Uri Avnery

"Perez Nobelpreis aberkennen"

Schreiben des alternativen Nobelpreisträgers, Uri Avnery, des Gründers der israelischen FRIEDEN JETZT - Bewegung, an das Nobelpreis - Komitee

Sehr geehrter Herren,

im Namen von Gush Shalom, dem israelischen Friedensblock, ersuche ich hiermit offiziell, den Herrn Shimon Perez verliehenen Friedensnobelpreis zu annullieren.

Wir sind uns der legalen Hindernisse bewußt, die auf den ersten Blick mit einer nachträglichen Aufhebung eines bereits verliehenen Preises verbunden sein müssen, doch glauben wir, daß es sich hier um einen besonderen Fall handelt, der eine besondere Behandlung verlangt.

Der Preis wurde Herrn Peres – nach einigem Zögern, wie ich glaube – für seine Rolle verliehen, die er bei der Durchsetzung der Oslo Declaration of Principles (Erklärung von Grundsätzen) gespielt hat, ein wesentlicher Schritt in Richtung israelisch-palästinensischen Friedens. Gemäß des Vorwortes der DOP solle dieser Frieden auf gegenseitigem Respekt und Verträglichkeit basieren.

Aus irgendeinem ungerechten Grund wurde der Preis jedoch nicht Herrn Mahmud Abbas verliehen, dem palästinensischen Gegenstück zu Herrn Scharon, der schon lange vor diesem für den israelisch-palästinensischen Frieden gearbeitet hat, zu Zeiten, in denen Herr Peres noch damit beschäftigt war, sorgfältig Siedlungen israelischer Rechtsextremisten auf palästinensischem Boden zu errichten. Ich selbst habe Herrn Abbas seit 1982 viele Male in Tunesien getroffen und vorher, im Jahre 1974, Kontakte zwischen seinen Gesandten, Said Hamami und Issam Sartawi, hergestellt, beide Friedenshelden, die beide ermordet wurden.

Wie dem auch sei, nun hat sich eine völlig neue Situation ergeben.

Am 7. März 2001 wurde eine sogenannte Regierung der "Nationalen Einheit" in Israel gebildet, beherrscht von Herrn Ariel Scharon, einem extremen, rechtsgerichteten Führer dessen Ambition es ist, alle palästinensischen Gebiete zu annektieren für ein größeres herrschaftsbewußtes Israel, sie mit israelischen Städten und Dörfern zu übersäen und das palästinensiche Volk zur Gefangenschaft in einer Zahl von abgeschnittenen "Bantustans" zu verdammen – wenn nicht schlimmeres. Diese Regierung bestand – und besteht noch – unter anderem aus Ministern, die sich öffentlich zu der Idee einer ethnischen Säuberung bekennen.

Herr Peres erklärte sich eifrig dazu bereit, den Posten als Außenminister in dieser Regierung zu übernehmen, wodurch er das zu seinem Nobelpreis gehörige Prestige praktisch an Herrn Scharon verkaufte. Damit ermöglichte er es ihm, dessen wirkliche Absichten zu verbergen und gleichzeitig das Vertrauen der Welt in einer so kritischen Phase zu gewinnen. Seitdem sorgt Herr Peres für die Einleitungen zu allen Taten und Untaten des Herrn Scharon, mit der Folge, daß er so zum Handlungsreisenden und Propagandaminister von Herrn Scharon geworden ist. Ab und zu räumt er vage ein paar Mißgeschicke ein, doch de facto spielen er und Herr Scharon das Spiel von dem guten und dem bösen Polizisten. Als Mitglied der Regierung trägt Herr Peres die Verantwortung für Taten die zu Anklageerhebungen gegen die Täter in Den Haag führen könnten.

Der Gipfel der Ironie besteht jedoch darin, daß Herr Peres, der den Nobelpreis für seine Rolle erhielt, die er in der Oslo-Vereinbarung gespielt hat, nun Herrn Scharon dabei unterstützt, ebendiese Vereinbarung zu zerstören und alles, was damit zusammenhängt.

Als Alfred Nobel sein renommiertes Institut gründete, beabsichtigte er damit, Frauen und Männer mit einem moralischen Rückgrat zu belohnen, die er zu beispielhaften Vertretern der Menschheit erhob. Ganz sicher beabsichtigte er damit nicht, zu knallharter politischer Prostitution zu ermutigen.

Wir glauben, daß die Aufhebung auch als Warnung dagegen in Zukunft wirksam sein kann.

Mit allem angebrachten Respekt

Uri Avnery