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Gaza-Krieg 2023 - Hintergründe, Berichte, Kommentare, Stellungnahmen ...

Eine kleine Auswahl interessanter Beiträge

 

„Alles menschliche Leben ist wertvoll. Das humanitäre Recht gilt für alle.”
Interview mit Rashid Khalidi, palästinensisch-amerikanischer Historiker für den Nahen Osten, In den 1990er-Jahren Berater der palästinensischen Vertreter bei den Friedensverhandlungen
NachDenkSeiten, 18. November 2023

Alain Gresh
Gaza-Palestine: The Right to Resist Oppression
Orient XXI, 13.10.2023

Kritik von Juden in Deutschland: „Wir verzweifeln an Israels Politik“
Nirit Sommerfeld, jüdisch-israelische Künstlerin „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost”“
Berliner Zeitung, 23.11.2023

Gaza: UN experts call on international community to prevent genocide against the Palestinian people
OHCHR, 16.11.2023
Gaza: UN-Experten fordern internationale Gemeinschaft auf, Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung zu verhindern
Die schwerwiegenden Verstöße Israels gegen die Palästinenser nach dem 7. Oktober, insbesondere im Gazastreifen, deuten auf einen bevorstehenden Völkermord hin, so UN-Experten heute. Sie erläuterten Beweise für die zunehmende Aufstachelung zum Völkermord, die offenkundige Absicht, "das palästinensische Volk unter der Besatzung zu vernichten", den lautstarken Ruf nach einer "zweiten Nakba" in Gaza und den übrigen besetzten palästinensischen Gebieten sowie den Einsatz mächtiger Waffen, die von Natur aus wahllos eingesetzt werden und zu einer kolossalen Zahl von Todesopfern und der Zerstörung lebenswichtiger Infrastruktur führen.

Rücktrittsschreiben von Craig Mokhiber, Leiter des New Yorker Büros des UN-Kommissars für Menschenrechtein (OHCHR), 1.11.2023
Der UN-Menschenrechtsexperte geht mit der internationalen Gemeinschaft, insbes. der westl., hart ins Gericht und bezeichnet Israels Vorgehen in Gaza als "Völkermord wie aus dem Lehrbuch"

Er steht mit dieser Sicht nicht allein:

Norman Paech, „Schwerter aus Eisen“ – ein Völkermord in Gaza
NachDenkSeiten, 3. November 2023

Bereits am 12.10. rief eine Reihe von Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrates dringend dazu auf, "den drohenden Völkermord zu verhindern"

Desgleichen die US-amerikanische Philosophin Judith Butler, Beiratsmitglied der Jewish Voice for Peace:
Jüdische Wissenschaftlerin Judith Butler verurteilt Israels "Völkermord" in Gaza
Democracy Now! / Telepolis, 30. Oktober 2023

Und in Israel werden von Ministerien und Denkfabriken auch konkrete Pläne zur vollständigen Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen präsentiert.
Säuberungspläne in Israel: "Einzigartige Chance, Gaza komplett zu evakuieren", Telepolis, 31. Oktober 2023

Erklärung des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, Volker Türk, zu Israel und zum besetzten palästinensischen Gebiet
Zeitgeschehen im Fokus, 17. November 2023
"Beenden Sie die Gewalt. Garantieren Sie die Sicherheit der humanitären Helfer. Gewährleistung eines sicheren Zugangs, damit die humanitäre Hilfe alle Bedürftigen erreicht ... Die Lösung für diese Situation ist die Beendigung der Besatzung und die uneingeschränkte Achtung des Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser. Wie ich immer wieder gesagt habe, muss die Besatzung beendet werden, um die Gewalt zu beenden."

Shir Hever, Deutschland geht mit der Unterstützung von Kriegsverbrechen ein rechtliches Risiko ein.
NachDenkSeiten, 14. Oktober 2023

Chris Hedges,
Brief an die Kinder in Gaza, 9. November 2023

Save the Children, 29.10.2023
GAZA: 3,195 Children Killed in Three Weeks Surpasses Annual Number of Children Killed in Conflict Zones since 2019
dDe internat. Hilfsorganisation "Save the Children" meldet: "Die Zahl der in Gaza bereits in drei Wochen getöteten Kinder hat die jährliche Zahl, der seit 2019 in allen Konfliktgebieten der Welt getöteten Kinder übertroffen"

In Lateinamerika wächst die Kritik an Israels militärischem Vorgehen in Gaza
Bolivien bricht Beziehungen ab, Chile und Kolumbien rufen Botschafter zurück. Argentinien und Mexiko prangern Verletzungen des humanitären Völkerrechts an
Vilma Guzmán, amerika21, 03.11.2023


Gaza, Völkerrecht und Staatsräson: Deutschland steht tief im Abseits
von Peter Vonnahme, ehem. Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
NachDenkSeiten, 9. November 2023

Westliche Heuchelei: Wollen wir wirklich den „Big Bang“ in Nahost?
Die Propagandalinie heißt: Wir sind die „Guten“, sie die „Bösen“. Das ist nicht nur falsch, sondern könnte die Region in den Abgrund reißen. Was jetzt klug wäre.
von Michael Lüders, Telepolis, 17.10.

