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Richtigstellungen - Behauptung 5: Hisbollah ist der verlängerte Arm Syriens und/oder Irans - Behauptung 6: Hisbollah stehe im Gegensatz zum übrigen Land, Entwaffnung sei im nationalen Interesse 2.) "Gottesstaat" nicht mehr im Programm 3.) Keine Rache an Kollaborateuren 4.) Auszüge deutschsprachiger Artikel
Eine Auswahl deutsch- sprachiger Artikel, die ein differenzierteres Bild
der Hisbollah zeichnen Prof. Werner Ruf, 16. 8. 2006 Mona Sarkis, telepolis, 24./26.08.2006 Thomas Hildebrandt, junge Welt,
31.08.2006
Thomas Hildebrandt,
taz, 18.8.2006
Timur Goksel, SPIEGEL, 27. 7. 2006 Günter Pleuger im Interview Armin Köhli,
Wochenzeitung WOZ (Schweiz), 3. 8. 2006 Stefan
Rosiny, taz vom 9.8.2006 Mitch Prothero, Salon.com, 28.7.2006 Rainer Matthias, junge Welt, 8. 8. 2006 Thomas Immanuel Steinberg, 2.8.2006 Gilbert
Achcar, Socialist Outlook, 1. 8. 2006
Rania Masri, junge Welt, 3.8.2006
Alexander Cockburn, ZNet 21.07.2006
Der Standard (Wien), 27. Juli 2006
Beispiel für eine nicht untypische Hetzpropaganda in deutschen Medien: Die
unheimliche Allianz - Wie radikale Moslems mit Hitler
paktierten Englische Texte BBC Monitoring, 23.9.2006 Interview von Al-Jazeera mit Hasan Nasrallah, dem Generalsekretär der Hisbollah, vom 20.7.2006 lesen. Statement
by Workers in the Public Cultural Sphere in Lebanon
Beirut, July 25, 2006 Haaretz,
12.09.2006 Stephen R. Shalom, ZNet,
7.8. 2006 Charles
Glass, London Review of Books, 17.8. 2006 Helena Cobban April/May 2005 issue of Boston
Review Daniel Sobelman, Strategic Assessment
Vol. 8, No. 1, June 2005 (Jaffee Center for
Strategic Studies JCSS), Daniel Sobelman, Strategic Assessment
Vol. 7, No. 2, August 2004 (JCSS)), Juan Cole, Informed Comments, 23.7.2006 Larry Hales, Workers World, 10.8.2006 Aljazeera, 13.8. 2006
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Was
man über die Hisbollah wissen müßte - Zusammenfassung
einiger wesentlichen Informationen über die Organisation
Die Hisbollah (arabisch für „Partei Allahs“) ist eine schiitische Organisation im Libanon, die 1982 durch Zusammenschluss verschiedener Gruppen zum Kampf gegen die israelische Invasion enstand. Seit 1992 ist sie auch als politische Partei im Parlament vertreten. Zur Zeit stellt sie 14 von 128 Parlamentsabgeordneten und den Energieminister in der aktuellen libanesischen Regierung. Die Hizbollah ist zweifellos geprägt von einer religiösen Ausrichtung, die (zumindest zu Beginn) der Linie der Mullahs in Teheran folgte. "Zugleich aber akzeptiert sie," so Werner Ruf, "den religiösen Pluralismus des Libanon und setzt sich als konsequent nationalistische Partei für die Einheit des Landes." Parallel dazu entwickelte sie sich, "zu einer äußerst erfolgreichen Vertretung der Interessen der schiitischen Bevölkerung und baute mustergültige soziale Sicherungssysteme auf". Während die Hisbollah im Libanon wachsende Unterstützung erhält, wird sie nicht nur von Israel und den USA, sondern auch (in abgeschwächter Form) von allen EU-Staaten als feindliche Organisation behandelt. Die EU widersetzte sich bisher dem Wunsch der Bush-Administration, Hisbollah auf die Liste terroristischer Organisationen zu setzen, doch auch in Verlautbarungen deutscher Politiker findet immer häufiger das Adjektiv "terroristisch" Verwendung. Die westlichen Medien haben dieses Feinbild übernommen, so dass in der Berichterstattung hier in der Regel nur ein sehr einseitiges Bild von ihr gezeichnet wird. Auch in der Zusammenarbeit der deutschen Friedensbewegung, linken Organisationen und Gewerkschaften mit arabischen Gruppen führt die unterschiedliche Einschätzung dieser Bewegung zu massiven Problemen. Solidaritätsbekundungen arabischer DemonstrantInnen mit der Hisbollah sorgen auf Demonstrationen häufig zu Auseinandersetzungen mit deutschen TeilnehmerInnen. Von staatlicher Seite wird es wahrscheinlich demnächst Verbote gegen jegliche
