Wird Israel iranische Atomanlagen bombadieren?

Ein Hintergrundpapier der IPPNW und ein Offener Brief in Sachen U-Boot-Exporte


Im Folgenden dokumentieren wir

  1. einen offenen Brief der IPPNW und anderer Organisationen an den Bundessicherheitsrat: "Kein U-Boot-Export nach Israel"
  2. ein IPPNW-Hintergrundpapier mit dem Titel "Wird Israel iranische Atomanlagen bombadieren?"; Verfasserin: Xanthe Hall (Abrüstungsreferentin der IPPNW)

Im Übrigen verweisen wir auf die Homepage der IPPNW: www.ippnw.de


An den Bundessicherheitsrat

Offener Brief: Kein U-Boot-Export nach Israel

Dienstag, den 26. Oktober 2004

Sehr geehrte Damen und Herren des Bundessicherheitsrates!

Wir von der IPPNW und die deutsche Öffentlichkeit möchten folgendes gerne wissen:

  1. Wird die Genehmigung des Exports von deutschen U-Booten an Israel im Bundessicherheitsrat diskutiert und erwogen? Oder ist sogar bereits eine Genehmigung erteilt worden?
  2. Wird eine Genehmigung zur Modernisierung der bereits gelieferten drei U-Boote vom Typ "Dolphin" erwogen oder ist dafür bereits eine Genehmigung erteilt worden?
  3. Wird für eines dieser Vorhaben oder sogar für beide eine Hermesbürgschaft in Erwägung gezogen oder wurde sie bereits zugesagt?

Verteidigungsminister Peter Struck äußerte sich am 9. September 2004 in einem Interview mit dem Handelsblatt: "Die israelische Regierung will zwei neue (deutsche) U-Boote kaufen. Wir sind selbstverständlich bereit, Israel beim Erwerb zu helfen und zu unterstützen." In den "politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" vom 19. Januar 2000 verpflichtet sich die Bundesregierung dagegen, keine Exporte in Länder zu genehmigen, "in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht" oder auch nur "bestehende Spannungen und Konflikte (...) aufrechterhalten oder verschärft würden".

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen warnt vor einer Eskalation des Konfliktes im Nahen Osten. Israel erwägt öffentlich die präventive Zerstörung von Nuklearanlagen im Iran, da "unter keinen Umständen Atomwaffen in iranischem Besitz" geduldet werden sollen. Der iranische Verteidigungsminister erklärt: "Wir werden nicht zögern, einen Präventivschlag gegen den israelischen Atomreaktor Dimona zu führen." Schon diese wenigen Meldungen vermitteln: die Lage ist alles andere als stabil und friedlich, sie ist explosiv und kann schnell eskalieren.

Die "politischen Grundsätze" verpflichten die Bundesregierung zudem, das "Verhalten des Empfängerlandes" im Hinblick auf "die Übernahme von Verpflichtungen im Bereich der Nichtverbreitung" und die "Unterzeichnung, Ratifizierung und Durchführung" von Rüstungskontrollabkommen, darunter des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages zu berücksichtigen. Israel ist dem Nichtverbreitungsvertrag (NVV) wie etlichen anderen Abkommen nicht beigetreten; es unterhält ein unerklärtes Nuklearwaffenpotenzial und steht zudem im Verdacht, die bereits gelieferten deutschen U-Boote der Dolphin-Klasse mit weitreichenden Trägersystemen für Nuklearsprengköpfe ausrüsten zu wollen oder dies bereits getan zu haben. Israel bei der Aufrechterhaltung, Modernisierung und Stärkung seines Nuklearpotenzials mit weiteren U-Booten zu unterstützten steht im klaren Widerspruch zum NVV, der nicht zuletzt auch auf die Abrüstung aller vorhandenen Nuklearwaffen zielt. Wie ist es miteinander zu vereinbaren, dass die Bundesregierung im Rahmen der Europäischen Union von dem NVV-Mitglied Iran ultimativ fordert, seine (leider) legale, aber potenziell auch illegal militärisch nutzbare Urananreicherung aufzugeben, zugleich aber U-Boote an Israel liefert, die zur Ausweitung der Nuklearabschreckung eines Nichtmitglieds des NVV beitragen können?

