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Verbranntes Land

Enorme Kriegsschäden in Libanon und Israel

Karin Leukefeld
junge Welt, 21.08.2006 / Ausland / Seite 7
http://www.jungewelt.de/2006/08-21/008.php 

Der Wiederaufbau im Libanon soll kommende Woche offiziell beginnen. Ein Programm zum Bau von Wohnhäusern, Krankenhäusern, Schulen und Straßen solle in dieser Woche gestartet werden, sagte Libanons Finanzminister Dschihad Asur am Samstag gegenüber Nachrichtenagenturen. Die libanesische Regierung hat die Schäden durch den wochenlangen Konflikt auf rund 3,6 Milliarden Dollar (2,8 Milliarden Euro) beziffert. Rund 15000 Häuser, 80 Brücken und fast einhundert Straßen wurden beschädigt oder zerstört. Libanon hat 500 Millionen Dollar Nothilfe aus Saudi-Arabien und 800 Millionen Dollar aus Kuwait erhalten. Der Golfstaat Katar kündigte am Samstag an, die schwer zerstörte Stadt Bint Dschbeil im Südlibanon wieder aufzubauen.

Nach Angaben israelischer Tageszeitungen hat der Krieg gegen den Libanon mit schätzungsweise 5,7 Milliarden US-Dollar zehn Prozent des gesamten israelischen Staatshaushalts verschlungen. Die Summe entspricht der Hälfte des Verteidigungshaushalts, so die Zeitung Yediot Aharonot, könnte aber noch auf sieben Milliarden US-Dollar ansteigen. Israelische Regierungsquellen hingegen beziffern die Kriegskosten auf lediglich 2,3 Milliarden US-Dollar. Danach haben 3970 Katjuscharaketen 750000 Bäume, vermutlich Obstplantagen, verbrannt. Außerdem seien 12000 Wohnungen, 1600 Fahrzeuge, 600 Geschäfte und 100 Fabriken zerstört worden.

Ganze Dörfer ausradiert

Israel hat in den 34 Tagen des Krieges eigenen Angaben zufolge rund 7000 Angriffe geflogen, viele davon mit mehreren Bombenabwürfen. Israelische Kriegsschiffe sollen mehr als 2500 Raketen auf Libanon abgeschossen haben. Nach Angaben der UN-Übergangsmission im Libanon (UNIFIL) und dem Nationalen Entminungsprogramm wurden täglich 2600 Stück verschiedenster Munition von Israel in den Libanon geschossen: Artilleriegeschosse, Raketen und Bomben, zehn Prozent davon dürften nicht explodiert sein und gefährden als Blindgänger weiterhin die Zivilbevölkerung, insbesondere Kinder.

Allein in einem dichtbesiedelten südlichen Vorort von Beirut wurden auf einer Fläche von 1000 Quadratmetern die Wohnungen von 40000 Menschen dem Erdboden gleichgemacht. Im Süden Libanons sind ganze Dörfer, so auch Bint Jbeil, nur noch eine Steinwüste. Bauern haben ihre gesamten Ernten verloren. Landwirtschaftsprojekte, finanziert mit internationalen Hilfsgeldern, um im Südlibanon neue Einnahmequellen zu schaffen, wurden zerstört. In Khiam, wo während der israelischen Besatzungszeit (1982 bis 2000) ein berüchtigtes Foltergefängnis stand, brennen Journalisten des iranisch-arabischen Fernsehsenders Al Alam zufolge noch immer Weizen- und Maisfelder, die durch israelische Luftangriffe in Brand gesetzt worden waren. Die wenigen Anwohner, die bisher dorthin zurückkehrt sind, haben keine Möglichkeiten, die Feuer, die sich bei dem trockenen Wetter rasch ausbreiten, zu löschen.