öffentliche
Solidarisierung mit Hisbollah geben. In Berlin gibt es sie schon als
Demonstrationsauflage ( Da dies gegen die Meinungsfreiheit verstößt, wird dies
juristisch angefochten.) Im Anschluß runden Auszüge aus differenzierteren deutschsprachigen Artikeln das Bild ab. Ein Überblick über Geschichte der Organisation geben Werner Ruf, Hisbollah - eine Terrororganisation? sowie Mona Sarkis in telepolis, Die Hisbollah: Zwischen Dschihad und Mandat. Anregungen und Kritik bitte an: auk@antikriegsforum-heidelberg.de Richtigstellungen zu Vorwürfen, mit denen der Krieg gegen den Libanon gerechtfertig wird Eine sehr gute Analyse hierzu und zum Krieg gegen den Libanon allgemein hat der US-Politologe Stephen R. Shalom verfaßt, die es leider bisher nur auf englisch gibt: Lebanon War Question and Answer, ZNet, August 07, 2006. Das Folgende stützt sich zu einem guten Teil auf diesen Text. Behauptung 1: Hisbollah hat mit der Gefangennahme zweier Soldaten den Krieg begonnen Dass die Gefangennahme zweier Soldaten der Grund für den Krieg war, behauptet selbst die israelische Regierung nicht mehr. Auf die Frage der Leipziger Volkszeitung „Hätte Israel die Aktion gegen Hisbollah auch ohne die Entführung der beiden Soldaten begonnen?“ antwortete der stellvertretender Botschafter Israels in Deutschland, mit einem klaren: „Ja, davon bin ich überzeugt.“ (siehe Wortlaut des Interviews auf der Homepage der israelischen Botschaft) Über die Hinweise, dass die Kriege von langer Hand zusammen mit den USA geplant wurde, siehe die Zusammenfassung zum Libanon und Gaza auf unsere Homepage. Unabhängig davon kann eine begrenzte Aktion eines nichtstaatlichen
Akteurs keinesfalls
einen Krieg
als Akt der Selbstverteidigung rechtfertigen, wie es u.a. auch von der die deutsche Regierung
behauptet wird (siehe auch Hans Voß, "Krass
missdeutetes Recht auf Selbstverteidigung", ND v.
10. 8. 2006) Behauptung 2: Israel hat das Recht sich vor den Raketenangriffen der Hisbollah zu schützen Da die Gefangennahme von Soldaten nicht lange die Angriffe auf das gesamte Territorium des Nachbarlandes rechtfertigen konnte, wurde die Behauptung, durch den Krieg sollten die häufigen Raketenangriffe der Hisbollah auf Nordisrael unterbunden werden, zur wichtigsten Rechtfertigung für Israels Krieg. Kein Journalist der großen Medien hat sich die Mühe gemacht, diese Behauptung zu überprüfen. Dabei hätten sie sich, um ihre Hausaufgaben zu machen, nur die leicht zugänglichen Berichte des UN-Generalsekretärs anschauen müssen, die wiederum auf den Protokollen der UN-Bobachter an der israelisch-libanesischen Grenze beruhen. Stephen Shalom hat daraus eine vollständige Liste aller Raketenangriffe vom Libanon auf Israel vom Zeitpunkt des Abzugs der israelischen Truppen im Mai 2000 bis zum 12. Juli 2006 zusammengestellt. Diese Tabelle macht deutlich:
(Siehe hierzu auch den Beitrag von Thomas Immanuel Steinberg,
vom 2.8.2006 Man kann somit nicht ernsthaft davon reden, dass der Raketenbeschuss durch die Hisbollah einen Krieg rechtfertigen würde. Die massenhaften Raketenangriffe der Hisbollah begannen erst als Reaktion auf den Krieg. Der einfachste Weg, sie zu stoppen, wäre, die Angriffe einzustellen. Hassan Nasrallah, der Führer der Hisbollah, hat von Anfang zugesagt, das sie ihre Angriffe unmittelbar einstellen werden, wenn Israel seine einstellt. (siehe Shalom) Die UNO-Berichte verraten noch etwas anderes. Festgehalten wurden auch die unzähligen Grenzverletzungen durch Israel. Israelische Kampflugzeuge haben fast täglich den libanesischen