Tief bestürzt über die große Zahl von Toten, verurteilen wir die verheerenden Terroranschläge vom 11. September in den USA. Unsere Anteilnahme und unser Mitgefühl gilt den vielen Verletzten und den Angehörigen der Toten. Wir trauern angesichts der Opfer dieses Tages, wie wir es auch bei vielen Tausenden anderer unschuldiger Opfer getan haben, die in den zurückliegenden Jahren ihr Leben durch Gewalt und Krieg verloren haben.
Unsere Sorge und Solidarität gilt aber auch all denen, die nun aufgrund ihrer Religion oder ethnischer Abstammung, Opfer pauschaler Verurteilungen und rassistischer Übergriffe zu werden drohen. Wir sind vor allem auch besorgt über die Pläne der USA, die Attentate mit Vergeltungsschlägen zu beantworten. Durch den Einsatz von Bomben und Raketen gegen Länder die verdächtigt werden, USA-feindliche Organisationen zu unterstützen, droht Unrecht mit neuem Unrecht und Terror einzelner Gruppen mit Staatsterrorismus vergolten zu werden.
Mehrere Gruppen von Selbstmordattentätern haben durch die Anschlägen auf zwei Symbole US-amerikanischer Macht gezeigt, daß auch die USA vor schweren Angriffen auf ihr Territorium nicht geschützt sind. Für die US-amerikanische Führung, wie für den größten Teil der Bevölkerung des Landes, scheint es nun selbstverständlich, daß die Antwort darauf nur eine militärische sein könne – auch führende deutsche Politiker haben sich dieser Ansicht angeschlossen.
Mit den Vorbereitungen militärischer "Vergeltungsschläge" wurde sofort begonnen. Nicht vereinzelte Luftschläge, ein regelrechter Feldzug wurde angekündigt. "Es gehe nicht nur darum, Leute festzunehmen und zur Verantwortung zu ziehen, sondern die Zufluchtsorte auszuheben, die Unterstützungssysteme zu zerschlagen und die Staaten zu beseitigen (!), die den Terrorismus fördern."
Ohne daß bisher konkrete Beweise für die Beteiligung bestimmter Gruppen oder gar Staaten vorgelegt werden konnten, sind eine Reihe von Ländern in akuter Gefahr, von den USA mit Unterstützung anderer NATO-Staaten angegriffen zu werden. In Afghanistan fliehen bereits Hunderttausende der ohnehin geschundenen Bevölkerung aus Furcht vor Bomben aus den Städten.
Wer auf die Gewalt individuellen Terrors mit der Gewalt des Krieges antwortet und dadurch ebenfalls eine große Zahl unschuldiger Opfer billigend in Kauf nimmt, begibt sich aber auf die Ebene der Attentäter. Wir erinnern an die Bombardierung des Sudans unter US-Präsident Clinton aus ähnlichem Anlaß, bei der die Hälfte der pharmazeutischen Produktion des Landes zerstört wurde. Der Vorwurf der Produktion von chemischen Kampfstoffen und der Verbindung zu Terrororganisationen ließ sich anschließend nicht halten. Unabhängig davon, kann nichts die unschuldigen Opfer, die sofort oder als Folge des Medikamentenmangels starben, rechtfertigen.
Selbstverständlich wünschen auch wir, daß die Verantwortlichen für diese koordinierten Anschläge bestraft werden Dies ist aber in erster Linie eine Sache von Polizei und Justiz. Kriegshandlungen der USA und der übrigen NATO-Staaten auf Grund von kaum überprüfbaren Verdächtigungen diverser Geheimdienste, die in der Zeit vor den Anschlägen offensichtlich nicht gut informiert waren, hätte mit Gerechtigkeit und Strafe nichts zu tun. Es wäre reine Lynchjustiz eines zum "Staatenmob" verwandelten Militärbündnisses.
Aufgrund pauschaler und kollektiver Schuldzuweisungen sehen sich arabische und islamische Mitbürger massiven Anfeindungen ausgesetzt und häufen sich nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland und dem übrigen Europa die Übergriffe auf Personen, die arabisch oder muslimisch aussehen. Wir wenden uns entschieden gegen alle Versuche, ganze Religionen oder ganze Völker oder ganze Kulturen wegen der Taten kleiner Gruppen auszugrenzen, zu diskriminieren und zu verfolgen.
