vom 3.Mai 2011 als auch der
Bericht zur Ausstellungs-Eröffnung in Aachen oder der
Besuch zweier holländischer Rabbiner.
Sittenwächter des Tages
Für ein paar Heidelberger Mitglieder der VVN/BdA, herrschte am Freitag höchste
Alarmstufe. Es galt, sich öffentlich von einem unerhörten Vorfall zu
distanzieren. Mit „nicht in
unserem Namen“ protestierten sie entschieden gegen die Entscheidung des
örtlichen Verbandes, eine Ausstellung in der Volkshochschule Heidelberg zu
unterstützen, die einen hierzulande kaum beachteten Aspekt der Staatsgründung
Israels beleuchtet: die von arabischer Seite als „Nakba“ (Katastrophe)
bezeichnete Flucht und Vertreibung des größten Teils der Palästinenser 1948.
Vor allem eine
Podiumsdiskussion über die Ausstellung schrie nach öffentlicher Empörung. In
deren Ankündigung werde suggeriert, so heißt es auf den verteilten Zetteln, in
Deutschland sei Kritik an Israel ein Tabu. Absolut unerträglich sei, dass zur
Diskussion über die Ausstellung und über „Notwendigkeit und Grenzen der Kritik
an Israel“ die jüdische Gemeinde als „Spezialistin“ eingeladen wurde.
In ihrem Zorn hatten die wackeren Empörten jedoch nicht richtig gelesen: In
der Ankündigung steht nur, dass das Thema „Nakba“ in Israel Tabu ist und die
Ausstellung auch in Deutschland z.T. heftiger Kritik ausgesetzt wird –
insbesondere von den jüdischen Gemeinden.
Die rechtslastige örtliche Zeitung bedankte sich natürlich und nahm diese
Vorlage in ihre Breitseite gegen die Ausstellung auf. (JG)