Luftraum verletzt. Manchmal reagierte Hisbollah mit Boden-Luft-Raketen, die allerdings allesamt ihre Ziele verfehlten. Einige davon gingen auf israelischem Boden nieder. In einem Fall wurden dabei zwei Israeli verletzt, am 10.8.2003 tötete ein Geschoss einen Jugendlichen und verletzte vier weitere Zivilisten. Hisbollah stoppte daraufhin, angesichts massiver internationaler Kritik, seine Versuche, Flugzeuge abzuschießen. Seit Mai 2000, so auch das Fazit von Rainer Matthias, beschränkte sich die Hisbollah auf die Bekämpfung israelischer Militärstellungen im Gebiet der Schebaa-Farmen, ein 14 km langes und durchschnittlich 2,5 km breites Gebiet, das Israel weiterhin besetzt hält. (siehe Wikipedia) Soweit dabei in wenigen Ausnahmefällen nordisraelisches Gebiet in Mitleidenschaft gezogen wurde, ergab es sich unmittelbar aus den Kampfhandlungen. Israel behauptet, die Schebaa-Farmen wären Teil der syrischen Golan-Höhen, die Israel 1967 besetzt und im Dezember 1981 - unter Mißachtung mehrerer UNO-Resolutionen - förmlich annektiert hat. Obwohl auch Syrien das Gebiet dem Libanon zuspricht, stellte sich der Sicherheitsrat hinter die israelischen Auffassung - ohne aber auf Rückgabe der annektierten Golan-Höhen zu drängen. (s. entsprechenden Abschnitt bei Shalom). Doch auch die Angriffe auf das Gebiet der Schebaa-Farmen erfolgten in den letzten Jahren nur noch sporadisch und verursachten kaum Schäden. Daniel Sobelman vom Jaffee Center for Strategic Studies (Universität Tel Aviv), der in westlichen Medien als Hisbollah-Experte gilt, kam daher in seiner Studie vom August 2004 zum Schluß, dass angesichts des noch bestehenden Kriegszustandes zwischen Israel und Libanon, "Israels Nordgrenze relativ stabil und friedlich war und Zeichen ökonomischen Fortschritts zeigen" würde. In seiner Studie Hizbollah after the Syrian Withdrawal im Juni 2005 ergänzt er dies noch:
Das deckt sich auch vollständig mit den Ausführungen Hasan Nasrallahs, dem Generalsekretär der Hisbollah im seinem Interview mit Al-Jazeera vom 20.7.2006. Hier nennt Nasrallah vier Konfliktpunkte mit Israel:
Behauptung 3: Hisbollah schießt mit der Absicht, Zivilisten zu töten, während die israelische Armee alles tut, um Zivilisten zu schonen. Der Abschuss von Raketen auf zivile Ziele ist stets ein Kriegsverbrechen, da machen die Angriffe der Hisbollah keine Ausnahme. An diesem Urteil würde sich auch nichts ändern, wenn Hisbollah angeben würde, sie würden nur auf militärische Ziele feuern und die zivilen Opfer wären Folge der Ungenauigkeit ihrer Raketen. Grundsätzlich darf nach dem „humanitären Kriegsvölkerrecht“ eine Kriegspartei keine Waffen einsetzen, die gleichermaßen Zivilisten wie militärische Ziele treffen können (siehe Amnesty International zitiert von Shalom). Die Kritik gilt selbstverständlich in weit größerem Maße für die israelischen
Angriffe. Israel hat sehr zielgenaue Waffen. Dennoch wurden in vier Wochen über 1.000 Zivilisten
getötet. Den Raketen der Hisbollah fielen in der selben
Zeit knapp 40 Zivilisten zum Opfer Zum Einsatz kamen
bei den israelischen Angriffen zudem - auch in dichtbesiedelten Gebieten
- Waffen
zum Einsatz, die geächtet sind: Von einem „Schonen der Zivilbevölkerung“ kann auf keinen Fall die Rede sein. Human Rights Watch (HRW), z.B. listet eine ganze Reihe schwerster Verstöße durch Israels Armee auf:
