Europa muss handeln!

Gespräch mit Dror Feiler, Vorsitzender der Organisation EJJP (European Jews for a Just Peace)
„antifa“, Juli/August

Ihre Organisation „Europäische Juden für einen gerechten Frieden“ hat Anfang Juni 2007 ihre 5. Jahrestagung in Berlin durchgeführt. Mit welchen Ergebnissen?

Wir haben eine Resolution unter dem Titel „Bevor es zu spät ist“ angenommen, in der wir eine entschlossene europäische Initiative für einen gerechten Frieden im Nahen Osten fordern. An Bundeskanzlerin Merkel als Ratspräsidentin der EU haben wir einen offenen Brief gerichtet, in dem wir sie auffordern, die EU-Regierungen zur Aufhebung des Boykotts der Regierung Palästinas und zur Entfaltung eines friedensfördernden Dialogs mit allen Regierungsparteien zu bewegen. Die Okkupation palästinensischer Gebiete dauert seit 40 Jahren an. Eine gerechte Lösung muss nicht morgen oder übermorgen, sondern heute gefunden werden. Die Politik Israels schürt das Feuer des politischen, ethnischen und religiösen Extremismus in der Region. Ohne Druck von außen wird sich daran nichts ändern.

Meinen Sie, dass Europa in diesen Fragen etwas bewegen kann, wo doch die USA der wichtigste Verbündete Israels sind?

Die EU ist der größte Handelspartner Israels. Auch sonst sind für Israel die Beziehungen zu Europa sehr wichtig, es will ein Teil Europas sein. In dem Assoziierungsabkommen der EU mit Israel werden dem Land spezielle Handelsvergünstigungen eingeräumt. Aber in der Präambel ist festgeschrieben, das der Vertrag auf der Anerkennung internationalen Rechts und der Wahrung von Demokratie und Menschenrechten basiert. Israel verletzt jeden Tag das Völkerrecht und grundlegende Menschenrechte. Die EU muss den Vertrag suspendieren, wenn sie ihre eigenen Ansprüche ernst nimmt. Wir fordern außerdem schon lange den sofortigen Stop jeder Militärhilfe, da sie unmittelbar zur militärischen Unterdrückung der Palästinenser beiträgt. Verletzungen des Völkerrechts, egal von wem sie begangen werden, müssen sanktioniert werden, sonst gibt es bald keines mehr.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass sie gegenüber Israel eine besondere Verantwortung hat. Meinen Sie nicht, dass es gerade Deutschland nicht ansteht, Forderungen an Israel zu stellen?

Mit dieser Haltung blockiert die Regierung der BRD eine Politik der Vernunft gegenüber Israel. Für ein schlechtes Gewissen wegen der Vergangenheit ist es heute zu spät. Stattdessen wäre ein schlechtes Gewissen wegen der heutigen Politik der doppelten Maßstäbe angebracht. Die Europäische Union und die USA gestehen der israelischen Regierung, etwa in Bezug auf Finanztransfers, den Gebrauch von Gewalt und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Palästinenser Rechte zu, die sie damit der palästinensischen Autonomiebehörde entziehen. Wo gibt es das noch auf der Welt, dass ein Staat einfach Parlamentarier und Regierungsmitglieder eines anderen Staates inhaftiert? Das Existenzrecht Israels, dessen Anerkennung ständig angemahnt wird, wird erst dann zur unangefochtenen Normalität werden, wenn Israels Regierung akzeptiert, dass das selbe Existenzrecht und ein Leben in Frieden und Würde auch für die Palästinenser und ihren Staat gelten müssen. 

Was ist die EJJP für eine Organisation, warum wurde sie gegründet, wer gehört ihr an?

“European Jews for a Just Peace” (EJJP) ist eine Föderation von jüdischen Friedensorganisationen aus Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Schweden, der Schweiz und Großbritannien. Wir haben uns im Jahr 2002 in Amsterdam gegründet. Unser Hauptanliegen war, als Menschen jüdischer Herkunft öffentlich zu dokumentieren, dass die Besatzung und Besiedlung von Gebieten außerhalb der Grenzen Israels nicht zum Schutz und im Namen aller Juden der Welt geschieht. Daher unsere Losung „Nicht in unserem Namen!“ Unsere deutsche Sektion nennt sich „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“. Sie war bereits zweimal Gastgeber unserer Jahrestagung.

Sie selbst wurden in Israel geboren, sind ein viel beschäftigter Komponist und Musiker und seit langem schwedischer Staatsbürger. Warum engagieren Sie sich für EJJP?

Meine Eltern waren beide Zionisten, sie sind schon vor dem Krieg in das Mandatsgebiet Palästina eingewandert und haben in einem Kibbutz gelebt. Nach der Staatsgründung traten sie immer für eine Koexistenz Israels mit den arabischen Nachbarn ein. Meine Mutter, die als erste Frau in Palästina Medizin studiert hat, ist bis heute politisch aktiv. Gemeinsam mit palästinensischen Frauen engagiert sie sich zum Beispiel gegen die Sperrmauer. Und ich setze mich hier, wo ich lebe, in Europa, für die Überzeugung ein, dass Frieden und Gerechtigkeit untrennbar zusammengehören.

Kontakt zu EJJP Deutschland über
Prof. Dr. Fania Reisin
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifwalder Str. 4
D-10405 Berlin
Deutschland
www.ejjp.org und http://www.juedische-stimme.de/