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IALANA - Juristen und Juristinnen gegen
atomare, biologische und chemische Waffen
Für gewaltfreie Friedensgestaltung
Deutsche Sektion der International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms
Der Angriff der Israelischen Armee auf Libanon ist völkerrechtswidrig.
Dazu darf - auch vor dem Hintergrund der Verbrechen des Holocaust und
der leidvollen Geschichte Israels - niemand schweigen, heißt es in
einer öffentlichen Stellungnahme der Deutschen Sektion der
Juristenorganisation IALANA (Präsident der internationalen Vereinigung
ist der frühere Vizepräsident des Internationalen Gerichtshofs in Den
Haag Judge Christopher Weeramantry.)
Eine Israel den Einsatz militärischer Mittel gestattende Resolution des
Sicherheitsrates (Art. 42 UN-Charta) gebe es nicht. Insbesondere könne
sich die Israelische Regierung nicht auf die Resolution 1559 aus dem
Jahr 2004 berufen, mit der die libanesische Regierung aufgefordert
wurde, die auf ihrem Gebiet agierenden Hisbollah-Milizen aufzulösen und
zu entwaffnen. Diese Resolution ermächtige gerade nicht zum
militärischen Eingreifen. Zudem verwundere die Berufung Israels auf
diese UN-Resolution. Denn Israel selbst missachte seit Jahren alle
UN-Resolutionen, die die israelische Armee zum Rückzug aus den
besetzten Gebieten aufforderten.
Auch ein Fall der Selbstverteidigung Israels liege in diesem Krieg
nicht vor. Denn die Entführung zweier israelischer Soldaten durch
Unbekannte könne - jedenfalls bislang - nicht der libanesischen
Staatsführung zugerechnet werden. Gleiches gelte für die in Reaktion
auf die gewaltförmigen Auseinandersetzungen im Gaza-Streifen zwischen
der Besatzungsmacht Israel und den Palästinensern erfolgten Abschüsse
von Raketen durch Unbekannte vom libanesischen Staatsgebiet aus. Eine
Verantwortlichkeit für diese den Hisbollah-Milizen zugeschriebenen
verbrecherischen Terrorangriffe auf israelische Siedlungen könne
bislang der libanesischen Regierung ebensowenig nachgewiesen werden wie
den dort befindlichen UN-Truppen, die diese nicht hätten unterbinden
können.
Zudem verletze die Art des militärischen Vorgehens Israels zentrale
Grundsätze des humanitären Kriegsvölkerrechts ("ius in bello"). Der
israelische Waffeneinsatz missachte das strikte Gebot der
Unterscheidung zwischen Kämpfenden (Kombattanten) und der
Zivilbevölkerung. Wer Bomben und Artilleriegeschosse gegen von der
Zivilbevölkerung bewohnte Städte und Dörfer einsetze, handele
verbrecherisch. Staatsterrorismus sei nicht weniger verwerflich als
Anschläge nicht-staatlicher Akteure gegen die Zivilbevölkerung. Wenn
beim Einsatz solcher Waffen nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten
unterschieden werden könne, gebe es nach dem geltenden Völkerrecht nur
eine legale Konsequenz: Sie dürften nicht eingesetzt werden.
In jedem Falle verletzten die Kriegshandlungen Israels zudem den
völkerrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. In Relation zu der
Entführung zweier Soldaten durch Unbekannte handele es sich um eine
maßlose Überreaktion der israelischen Armee, der nunmehr bereits mehr
als 200 Zivilisten zum Opfer gefallen seien.
Es verwundere schon die Berufung Israels auf die zitierte
UNO-Resolution. Wenn eine solche Berufung geschehe, dann müsse aber
auch die Resolution beachtet werden, die die israelische Armee zum
Rückzug aus den besetzten Gebieten auffordere. Letztlich führten die
einseitigen militärischen Aktionen Israels zu einem Flächenbrand, der
den Weltfrieden insgesamt in Gefahr bringen könne und vor allem das
Risiko eines Atomkriegs heraufbeschwöre.
Die Juristenorganisation fordert demgegenüber die Einberufung einer
Nahost-Konferenz, die durch eine Zusammenkunft von allseits geachteten
Persönlichkeiten aus internationalen Organisationen, wie etwa dem
ehemaligen UN-Generalsekretär Boutros-Boutros Ghali, Uri Avneri,
alternativer Nobelpreisträger, Shirin Ebadi, Trägerin des
Friedensnobelpreises aus dem Iran etc., unter Einbeziehung der
Pugwash-Konferenz, und möglicherweise auch einem Vermittlungsversuch
des früheren deutschen Außenministers Fischer denkbar wäre.
Leitprinzip müsste das von der sogenannten Palme-Kommission entwickelte
Prinzip der "Gemeinsamen Sicherheit" sein:
Im heutigen Zeitalter der Massenvernichtungswaffen ist Sicherheit nicht
mehr von dem (potentiellen) Gegner, sondern nur noch mit ihm zu
erreichen. Kein Staat hat ein Recht und einen Anspruch darauf,
Sicherheit auf Kosten eines anderen anzustreben.
Daraus ergibt sich der unseres Erachtens zwingende Vorschlag,
baldmöglichst eine "Konferenz für gemeinsame Sicherheit und
Zusammenarbeit im Nahen Osten" (KSZNO) vorzubereiten und ins Leben zu
rufen. Die Erfahrungen mit der bedeutsamen Rolle der "Konferenz für
gemeinsame Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (KSZE) bei der
Überwindung des Kalten Krieges sollten dabei ermutigend wirken.
Ziel muss sein, den gesamten Nahen Osten zu einer Region zu machen, die
auf der Basis wirksamer Verifikationssysteme und entsprechender
Sicherheitsgarantien frei von allen Massenvernichtungswaffen ist und
die eine umfassende wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit
anstrebt und praktiziert. Dazu gehören sowohl die verlässliche
Sicherung der Existenzrechte des Staates Israel und eines
palästinensischen Staates als auch die Lösung der wichtigsten sozialen
Fragen (Flüchtlingselend, Menschenrechtsverletzungen, wirtschaftliche
Unterentwicklung und Arbeitslosigkeit).
Es gibt auch in dieser so hasserfüllten Region keine Alternative zu
einem Weg des Dialogs und des Ausgleiches:
Zurück zur Vernunft!
Marburg, 20. Juli 2006
Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an: Reiner Braun, Tel.:
0172-2317475