Auch das Internationale Rote Kreuz klagt Israel wegen der "unakzeptablen Ziviltoten" an. Die für ihre politische Zurückhaltung bekannte Hilfsorganisation verurteilte u.a. einen israelischen Luftangriff auf einen Autokonvoi von Hunderten von Flüchtlingen bei Marajayoun am 11.8.2006 bei dem mindestens 6 Menschen getötet und 32 schwer verwundet wurden. Ein libanesischer Rotkreuzhelfer wurde bei diesen Angriffen getötet, als er erste Hilfe leisten wollte. (Red Cross: Civilian deaths unacceptable, Aljazeera, 13.8. 2006) "Was wir taten war wahnsinnig und monströs, wir bedeckten ganze Städte mit Streubomben," so der Chef einer Raketeneinheit der israelischen Armee (IDF) in Bezug auf den Einsatz von Cluster- und Phosphorbomben" gegenüber der israelischen Tageszeitung Haaretz (IDF commander - We fired more than a million cluster bombs in Lebanon). Die IDF feuerte ca. 1.800 Clusterbomben die insgesamt 1,2 million Bomblets über die Zielgebierte verstreuten. Schätzungsweise ein Zehntel davon ist nicht explodiert und gefährdet die zurückgekehrte Bevölkerung. 12 Libanesen wurden in den ersten Wochen getötet, Dutzende, vor allem Kinder schwer verletzt. Zudem bestätigten israelische Soldaten den Einsatz von Phosphorgranaten, die gemäß internationalem Recht streng verboten sind. Die meisten Bomben und Granaten wurden nach ihren Angaben in den letzten 10 Tagen des Krieges abgefeuert. Auch wenn Hisbollah ihre Raketen recht
ungenau auf israelische Städte feuert, so besteht
nach
eigenen Angaben das Ziel nicht darin, möglichst viel Zivilisten zu
töten oder
Gebäude zu zerstören. Die Schäden, die ihre Waffen anrichten können, seien aufgrund der baulichen
Schutzmaßnahmen
in Nordisrael gering. Sie reichen aber aus, so ihr Führer Hasan
Nasrallah, das wirtschaftliche Leben stark zu beeinträchtigen und damit
die Kosten des Krieges auf israelischer Seite in die Höhe zu treiben. (Interview
mit
Hasan Nasrallah (auf englisch), Al-Jazeera, 20.7.2006). Behauptung 4: Hisbollah postiert seine Kämpfer und seine Waffen direkt zwischen Zivilisten und ist daher für die hohe Zahl ziviler Opfer verantwortlich Human Rights Watch (in der Regel eher pro-westlich ausgerichtet und sicherlich jeglicher Sympathie für Hisbollah unverdächtig) hat die Vorwürfe untersucht und keinen Fall gefunden, wo tatsächlich Hisbollah die Zivilbevölkerung als Schutzschild gegen israelische Angriffe missbraucht hätte.
Unabhängig davon würde die Anwesenheit von Hisbollah-Kämpfern Israel selbstverständlich kein Recht zum „Feuer frei“ auf Zivilisten geben. Wenn ein Krimineller aus einem Appartement auf die Polizei feuert, so würde dies der Polizei auch nicht erlauben, die Luftwaffe aufzufordern, das Gebäude platt zu machen, so Stephen R. Shalom. Die IDF hat die Definition von militärischen Zielen extrem ausgedehnt, so dass es aus deren Sicht zwangsläufig zu einer Vermischung mit zivilen Bereichen kommt. Z.B. wurden die Privatwohnungen von politischen Führern der Hisbollah angegriffen, die -- kaum überraschend -- tatsächlich mitten in normalen Wohngebieten liegen. (Mit der gleichen Logik, könnte Hisbollah Wohngebiete von Tel Aviv ins Visier nehmen, wo israelische Politiker leben). Auch Parteibüros, Fernsehsender etc. der Hisbollah – einer legalen Partei, mit Sitzen im Parlament und zwei Ministern im Kabinett – wurden zu militärischen Zielen erklärt. Da die Hisbollah keine stehende Armee ist, sondern eine Widerstandsbewegung, leben und arbeiten die Kämpfer/innen mitten unter der übrigen Bevölkerung, die sie deckt und unterstützt. Damit steht die israelische Armee vor dem selben Dilemma, wie alle Besatzungstruppen, die sich einem von der Bevölkerung getragenen Widerstand gegenübersehen. Wie alle kolonialistischen und imperialistischen Armeen bekämpft auch die IDF den Widerstand, indem sie Krieg gegen die Bevölkerung führt. Mitch Prothero weist in seinem Artikel Der Mythos vom "Verstecken unter Zivilisten" darauf hin, dass sich die Kämpfer der Hisbollah - im Gegensatz zu den politischen Aktivisten der Partei - schon aus Gründen effektiver Geheimhaltung von Zivilisten so weit wie möglich fernhalten. "Viel