Angesichts des Potenzials des aktuellen Konflikts sind wir sehr besorgt. Eine bewaffnete Auseinandersetzung könnte eine neue, auch nukleare Dimension haben. Die Bombardierung von Atomanlagen in Israel oder im Iran könnte nukleare Verseuchungen auslösen. Der Konflikt könnte eskalieren. Die Glaubwürdigkeit der deutschen Nichtverbreitungspolitik kann schweren Schaden nehmen.

Wir, die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) und Mitarbeiter friedenswissenschaftlicher Einrichtungen fordern daher von den Mitglieder des Bundessicherheitsrates und der Bundesregierung, auf den Export der von Israel gewünschten U-Boote der "Dolphin"-Klasse sowie die Modernisierung bereits gelieferter U-Boote zu verzichten. Angesichts der hohen Priorität, die der Verhinderung nuklearer Proliferation gerade auch im Nahen und Mittleren Osten zukommt, wäre ein "Nein" zu deutschen U-Boot-Lieferungen an Israel ein deutliches Signal, dass Deutschland seine Verpflichtungen und seine Chancen zur Stärkung der Nichtverbreitung nutzt und die Weiterverbreitung atomarer Waffen und ihrer Trägersysteme wo immer möglich unterbindet. Nur so kann deutlich werden, dass Deutschland keine Politik eines "Zweierlei-Maß" praktiziert: Wer vom Iran einen bedingungslosen Verzicht auf eine potenzielle militärisch-nukleare Option fordert, darf nicht zugleich an der Aufrechterhaltung und Stärkung des Nuklearpotenzials Israels mitwirken. Wir sind sicher, dass ein deutsches Nein zu U-Boot-Lieferungen an Israel als weithin sichtbares Zeichen einer konsequenten deutschen Nichtverbreitungspolitik, des Bemühens um Deeskalation und als Anstiftung zu friedlichen Lösungen verstanden werden würde.

Wir werden die Öffentlichkeit am 27. Oktober 2004 auf einer Pressekonferenz informieren und bitten Sie um baldige Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Der Vorstand der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW):

und

Otfried Nassauer, Berliner Zentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS)
Christopher Steinmetz, Berliner Zentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS)
Margret Johannsen, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Hamburg (IFSH)
Götz Neuneck, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Hamburg (IFSH)
Jürgen Schneider, für den Vorstand der Naturwissenschaftler-Initiative "Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit" e.V.
Herbert Wulf
Wolfgang Liebert, Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit (IANUS)
Philipp Boos, Geschäftsführer der Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (IALANA)


Quelle: http://www.ippnw.de/frieden/israel/offenerbrief.htm


IPPNW-Hintergrundpapier

Wird Israel iranische Atomanlagen bombadieren?

Der israelische Verteidigungsminister Shaul Mofaz stieß im November 2003 eine Warnung an den Iran mit einer bis dahin nicht gehörten Schärfe aus: Israel werde "unter keinen Umständen Atomwaffen in iranischem Besitz dulden". Sollte sich die Notwendigkeit ergeben, die iranische Atomoption zu zerstören, würden von israelischer Seite die "nötigen Schritte" unternommen. Gleich darauf antwortete der iranische Verteidigungsminister Ali Schamchani: "Wir werden nicht zögern, einen Präventivschlag gegen den israelischen Atomreaktor Dimona zu führen." Am 23. Dezember sagte der Oberbefehlshaber der iranischen Luftstreitkräfte, General Seyed Reza Pardis, mit einem solchen Versuch würde sich Israel "sein eigenes Grab graben".