Drei Wochen lang brannten auch die Öltanks am Flughafen von Beirut, die von Israel bereits zu Beginn des Krieges zerstört worden waren. Abgesehen von der Verschmutzung von Meer und Strand, meint Wael Hmaidan, Koordinator der Umweltschutzorganisation Greenline in Beirut, habe die Rauchwolke über den brennenden Tanks, die 60 Kilometer weit zu sehen war, viele Giftstoffe enthalten, unter anderem Dioxin: »Das führt zu Krebs und Atemproblemen, möglich sind auch Fehlgeburten oder Mißbildungen.« Auch Greenpeace Libanon hat auf die verheerenden Folgen des Krieges für Mensch und Natur aufmerksam gemacht. Durch die Bombardierung von Plastik- und Glasfabriken sei eine Fülle chemischer Giftstoffe freigesetzt worden. Am 12. August wurden durch einen israelischen Angriff Transformatoren des Umspannwerks in Sidon zerstört. Das Elektrizitätswerk liegt in nächster Nähe zu Wohnhäusern, deren Fensterscheiben bei dem Angriff zerbarsten. Die alte Anlage arbeitete noch immer mit Transformatoren, die Polychloridbiphenyl (PCB) enthalten, was international verboten ist, weil es beim Austritt in die Atmosphäre hochgiftig ist. Das Einatmen von PCB kann zu allen möglichen Arten von Krebs führen. Unklar ist, welche giftigen Substanzen die israelische Munition enthalten. Neben international geächteten Streu- und Phosphorbomben, ist sehr wahrscheinlich, daß auch uranhaltige Munition zum Einsatz kam, insbesondere im Süden und in den südlichen Vorstädten Beiruts, wo Israel angebliche Einsatzzentralen und Tunnelanlagen der Hisbollah zerstören wollte. »Während des Krieges konnte niemand die Schäden untersuchen«, so Omer Naiem von Greenpeace. Daher wisse man auch nicht, welche Kosten auf das Land zukämen.

Klar scheint allerdings, daß nicht nach dem Verursacherprinzip verfahren wird, wonach Israel die Schäden bezahlen müßte, die es mit den völkerrechtswidrigen Angriffen im Libanon verursacht hat. Israel wird offensichtlich mit einem anderen Maß gemessen, als andere Staaten, wie beispielsweise der Irak nach seinem Einmarsch in Kuwait 1990. Obwohl selbst David Shearer, Koordinator des Büros für Humanitäre Angelegenheiten (OCHA), Journalisten mehrfach darauf hinwies, daß Israel gezielt und absichtlich Zivilisten und zivile Infrastruktur im Libanon angegriffen habe, ist das von UN-Seite offiziell nicht zu hören. Der UN-Sicherheitsrat forderte vielmehr in seiner Resolution 1701 (Paragraph 6) »die internationale Gemeinschaft (auf), sofortige Schritte zu unternehmen, um die finanzielle und humanitäre Hilfe für das libanesische Volk auszuweiten.« Dazu gehöre auch der Schutz der zurückkehrenden Vertriebenen und, mit Zustimmung der libanesischen Regierung, die Wiedereröffnung der Häfen und des Flughafens. Im übrigen müsse zukünftige Hilfe auch für den (Wieder)Aufbau und die Entwicklung des Libanon geleistet werden.

Das Welternährungsprogramm (WFP) hat derweil Zahlungen für die laufenden Notprogramme angemahnt. Von den zugesagten 39,5 Millionen US-Dollar seien bisher nur 19,2 Millionen (47 Prozent) tatsächlich überwiesen worden. Zusammen mit dem UNHCR, dem Syrischen Roten Halbmond und der Aga-Khan-Stiftung versorgt WFP an der syrisch-libanesischen Grenze Zehntausende Flüchtlinge, die aus Damaskus zurückkehren. Mehr als 200000 Menschen zogen schon am ersten Tag der Waffenruhe wieder in den Süden, täglich werden es mehr. Auch hier versorgt WFP durch lokale Partnerorganisationen vor Ort die Menschen mit Lebensmittelpaketen. Wegen der schwer zerstörten Küstenstraße brachte ein von der UN gemietetes Schiff Lebensmittel, Trinkwasser, Medikamente und Benzin von Beirut nach Tyros.

Hilfe für Ausgebombte

In Beirut begann die Hisbollah am vergangenen Dienstag, ausgebombte Familien zu registrieren. In einer Fernsehansprache hatte Hisbollahführer Hassan Nasrallah erklärt, man werde den Familien helfen, die ihre Wohnungen verloren hätten. »Wir werden jeder Familie soviel zahlen, daß sie für ein Jahr eine andere Wohnung mieten und einrichten kann«, so Nasrallah. Niemand solle sich anstellen und um Hilfe bitten müssen. Außerdem würden Hisbollahaktivisten bei den Aufräumarbeiten helfen und beschädigte Wohnungen und Häuser reparieren.