Das Risiko eines regionalen Krieges
Wie die Bodeninvasion in Gaza über Israel und Palästina hinaus eskalieren kann
BIP-aktuell, 11.11.

Solidarität der sozialen Bewegungen in Lateinamerika mit Opfern von Gaza
Darunter Brasiliens Landlosenbewegung, Mexikos EZLN, Argentiniens Mai-Platz-Mütter. Auf Demonstrationen hieß es: „Das ist kein Krieg, das ist Völkermord“
Von Hans Weber, amerika21, 10.11.

Die Glaubwürdigkeit des Westens
842 EU-Mitarbeiter protestieren gegen von der Leyens Gaza-Politik. Diplomaten warnen, der Westen habe im Globalen Süden wegen seiner Ignoranz gegenüber Ziviltoten im Gazastreifen jede Glaubwürdigkeit verloren.
German Foreign Policy, 25.10.

Belgien: Vize-Ministerpräsidentin fordert Sanktionen gegen Israel
SZ, 8. November 2023

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Israels Aktion in Schifa-Krankenhaus in Gaza: Neue Tote, wenig Klarheit
Telepolis, 17. November 2023

Haben israelische Soldaten bei der Rückeroberung der Ortschaften auch israelische Zivilisten getötet?
Es gibt Berichte, dass bei den Gefechten der IDF mit den Hamas-Terroristen auch israelische Bewohner umkamen. Auch mit Panzern wurde auf die Häuser geschossen, in denen Hamas Geiseln genommen hatten.
von Florian Rötzer – Overton-Magazin | 26.10.

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Norman Paech, Nahostkonflikt: Aufstand der Verzweiflung
Kolonialer Hintergrund des Kriegs zwischen Israel und der Hamas und ihren Verbündeten wird in Politik und Medien übersehen
junge Welt, 19.10.2023

Karin Leukefeld, Wer ist die Hamas?
Wer den Konflikt in Nahost verstehen will, muss seine Geschichte kennen
UZ vom 3. November 2023
 

Akram Belkaïd, Wem nützt die Hamas?
Le Monde diplomatique, 09.11.2023
Die am 7. Oktober verübten Massaker an israelischen Zivilisten haben weltweit auch Menschen schockiert, die mit der palästinensischen Sache sympathisieren. Was wollte die Hamas mit ihrem Angriff erreichen? Wie weit wird die israelische Reaktion gehen? Und wer wird am Ende verhandeln?

Eine Besatzungsmacht hat kein Recht auf Selbstverteidigung gegen die Besetzten
Das Vorgehen Israels verstösst gegen das Kriegsrecht
Interview mit Jacques Baud*
16. November 2023

Im Bewusstsein der Israelis existieren die Palästinenser nicht.
Prof. Dr. Nurit Peled im Interview Frank Barat mit
7. November 2023
Dr. Nurit Peled-Elhanan ist eine israelische Professorin für Sprache und Bildung an der Uni Jerusalem, Mitpreisträgerin des vom EU-Parlament verliehenen Sacharow-Preises für geistige Freiheit. Ihre Tochter Smadar wurde bei einem palästinensischen Selbstmordattentat getötet.

 

 
 

„Die Vernichtung der europäischen Juden durch die Nazis und ihre Verbündeten, die damalige Unfähigkeit der Großmächte, die Barbarei zu stoppen, haben ein Schuldbewusstsein in der westlichen Meinung geschaffen und eine positive Haltung zugunsten derjenigen, die als Erben der Geschichte und der Erinnerung an den Juden auftreten. Dieses Martyrium hat die Abstimmung der UN-Vollversammlung vom 29. November 1947 für eine Teilung Palästinas und damit für die Gründung des Staates Israel begünstigt.
Die Palästinenser haben jedoch für ein Verbrechen zahlen müssen, das sie nicht begangen hatten und für das sie in keiner Weise verantwortlich waren." - Alain Gresh
, französischer Nah-Ost-Experte mit ägyptischen und jüdischen Wurzeln, langjähriger Chefredakteur von Le Monde diplomatique in "Palästina und die Bewegung gegen die neoliberale Globalisierung", November 2002 (aus Sand im Getriebe,   31.5.2007)

Nahostkonflikt: Aufstand der Verzweiflung
Kolonialer Hintergrund des Kriegs zwischen Israel und der Hamas und ihren Verbündeten wird in Politik und Medien übersehen
 von Norman Paech, emeritierter Professor für Politikwissenschaft und Öffentliches Recht, junge Welt, 19.10.2023