Den Hintergrund dieser Rhetorik liefert Israels Ansicht, die internationale Gemeinschaft mache nicht genug Druck, um Iran von dem Bau von Atomwaffen abzuhalten. Israel sieht sich dadurch in seiner Existenz bedroht, obwohl es selber heimlich eine Atomwaffenmacht ist. Das Zeitfenster für militärische Aktionen zur Zerstörung der vermuteten iranischen Nuklearambitionen ist knapp, da wichtige Anlagen 2005 in Betrieb gehen sollen. Aus Europa und von der internationalen Atomenergiebehörde IAEO wurden Fristen gesetzt. Iran muss das Angebot der europäischen Vermittlungsstaaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien akzeptieren, sonst geht der Fall an den UN-Sicherheitsrat. Dann folgen möglicherweise Sanktionen. Bis zum 25. November soll der Iran das komplette Atomprogramm gegenüber der IAEO offen legen und bis dahin das Urananreicherungsprogramm suspendieren. "Weitere Maßnahmen" werden nicht ausgeschlossen. Der Druck steigt.

Die IEAO kann allerdings nur einen freiwilligen Verzicht des Iran auf die Anreicherung fordern, weil diese nach dem Atomwaffensperrvertrag (NVV) legal ist und ein Recht des Iran darstellt. Die IAEO ist sogar verpflichtet, den Iran bei deren Realisierung zu unterstützen. Dies ist der Widerspruch, der im NVV enthalten ist.

Der Fall ähnelt dem des Irak so sehr, dass die Frage gestellt werden muss: Wird hier eine Drohkulisse aufgebaut, um als Vorwand für einen neuen Krieg zu dienen? Bereits im Januar 2002 signalisierte die "Achse des Bösen"-Rede von George W. Bush, dass der Iran mit ins Visier genommen wird. Im November 2002 sagte Ariel Sharon, dass Iran nach Irak als Nächstes auf der Liste von "zu erledigenden Sachen" im Krieg gegen den Terror behandelt werden sollte. Seit dem Irakkrieg wurde kontinuierlich behauptet, Iran stelle eine Bedrohung dar und verheimliche ein Atomwaffenprogramm, das kurz vor dem Bau einer Atomwaffe stehe.

Oder haben wir es hier tatsächlich mit einem schwerwiegenden Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag (NPT) zu tun, der für die Welt eine Bedrohung darstellt? Wieder fehlen zuverlässige Informationen - die meisten Bewertungen beruhen auf Geheimdienstquellen. Die Meinungen darüber teilen sich in zwei Gruppen. Zum einen die, die glauben, dass der Iran Uran anreichern oder Plutonium herstellen will, um Atomwaffen zu bauen und sogar weitere unterirdische Anlagen versteckt hält. Am 14. September sagte IAEO-Chef Mohammed El-Baradei, es gäbe keinen Beweis, dass der Iran ein solches Programm verfolge. Zum anderen die, die meinen, der Iran verfolge sein laut Atomwaffensperrvertrag gutes Recht, wenn er Uran anreichere. Damit behält er sich vor, bei Bedarf auch militärisch anzureichern und hält sich damit für die Zukunft die Atomwaffenoption offen. Iran beteuert, das Programm diene nur der Stromerzeugung und zu nichts anderem.

Allerdings sind alle der Meinung, dass der Iran gegen Bestimmungen des Zusatzprotokolls des NPT verstoßen habe, in dem er nicht den kompletten Umfang seines Programms offen gelegt hat. Ob das heißt, dass tatsächlich der Bau von Atomwaffen bevorsteht, ist unbekannt. Viele andere Länder wollen sich eine technische Atomwaffenoption vorbehalten, ohne den konkreten Wunsch zu haben, Atomwaffen zu bauen.

Es ist fraglich, ob wirklich vollste Kooperation von Staaten erwartet werden kann, die gleichzeitig immer mehr isoliert werden. Das heutige politische Klima und der Krieg gegen Terror bilden keinen günstigen Hintergrund für Verständigung. Die IAEO klagt über mangelnde Zusammenarbeit, ähnlich wie bei den Inspektionen im Irak. Der Irak wurde wiederholt gebeten, das volle Programm der Massenvernichtungswaffen innerhalb bestimmter Fristen offen zu legen. Jedes Mal wenn sie kein Programm vorlegte, wurde der irakischen Führung vorgeworfen, darüber gelogen zu haben. Im nachhinein wissen wir, dass dem Irak nicht mehr als schlechte Buchführung vorgeworfen werden kann. Es gab die Massenvernichtungswaffen nicht mehr, sie wurden bereits im Zuge früherer Inspektionen zerstört. Es ist unmöglich zu beweisen, dass es etwas nicht gibt. Wenn der Iran kein Atomwaffenprogramm haben sollte, dann kann er dies nicht beweisen - er kann allenfalls sein legales ziviles Programm zum Teil aufgeben.