Kanzler Schröder sah in den Angriffen einen Angriff auf alle NATO-Staaten und somit "eine Kriegserklärung an die gesamte zivilisierte Welt" – zwei Drittel der Welt von dieser ausschließend. Für dieses Gefühl zivilisatorischer Überlegenheit gibt es leider keinen Grund. So gut und richtig das breite Mitgefühl und die allseits gezeigte Betroffenheit angesichts der Bilder aus New York ist, so sehr stellt sich doch die Frage, wo Mitgefühl und Betroffenheit vor zweieinhalb Jahren waren, als 72 Tage lang Bomben und Raketen in Bürohäusern, Fabriken, belebten Brücken und Wohnsiedlungen jugoslawischer Städte einschlugen. Wo war die Bestürzung und Empörung, als im Februar 1991 mit zwei genau auf einander abgestimmten Raketen ein Bagdader Luftschutzbunker aufgebrochen wurde und mehr als 1000 Frauen und Kinder verbrannten.
Das Problem terroristischer Gewalt kann nicht mit militärischen Mitteln bekämpft werden, ebensowenig wie mit dem weiteren Abbau von Bürgerrechten und der Abschottung nach außen.. Wir wenden uns daher auch entschieden dagegen, daß unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung ganze Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht gestellt, das Ausländerrecht verschärft, die Befugnisse der Sicherheitsdienste ausgeweitet und Polizeiapparat und Militär aufgerüstet werden.
Die USA wurden nicht zum Angriffsziel, weil sie "in der Welt die strahlendste Fackel der Freiheit und der Selbstverwirklichung sind" wie Präsident Busch in seiner ersten Stellungnahme verkündete, sondern weil sie selbst tief verstrickt sind in die weltweiten Spiralen der Gewalt. "Wir sind das Ziel der Terroristen, weil unsere Regierung fast weltweit für Diktatur, Sklaverei und Ausbeutung steht." bemerkte z.B. auch Bischof Robert Bowman aus Florida. "Wir sind das Ziel der Terroristen, weil wir gehaßt werden. Und wir werden gehaßt, weil unsere Regierung hassenswerte Taten begangen hat"
Die USA haben nicht wenige Ländern mit brutaler Gewalt überzogen. Nicht wenige Personen und Organisationen, die heute zu den Verdächtigen zählen, wurden von den USA im Zuge des Kalten Krieges und in Verfolgung ihrer geostrategischen Interessen großgezogen und ausgerüstet. Auch der Hauptverdächtige Osama bin Laden war – wie viele andere reaktionäre muslimische Führer in Afghanistan im Krieg gegen die Sowjetunion ein Verbündeter, der auf die Unterstützung der CIA zählen konnte
Wir stimmen dem Bundespräsidenten zu, wenn er in seiner Ansprache am 14.9.auf die tieferen Ursachen individueller terroristischer Gewalt hinwies: Sie liegen in der Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit und Erniedrigung vieler Millionen Menschen als Folge einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung und der rücksichtslosen Anwendung doppelter Maßstäbe.
Durch den Einsatz wirtschaftlicher Macht und militärischer Gewalt wurde und wird Völkern die Möglichkeit einer eigenständigen Entwicklung genommen – auch daran kann der 11. September – der Jahrestag des von den USA gesteuerten Putsches in Chile und der Ermordung Salvador Allendes – erinnern.
Nur durch die Beseitigung dieser Mißstände wird die Bedrohung, der sich nun die USA und die europäischen Länder ausgesetzt sehen, abgebaut werden können Dies würde u.a. auch eine befriedigende Lösung des Israelisch/Palästinensischen Konflikts erfordern, eine Ende der Intervention auf dem Balkan, sowie eine Ende des mörderischen Embargos gegen den Irak, um nur einige Beispiele zu nennen.
Dies würde vor allem ein Ende eines Weltwirtschaftssystem erfordern, das einem immer noch wachsenden Teil der Welt, jede Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben nimmt.
Bis zu 40 Milliarden US-$ zusätzlich wollen die USA in ihre Feldzüge gegen den Terrorismus investieren. Mit dieser Summe, zusammen mit den Beträgen die die übrigen NATO-Staaten dafür bereitstellen wollen, könnten viele der dringendsten Probleme in der Welt auf konstruktive Weise angegangen werden.
Im Rahmen der weltweiten Aktionen rufen wir auf zur: PS:nach militärischen Angriffen der USA und anderer NATO-Staaten:
US-Friedensgruppen rufen auf zu einer internationalen Antikriegskoalition
„Jetzt handeln: Krieg stoppen und Rassimus beenden“.
Kundgebung: Fr. 28. 9. • 18 Uhr
Bismarckplatz • Heidelberg
Treffpunkt: 18 Uhr Hauptstr./St. Anne Gasse (Zeitungsleser Nähe Bismarckplatz)
Es rufen auf: Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg, VVN/Bund d. AntifaschistInnen HD, DKP Heidelberg, DFG/VK Heidelberg, PDS/Linke Liste HD