geschickter und besser ausgebildet als die Kämpfer der PLO und der Hamas wissen sie, dass sie, wenn sie sich unter Zivilisten mischen, früher oder später von Kollaborateuren verraten werden - wie das so vielen militanten Palästinensern geschehen ist." Die israelische Führung bestreitet zudem gar nicht, dass ihre Bomber gezielt zivile Ziele wie Elektrizitätswerke, Versorgungsbetriebe, Fabriken, Flug- und Seehäfen, Brücken, Schnellstraßen angegriffen haben. Der israelische Stabschef Dan Halutz erklärte z.B., sie würden „die Infrastruktur angreifen und die Uhr im Libanon um 20Jahre zurückdrehen“, wenn die beiden Soldaten nicht unverzüglich freigelassen würden. Die Offensive, so Halutz, sei „mit offenem Ende. Nichts ist sicher [im Libanon], so einfach ist das.“ (Our aim is to win – nothing is safe, Israeli chiefs declare, Times, 14.7.2006) Behauptung 5: Hisbollah ist der verlängerte Arm Syriens und/oder Irans Diese Behauptung wird in der Regel nicht näher begründet. In Bezug auf den Iran reicht es auf den gemeinsamen religiös-ideologischen Hintergrund hinzuweisen, in Bezug auf Syrien auf den gemeinsamen Feind. Dabei sprechen sowohl die Geschichte der Organisation, als auch die aktuelle Praxis eindeutig gegen die Vermutung, Hisbollah sei von ausländischen Mächten gesteuert. Die Stärke der Hisbollah ist ihre Verwurzelung in der Bevölkerung im Süden (nicht nur der schiitischen), sie wäre undenkbar, würde sie sich überwiegend an ausländischen Interessen orientieren. Hisbollah hat sich als nationale Kraft in das politische System des Landes integriert, ihre patriotische Orientierung wird ihr nur von wenigen politischen Gegnern abgesprochen. "Zweifelsohne genießt Hisbollah die Unterstützung des Irans. Falsch wäre es jedoch ihre – gerade durch den Ausgang der Aggression Israels gegen den Libanon gestärkte – Autonomie und selbständige Politikfähigkeit zu unterschätzen", so auch Werner Ruf. "Die propagandistische Darstellung der Hisbollah als verlängerter Arm der Regierung in Teheran unterschätzt nicht nur die Kraft dieser Bewegung, sie erscheint auch als gefährliche propagandistische Vorbereitung für den geplanten Krieg gegen den Iran." Obwohl Hisbollah Unterstützung aus Syrien und dem Iran erhält, ist die Organisation stark genug um unabhängig zu bleiben, meint auch Charles Glass in den London Review of Books. Glass und kann dies u.a. auch mit einer persönlichen Erfahrung untermauern: Er war 1987 von Hisbollah-Kämpfern entführt worden und wurde zu seinem Leidwesen trotz erheblichen Drucks aus Syrien nicht gleich wieder freigelassen. Hisbollah verfügt zum einen über eigene Unternehmen (siehe Brian Whitaker vom britischen Guardian), zum anderen fungieren als weitere Einnahmequelle die religiösen Stiftungen und Abgaben der Schiiten (siehe Mona Sarkis in Telepolis). Aktuell erhalten sie zudem viele private Spenden aus anderen arabischen Ländern, mit denen sie nun Hilfen für die Bevölkerung und die ersten Wiederaufbaumaßnahmen finanziert. (Auch hier heißt es in den Medien, das Geld käme aus dem Iran. Die Quelle hierfür ist der politisch äußerst wendige Drusenführer Walid Dschumblatt, entschiedener Hisbollah-Gegner und aktuell im Bündnis mit den USA. Der Iran hingegen, hat zwar prinzipiell Hilfe zugesagt, eine Entscheidung darüber würde es aber erst im September geben.) Eine häufige Behauptung in Bezug auf den jüngsten Krieg ist, der Iran habe die Hisbollah angestachelt, um von seinem Atomkonflikt abzulenken. Hisbollah-Chef Nasrallah hat den Vorwurf, seine Organisation habe einen Krieg provoziert, um Iran oder Syrien im Konflikt mit den USA und der EU zu entlasten, in einem Interview mit Aljazeera auf recht einsichtige Weise ad absurdum geführt. Der Krieg gegen den Libanon würde evtl. ein paar Wochen, vielleicht sogar ein paar Monate dauern, aber in absehbarer Zeit beendet sein. Anschließend stehe das Thema der iranischen Atomindustrie genauso unverändert wieder auf der Tagesordnung in den USA und Europa wie die internationale Untersuchung gegen Syrien wegen des Mordes an Hariri. Der in einem Interview mit der taz dazu befragte Berliner Islamwissenschaftler Stefan Rosiny vermutet sogar eher das Gegenteil:
Behauptung 6: Hisbollah stehe im Gegensatz zum übrigen Land, Entwaffnung sei im nationalen Interesse
Viele Befürworter eines "robusten" Vorgehens einer internationalen Truppe im Libanon gegen die Hisbollah begründen dies u.a. auch damit, dem Libanon helfen zu wollen, seine "Souveränität" zurückzuerlangen. Nicht die aktuelle Blockade des Landes durch Israel, nicht die fast täglichen Grenzverletzungen durch Israel seit Abzug seiner Truppen, nicht die Präsenz ausländischer Truppen, die Kontrolle seiner Grenzen und seiner Gewässer beinträchtigen demnach die Souveränität des Landes, sondern die bewaffneten Milizen der Hisbollah. Es wird suggeriert, es gäbe einen klaren Gegensatz zwischen Hisbollah und dem übrigen Land ("Staat im Staat") und die Entwaffnung der Organisation wäre im allgemeinen libanesischen Interesse. Die Entwaffnung der Milizen der Bürgerkriegsparteien war ein wichtiger Schritt zur Befriedung des Landes. Hisbollah war allerdings nie Bürgerkriegspartei, sondern richtete seine militärischen Kräfte ausschließlich gegen die Besatzungsmacht Israel und dessen lokale Hilfstruppe SLA. Aus diesem Grund fiel sie aus libanesischer Sicht auch nicht unter das Entwaffnungsgebot. Selbstverständlich stellen bewaffneten Milizen nicht nur eine massive Beeinträchtigung staatlicher Autorität, sondern auch ein Problem eine demokratische Entwicklung dar. Den Befürwortern einer Entwaffnung der Hisbollah geht es allerdings weniger um die Entwicklung des Libanons, als darum, an der Nordgrenze Israels eine Kraft auszuschalten, die in der Lage ist Israel militärisch ernste Schwierigkeiten zu bereiten. Da hier allein Israels (Sicherheits-) Interessen Rechnung getragen wird, sieht die Lage aus libanesischer Sicht völlig anders aus. Schließlich hat Israel mehrfach den Libanon überfallen und nicht umgekehrt. Daher wird hier auch die Rolle der Hisbollah völlig anders gesehen. Für die Mehrheit der Bevölkerung ist die Hisbollah die einzige Kraft, die Israel effektiven Widerstand entgegensetzen kann. So unterzeichneten viele namhafte Intellektuelle, Schriftsteller und Journalisten eine "Erklärung der Beschäftigten im öffentlich-kulturellen Bereich" (Statement by Workers in the Public Cultural Sphere in Lebanon Beirut) vom 25. Juli 2006, in der es heißt:
Der libanesische Präsident Emil Lahud wusste daher seine Landsleute hinter sich, als er sich nach Verabschiedung der UN-Resolution gegen eine Entwaffnung der Hisbollah aussprach, da sie die einzige Macht der arabischen Welt sei, der es bisher gelang, Israel die Stirn zu bieten. In der libanesischen Armee wird dies genauso gesehen. Mitte August war ein internes Schreiben der libanesischen Militärführung bekannt geworden, das alle Soldaten anweist, "an der Seite" der Hisbollah zu stehen, "die von der Welt wegen ihrer Standhaftigkeit bewundert wird und die den Nimbus der sogenannten unbesiegbaren Armee zerstört hat" (siehe Rainer Rupp, Im Libanon wird Kritik an Hisbollah laut) Wie oben in Zusammenhang mit den Shebaa Farmen erwähnt, definiert sich die Hisbollah gemäß Daniel Sobelman von der Uni Tel Aviv in militärischer Hinsicht vorwiegend als "strategische Abschreckung gegen Israel". In seiner Studie von 2005 weist er zudem nach, dass dies auch vom "libanesischen Establishment" weitgehend unterstützt wird. Dies habe sich bereits im Mai 1999 gezeigt, als der libanesische Präsident den Chef der Republikanischen Garden zur Hisbollahführung sandte, um den Soldaten der Organisation Ehrenmedaillen für ihren Kampf im Südlibanon zu überreichen. Im Juli 2004 wurde, so Sobelman, der libanesische