Allerdings könnte auch die Drohung mit einem US-amerikanischen oder israelischen Angriff den Iran dazu bewegen, noch mehr über die Notwendigkeit des Baus von Atomwaffen nachzudenken. Es gibt zudem die Ansicht, dass der Fall "Nordkorea" die Notwendigkeit zeige, Atomwaffen besitzen zu müssen, oder aber zumindest zu behaupten dass dies so sei, um die eigene Sicherheit zu bewahren. In diesem Sinne könnten manche Staaten Jugoslawien, Afghanistan oder der Irak als Beispiele dafür nehmen, dass ein Land ohne nukleare Option keine Chance auf Gegenwehr habe. Dabei wird die Tatsache übersehen, dass im Gegenteil der Besitz von Atomwaffen einem Land keine zusätzliche Sicherheit liefert, weil so das Wettrüsten voran getrieben und das Land zum Ziel gemacht wird.

In den USA werden verschiedene militärische Optionen gegen den Iran bereits erörtert. Beispielsweise könnte geheim vorgegangen werden durch Attentate auf iranische Atomwissenschaftler oder Sabotage von Anlagen. Oder es könnte eine offene Militäraktion aus der Luft mit B-52 oder B-2-Flugzeugen gestartet und vom Meer mit Cruise Missiles und bunkerbrechenden Bomben angegriffen werden.

Wirklich attraktiv scheint jedoch die Option, Israel das Feld zu überlassen. Die USA haben bereits einiges geliefert: 25 F-15-Flugzeuge während der letzten 7 Jahre. 2004 begannen die Lieferungen von F-16s, die den Iran gut von israelischem Boden aus erreichen können. Und an Bomben soll es auch nicht fehlen. Die USA "schenken" Israel 5000 Bomben, darunter 500 konventionelle "Bunker Busters" mit einem Wert von 319 Mio US$. Der Transfer wird aus der Militärhilfe der USA für Israel kommen, die alleine im Jahre 2004 2,16 Milliarden US$ beträgt. v Auch umgekehrt: Wenn die USA nicht angreifen wollen, kann Israel zu einem Alleingang starten und die USA würde sowieso als mitverantwortlich gesehen. Also wäre es besser, gleich mitzumachen.

Israel hat bereits 1981 einen solchen Angriff durchgeführt. Der irakische Reaktor bei Osirak wurde zerstört, weil Israel glaubte, Irak sei damit auf dem Wege zur Bombe gewesen. Eine dauerhafte Verhinderung hat Israel jedoch damit nicht erreicht, nur eine Verzögerung des Programms. Letztendlich ist das irakische Atomprogramm durch die Arbeit der IAEO zerstört worden. Auch beim Iran wäre nur ein zeitlicher Gewinn zu erwarten, dafür wären die politischen Kosten für Israel und auch für die USA sehr hoch.

Die militärischen Probleme sind zahlreich: Iran hat mehrere atomare Anlagen, die zerstört werden müssten, um das Programm vorübergehend zu behindern. Die Ziele sind teilweise gehärtet und unterirdisch. Und gäbe es tatsächlich ein größeres, noch unentdecktes Atomwaffenprogramm im Iran, so fehlten über Ort und Lage die Informationen , die für eine Bombardierung nötig wären.

Der Iran besitzt zudem die Möglichkeit zurück zu schlagen und droht offen damit. Jüngst testete er eine neue Rakete, um zu zeigen, dass er damit Israel gut erreichen kann. Bei einem israelischen und oder amerikanischen Angriff auf den Iran wäre jedoch nicht nur Israel gefährdet, sondern auch die US-amerikanischen Truppen in der Region. Da Israel über den Irak fliegen müsste würde eine passive Beteiligung der USA vorausgesetzt werden. Zudem stellt sich die Frage, ob Israel und/oder die USA sicher sein könnten, die Eskalation zu kontrollieren- und zwar unterhalb der Schwelle eines eigenen Nuklearwaffeneinsatzes. Das Ergebnis eines CIA-Planspiels aus diesem Sommer zeigt, dass es genau darüber keine Sicherheit gibt.

