Amnesty International: Alle Supermärkte im Südlibanon zerstört
Rüdiger Göbel
24.08.2006 / Schwerpunkt / Seite 3
http://www.jungewelt.de/2006/08-24/053.php
Die israelische Armee hat im Libanon-Krieg gezielt die Zivilbevölkerung
angegriffen und die nichtmilitärische Infrastruktur zerstört. Zu dieser
Schlußfolgerung kommt die Menschenrechtsorganisation Amnesty
International (ai) in ihrem am Mittwoch in London vorgelegten Bericht
»Deliberate destruction or ›collateral damage‹«. »Die Fakten weisen
stark darauf hin, daß die massiven Zerstörungen an öffentlichen
Einrichtungen, Kraftwerken, Wohnungen und der Industrie beabsichtigt
und ein integraler Bestandteil der Militärstrategie waren und nicht
bloß Kollateralschäden«, heißt es in dem Report. Viele der von Amnesty
untersuchten Verstöße seien Kriegsverbrechen.
Aus ai-Sicht beweist gerade die hohe Treffgenauigkeit, daß die Schäden
an zivilen Einrichtungen beabsichtigt waren. So seien viele Häuser
gezielt zum Einsturz gebracht worden, indem einzelne tragende Pfeiler
beschossen wurden und das Gebäude dann unter seinem eigenen Gewicht
zusammenbrach. Die Präzision bei der Zerstörung zeige, daß eben genau
dieses Gebäude auch getroffen werden sollte.
Im Südlibanon gibt es laut Amnesty kein Dorf, in dem nicht der örtliche
Supermarkt angegriffen worden ist. In einzelnen Ortschaften seien sogar
einzig Lebensmittelgeschäfte zerstört worden. Beobachter gehen davon
aus, daß mit den Präzisionsschlägen auch Plünderungen der israelischen
Armee, die aufgrund der Dauer des Krieges Versorgungsschwierigkeiten
hatte, vertuscht werden sollten.
Der führende UN-Minenexperte Tekimiti Gilbert warf Israel am Mittwoch
zudem den gezielten Einsatz von Streubomben vor, deren Blindgänger noch
nach Jahren explodieren können. Es gebe keine Zweifel, daß Israel beim
Einsatz dieser Geschosse– 170 Fälle sind nachgewiesen – gegen
Dorfzentren das Völkerrecht verletzt habe, sagte Gilbert der
Nachrichtenagentur Reuters. Es werde mindestens zwölf Monate dauern,
die Blindgänger zu beseitigen. Laut Gilbert sind seit Beginn des
Waffenstillstands am 14.August durch Blindgänger acht Menschen getötet
und mindestens 25 verletzt worden.