Oberbefehlshaber der Armee, Gen. Michel Suleiman mit der
Äußerung zitiert, dass "solange der Libanon keine
Kampfflugzeuge und keine starke Armee" besitze, mit
der sich das Land Israel entgegenstellen könne, "fülle
Hisbollah die Lücke" und werde zu Libanons "intelligenter
Waffe (smart weapons)". Im Laufe des Jahres 2005, schreibt Sobelman,
möglicherweise als Teil eines Versuches des "libanesischen
Verteidigungs-Establishments" Hisbollah gegen
internationalen Druck in Schutz zu nehmen, wurde solche
Äußerungen häufiger und konkreter. Führende
Verantwortliche sprachen nun davon, Hisbollah in die libanesische
Militärdoktrin aufzunehmen. Die Notwendigkeit "den
Widerstand" (d.h. Hisbollah) zu schützen wurde
sogar in einer speziallen Informationsschrift durch die
Leitlinienabteilung (guidance department) der libanesischen
Armee an die Soldaten verteilt, die erläuterte, dass "der
Widerstand bei einer Gefahr durch Israel einen wesentlichen
Teil der Stärke der libanesischen Position" bilde. Unter diesen Umständen, schließt Sobelman,
war nur natürlich, dass die weitere Diskussion um die
Zukunft der Hisbollah die Debatte um die Integration der schiitischen
Organisation - offiziell oder halb-offiziell - in die libanesische
Armee sein würde. Der frühere Präsident Amin Gemayel, einer der Oppositionsführer, die schon seit längerem die Verlegung von Armeeeinheiten in den Süden fordern, bemerkte, dass nach libanesischem Recht, die Hisbollah unter der Kategorie "Armeeunterstützung" definiert werden könnte. Indem Hisbollah den Armeeunterstützern zugeteilt würde, würde sie unter der Oberaufsicht der Armee und deren Verantwortung agieren." Hisbollah selbst hat ihre prinzipielle Bereitschaft zur Integration erklärt, unter dem Vorbehalt, dass Widerstand gegen mögliche israelische Aggressionen dadurch nicht beeinträchtigt wird. Unter den aktuellen Umständen, wird sie zwar einer engeren Kooperation mit der Armee zustimmen, aber ihre Selbständigkeit behalten. "Gottesstaat" nicht mehr im Programm "Die Hizbollah
ist zweifellos geprägt von einer religiösen Ausrichtung, die der Linie
der Mullahs in Teheran folgt", schreibt Werner Ruf in seinem Artikel
für das Friedensjournal. "Zugleich aber akzeptiert sie den
religiösen Pluralismus des Libanon. Vor allem aber ist sie – wie auch
die sunnitische Hamas in Palästina – eine konsequent nationalistische
Partei." Parallel zum Kampf gegen die israelische
Besatzung "entwickelte sie sich zu einer äußerst
erfolgreichen Vertretung der Interessen der schiitischen Bevölkerung
und baute mustergültige soziale Sicherungssysteme auf." Interessant im Hinblick auf eine Einschätzung des Charakters der Hisbollah ist auch der Artikel von Charles Glass in den London Review of Books v. 17.8. 2006 Hizbullah: Learning from Its Mistakes. Vom ursprünglichen, in ihrem Programm von 1985 festgehaltenen Ziel der "Errichtung eines islamischen Republick" so der langjährige Chef-Korrespondent für den Nahen Osten bei ABC News, habe sich die Hisbollah auf dem Weg zur politischen Partei verabschiedet. Sie spricht nun stattdessen davon, dass Christen, Muslime und Drusen in Harmonie leben sollen. Unter ihren Parlamentskandidaten waren stets auch Christen. Wie Armin Köhli in der WOZ berichtet, hat sie auch nie versucht, im Südlibanon Ansätze zu einem "Gottesstaat" umzusetzen. Dort wird "in - für eine Kriegsregion - grösster Toleranz gelebt", und herrschen "Meinungs- und Organisationsfreiheit". Frauen