All diese Probleme sind der US- und der israelischen Regierung bekannt, und daher gibt es bislang noch keine klare Meinung und eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen. Dennoch haben in beiden Regierungen die Stimmen für eine militärische Option Einfluss. Das "Projekt Daniel", eine Gruppe hochrangiger Experten aus Israel und den USA, darunter ehemalige Militärs, Geheimdienstler und Nuklearexperten, legte Anfang 2003 eine Reihe von Empfehlungen zu "Israels strategischer Zukunft" auf den Tisch von Ariel Sharon. Israel müsse alles tun, damit keine "feindliche Allianz" in den Besitz von Massenvernichtungswaffen komme. "Dies könnte zweckdienliche präemptive konventionelle Schläge beinhalten", so das Dokument. Sie seien mit dem internationalen Völkerrecht als "antizipierende Selbstverteidigung" vereinbar.

In den USA haben die Neokonservativen noch bis zur Wahl gesichert das Sagen. Ihre erklärte Vision war die Veränderung nicht nur des Irak sondern der gesamten Region zu US-amerikanischen Gunsten, sei es unter der Flagge der "Demokratisierung" oder der "Befreiung" der Völker von feindlichen Regimen, die angeblich den Terrorismus unterstützen. Irak sollte nur der Anfang sein, danach wären Iran und Syrien an der Reihe.

Manche in der Regierung glauben, dass sie bereits mit dem Irak alle Hände voll zu tun haben. Man könne es sich nicht leisten, einen weiteren Krieg anzufangen. Es gibt jedoch Stimmen, die sich eben gerade dafür aussprechen, den Iran "vorzunehmen", weil man glaubt, damit die verfahrene Situation retten zu können. Joseph Cirincione, von der Carnegie Endowment Stiftung in den USA, meint dazu: "Man kann diese Präsidentenwahl als eine Art Referendum über den nächsten Krieg betrachten". Eine Wiederwahl würde für Bush bedeuten, dass seine Politik vom Volk mandatiert wäre: Also, weiter so mit der Eliminierung gefährlicher Regime.

Die Lage ist so brisant, dass Kofi Annan bereits vor einem Militärschlag warnt. Findet der Fall "Iran" den Weg in den UN-Sicherheitsrat, könnte ein Beschluss gegen den Iran wieder dazu dienen, eine Pseudolegalität für den nächsten Krieg zu schaffen.

Ein generelles Verbot der Urananreicherung an sich - und zwar für alle Staaten - wäre ein enormer Schritt in Richtung einer sicheren Welt. Dennoch hätte die Atomindustrie etwas dagegen. Der Streit um den Iran und der Transfer von Atomtechnologie unter dem NVV macht das Problem deutlich. Die Urananreicherung dient nicht nur der zivilen sondern auch der militärischen Nutzung der Atomenergie. Unter dem NVV darf jeder Staat von dieser Technologie profitieren, nicht nur jene, denen wir vertrauen. Dem Iran diese Technologie abzusprechen, würde die grundlegende Vereinbarung, worauf der NVV basiert ist, unterminieren und damit den Vertrag schwächen.

Es ist an der Zeit, ein neues Abkommen auszuhandeln, das ein besseres Angebot macht: verbindliche Sicherheitsgarantien für Staaten, die auf Atomwaffen verzichten. Dies liegt bereits bei der Überprüfungskonferenz der NPT-Unterzeichnerstaaten in New York im nächsten Mai auf dem Tisch. Dies ist das eigentliche Ziel der meisten Staaten, die den Bau von Atomwaffen erwägen: Eine Garantie zu haben, dass sie nicht vom mächtigsten Staat der Welt angegriffen werden, und auch nicht vom atomwaffenbesitzenden Nachbarn. Solange bis das langfristige Ziel erreicht werden kann: die Abschaffung aller Atomwaffen.

Xanthe Hall, Abrüstungsreferentin
Oktober 2004

Quelle: http://www.ippnw.de/frieden/israel/hintergrundiran.htm