Erklärung der Abgeordneten der
Fraktion Die Linke
nach der besonderen Sitzung des Auswärtigen
Ausschusses zur Lage im Nahen Osten:
Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel,
Monika Knoche, Norman Paech
Der Auswärtige Ausschuss ist auf
Initiative der Fraktion Die Linke. zusammen getreten, um über die Lage
im Nahen Osten zu debattieren. Das ist gut und wichtig. Die
Bundesregierung hat wie die USA Israel offensichtlich Stillhalten
zugesagt.
Israelische Truppen haben den
Gaza-Streifen besetzt. Der Libanon wird von der See, aus der Luft und
durch Bodentruppen angegriffen. Darüber hinaus will Israel den Libanon
offenbar in einen Bürgerkrieg stürzen. Der Angriff von Hizbollah auf
israelischem Territorium ist nicht mit dem Widerstandsrecht zu
legitimieren und stellt ebenso einen Akt der Aggression dar wie ihre
Raketenangriffe auf israelische Städte. Dies hat die Krise in der
Region explosionsartig verschärft. Israel hat die Wahrnehmung seines
Rechts auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der UN-Charta missbraucht
und einen Angriffskrieg begonnen, der offensichtlich in Absprache mit
den USA von langer Hand vorbereitet wurde. Damit sind die militärischen
Aktionen Israels nicht mehr durch das Völkerrecht legitimiert. In der
Region bahnt sich eine humanitäre Katastrophe an. Das soziale Leben in
den palästinensischen Autonomiegebieten ist vollständig
zusammengebrochen. Die Sperrung der Hilfsgelder durch die EU und die
Einbehaltung von palästinensischen Zoll- und Steuereinnahmen durch
Israel haben die Lage verschärft. Die Abriegelung der palästinensischen
Gebiete hat das öffentliche Leben zum Erliegen gebracht. Im Libanon
sind rund eine halbe Million Menschen auf der Flucht vor dem Krieg.
Durch das israelische Vorgehen gegen die Palästinenser und den Libanon
wird der Iran-Konflikt und der Bürgerkrieg im Irak zusätzlich
verschärft. Allein im letzten Monat wurden 6.000 Bürgerinnen und Bürger
des Irak Opfer von Anschlägen. Durch die Überweisung des Atomkonfliktes
mit dem Iran an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen droht eine
Resolution nach Kapitel VII, die in militärische Maßnahmen münden kann.
Schon kündigt die türkische Regierung unter Berufung auf das
israelische Vorgehen den Einmarsch in den Norden des Irak an. Jeder
weitere Kriegstag bringt eine weitere Radikalisierung mit sich.
Die israelischen Militäroperationen können nicht im Interesse der
Sicherheit Israels sein, weil sie eskalierend wirken und den Hass in
der Region auflodern lassen. Das hat die israelische Friedens- und
Bürgerrechtsbewegung mehrfach zum Ausdruck gebracht. Immer wieder haben
militante Aktionen und das israelische Vorgehen alle Friedensbemühungen
zunichte gemacht. Wie auf Bestellung. Das brachte Israel nicht mehr,
sondern weniger Sicherheit - und Palästina mehr Unterdrückung. Die
Gewaltpolitik ist in der Sackgasse. Ein weiter so führt in die
Katastrophe.
Europäische Demokratievorstellungen
haben durch doppelte Standards schweren Schaden genommen. Die Wahlen in
den palästinensischen Gebieten waren demokratisch und sind auf
europäischen Druck zustande gekommen. Die Nichtakzeptanz des
Wahlergebnisses führt demokratische Wahlen ad absurdum. Dem Iran wird
verweigert, was ihm rechtlich zusteht, die friedliche Nutzung der
Atomenergie. Indien wird für seine militärische Nutzung der Atomenergie
durch eine bevorzugte Zusammenarbeit von den USA belohnt. In
Afghanistan wird über eine Marionette regiert und mit Kriegsfürsten
paktiert. Der Irak ist militärisch besetzt. Von demokratischen
Fortschritten kann keine Rede sein.
Doppelte Standards entziehen jedoch
demokratischen Bewegungen den Boden. Es geht offensichtlich nicht um
Demokratie, sondern um die prowestliche Einordnung. Die Fraktion Die
Linke. sieht in der Akzeptanz des Gefangenen-Papiers durch Hamas und
PLO eine wichtige Grundlage, zu der zurückgekehrt werden muss. Ein
normaler Umgang mit der Hamas-Regierung in Palästina und
gleichberechtigte Friedensgespräche zwischen Israel und Palästina sind
unverzichtbar.
Die deutsche Außenpolitik sollte jetzt
und sofort Initiativen ergreifen:
-
für einen sofortigen und
bedingungslosen Waffenstillstand
-
für einen Rückzug der israelischen
Truppen aus allen besetzten Gebieten
-
für eine internationale
Vermittlung zur Freilassung der israelischen Soldaten und die
Entlassung von palästinensischen und libanesischen Häftlingen aus
israelischen Gefängnissen
-
für die sofortige Entlassung der
verschleppten Minister der palästinensischen Autonomiebehörde und der
Abgeordneten des palästinensischen Parlaments
-
für die Einberufung einer
ständigen Konferenz 2 plus 4 für Sicherheit und Zusammenarbeit im
Nahen Osten. Dabei arbeiten die Teilnehmer der Konferenz, Israel und
Palästina, zusammen mit der EU, Russland und den USA sowie der
Arabischen Liga unter dem Dach der Vereinten Nationen.
Einseitige Schritte gefährden die
Stabilität; die Konfliktlösung liegt in der Region die Vermittlung
muss international geschehen. Dabei geht es vor allem darum, die
US-Regierung zu drängen, ihren Einfluss auf die Regierung Israels
geltend zu machen, damit sie die Militäroperationen abbricht und
endlich Verhandlungen aufnimmt.
Es hat sich gezeigt, dass Israels
Politik der unilateralen Schritte keine Lösung des Konfliktes
darstellt, sondern in die kriegerische Katastrophe führt.
Der Schlüssel für die Befriedung der
Region liegt in der Lösung der Palästina-Frage, also in den Händen der
israelischen Regierung. Sie ist gefordert, unter Einbeziehung der
Friedenskräfte substanzielle Schritte einzuleiten, die einen
lebensfähigen palästinensischen Staat möglich machen.
Berlin, den 20.07.2006