ohne Kopftuch und in kurzen Jupes gehörten in einer "Hisbollah-Hochburg" wie Nabatije genauso zum Stadtbild wie auch Alkohol. Das Wahlprogramm der Hisbollah sei "im Grunde ein nationalistisches Entwicklungsprojekt - die Wörter "Islam" und "Muslim" tauchen da nur am Rande auf, schreibt der Berliner Islamwissenschaftler Stefan Rosiny, in der taz vom 9.8.2006. "Die Hisbollah engagiert sich für die Bekämpfung der Korruption und für die Abschaffung des Konfessionalismus im Libanon" Die Führungsstrategie von Generalsekretär Nasrallah, so Helena Cobban, "global-affairs" Kolumnistin der US-Zeitung Christian Science Monitor Mitherausgeberin der Zeitschrift Boston Review, "die Bemühungen um Massenorganisation und Verhandlungen mit anderen Gruppen mit einem 'militanten' Image und gezielter Gewalt hat viele Parallelen mit der Politik die die Führer des Afrikanischen National Kongress in Südafrika in den 1980er und 1990en Jahren verfolgten." Keine Rache an Kollaborateuren Charles Glass geht in seinem oben erwähnten Artikel u.a. auf die Phase im Kampf der Organisation gegen die israelische Besatzung ein, als Israel überraschend und ohne Vorwarnung am 23. Mai 2000 seine Truppen zurückzog, zwei Monate vor dem eigentlich angekündigten Termin. Sie ließen damit ihre langjährige Hilfstruppe, die für ihre Grausamkeit berüchtigte "Südlibanesische Armee" SLA im Regen stehen - trotz eindringlicher Warnung der UNO vor einem Massaker an den nun nach 22 Jahren Besatzung schutzlos gewordenen SLA-Leuten. Rache oder Selbstjustiz an Kollaborateuren, die sich im Dienste von Besatzern brutaler Verbrechen an der Bevölkerung schuldig gemacht haben, so Glass, waren in der Geschichte völlig üblich. Er verweist als Beispiel auf entsprechende Aktionen der französischen Resistance nach der Befreiung vom Faschismus. Im Südlibanon übernahm die Hisbollah ab dem 23. Mai die militärische Kontrolle über das von den Israelis geräumte Gebiet -- die befürchteten Racheaktionen blieben aber aus. Hisbollah konfiszierte große Mengen israelischer Waffen übergab die SLA-Leute aber an die Regierung. "Ist dies barbarisch?", fragt Glass. Das Unterbinden von Morden an Kollaborateuren, so Glass, beeindruckte die Libanesen fast so sehr wie der Sieg Hisbollahs über die israelische Besatzungsmacht -- es ein Triumph über den Tribalismus, der die libanesische Gesellschaft seit Jahrzehnten plagte und spaltete. "Was sie nun suchte im Südlibanon, war nicht Revanche, sondern Wählerstimmen," nachdem sie sich zwischen 1982 und 2000 auch zu einer politischen Partei entwickelt hatte. Einige Auszüge aus deutschsprachigen Artikel: Prof. Werner Ruf, 16. 8.
2006 Vorausveröffentlichung eines Beitrag, der im "FriedensJournal" (Zeitung des Bundesausschusses Friedensratschlag) erscheinen wird.
Armin Köhli,
Wochenzeitung WOZ (Schweiz), 3. 8. 2006
Stefan Rosiny, taz vom 9.8.2006
Timur Goksel, SPIEGEL, 27. 7. 2006
Rainer Matthias, junge Welt, 8. 8. 2006
Günter Pleuger im Interview
Gilbert Achcar, Socialist Outlook, 1. 8.
2006
Alexander Cockburn, ZNet 21.07.2006
Rania Masri, junge Welt, 3.8.2006
Der Standard (Wien), 27. Juli 2006
Erklärung der Beschäftigten im
öffentlich-kulturellen Bereich / Am 25. Juli verabschiedeten namhafte Intellektuelle, Schriftsteller und Journalistenin in Beirut eine "Erklärung der Beschäftigten des öffentlich-kulturellen Bereiches", die sich hinter den libanesischen Widerstand stellt, und von der libanesischen Regierung dasselbe verlangt. Sie rufen darüber alle libanesischen und arabische Intellektuellen auf, nicht Hisbollah, sondern Israel für den Krieg verantwortlich zu machen und den libanesischen Widerstand ebenfalls zu unterstützen Auszug:
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