Die politische Klasse, ob in der Regierung, den Parteien oder den Medien, hat offensichtlich ihr Ceterum censeo: Hamas muss vernichtet werden – um welchen Preis auch immer. Lassen wir die politische Fragwürdigkeit dieser Devise einmal beiseite, so liegt in ihr ein grundsätzlicher Fehler. Sie reduziert den Überfall und den Ausbruch der Gewalt auf die Verantwortung einer einzigen Organisation, der Hamas. Sie hat die Geschichte der kolonialen Befreiungskämpfe in Afrika vergessen, deren militärische Spitze immer von einer oder zwei Organisationen gebildet wurde. Ob die FLN in Algerien, der ANC in Südafrika, die SWAPO in Südwestafrika, die MPLA in Angola, die PAIGC in Guinea-Bissau, die Frelimo in Mosambik oder die PLO in Palästina, sie wurden alle als Terroristen bekämpft. Sie waren aber nur der politisch-­militärische Arm eines Volkes, welches für seine Befreiung kämpfte. In allen diesen Befreiungskriegen hatte das internationale Recht einen verzweifelten Stand.
Politik und Medien wollen auch jetzt nicht begreifen, dass es hier in Gaza ebenso wie in der Westbank um einen Befreiungskampf des ganzen palästinensischen Volkes gegen jahrzehntelange Unterdrückung, Enteignung, Gewalt und Entwürdigung geht. Wir dürfen nicht vergessen und verdrängen, dass die palästinensische Bevölkerung die furchtbare Gewalt, die jetzt so bild- und wortreich beklagt wird, in mehr als 75 Jahren in Überfällen und Massakern von Deir Jassin bis Masafer Jatta immer wieder und geradezu täglich erfahren hat. Sie ist immer wieder dagegen aufgestanden – vergeblich. Jetzt hat die verzweifelte Situation wie bei einer Revolte im Gefängnis zu einer Explosion geführt.

Rache löst nichts

Wenn Israel mit Unterstützung von USA und NATO-Bündnis darauf besteht, Hamas als Reaktion auszulöschen, zu vernichten, und sei es um den Preis Tausender ziviler Opfer Gaza in Schutt und Asche zu legen, so begeht es den zweiten Fehler: Dadurch würde der Widerstand des palästinensischen Volkes gegen die Gewalt der Apartheid nicht gebrochen. Man kann eine Organisation vernichten, aber nicht ein Volk. Das würden heute die UNO und ein immer noch vorhandenes antikoloniales Gewissen in der Welt verhindern. Man kann sein Rachegefühl befriedigen, aber damit nicht den Frieden sichern. Alle klassischen Kolonialmächte mussten sich aus ihren Kolonien zurückziehen. Israel, eine Siedlerkolonie, wird hier keine Ausnahme machen.
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Nein, diese Zeilen sind keine Rechtfertigung der mörderischen Orgie, die die Kämpfer der Hamas bei ihrem Überfall anrichteten, keine verschwiegene Zustimmung zu den Siegesgesängen auf Europas Straßen. Sie werden von der Furcht diktiert, dass das »Terrorbild« der Hamas bei aller Grausamkeit des Überfalls den wahren Charakter dieser Gewalt als Aufstand der palästinensischen Gesellschaft verdeckt. Dass man sich weiterhin weigert, das Elend der palästinensischen Existenz sowohl in Gaza wie in der Westbank wahrzunehmen und die jahrzehntelange koloniale Besatzung und Apartheid als wahren Grund der plötzlichen Gewalt zu erkennen. Sie hatte sich seit langem angekündigt und wird durch keinen Vernichtungskrieg verschwinden.

Gaza-Palestine: The Right to Resist Oppression, von Alain Gresh, französischer Nah-Ost-Experte mit ägyptischen und jüdischen Wurzeln, langjähriger Chefredakteur von Le Monde diplomatique, in Orient XXI, 13.10.2023

Es war ebenfalls im Oktober, vor genau 50 Jahren, im Jahr 1973. Die ägyptische und die syrische Armee überschritten die Waffenstillstandslinien und fügten der israelischen Armee schwere Verluste zu.
... Damals prangerten zahlreiche Kommentatoren in Europa und den Vereinigten Staaten eine "ungerechtfertigte, unmoralische und unprovozierte ägyptisch-syrische Aggression" an - ein Begriff, den die israelische Führung besonders gerne verwendet, da er es ermöglicht, die Ursache dieser Konflikte zu verschleiern: die Besatzung. Michel Jobert, der damalige französische Außenminister, bewies eine Klarsicht, die seinem Land zur Ehre gereichte: "Ist der Versuch, das eigene Territorium zu betreten, zwangsläufig eine Aggression?"

Wenn 1973 die Hoffnung, die Besetzung des ägyptischen Sinai und der syrischen Golanhöhen zu beenden, legitim war, ist dann fünfzig Jahre später die Entschlossenheit der Palästinenser, sich von der israelischen Besatzung zu befreien, illegitim? Wie schon im Oktober 1973 wurde Tel Aviv von der palästinensischen Aktion überrumpelt und erlitt eine außergewöhnlich schwere militärische Niederlage.
Auch diesmal trugen die Arroganz der Besatzer, ihre Verachtung für die Palästinenser und die Überzeugung dieser jüdischen Vormachtstellung, Gott sei auf ihrer Seite, zu ihrer Selbsttäuschung bei.
 
Der Angriff, der von einem gemeinsamen Militärkommando gestartet wurde, in dem die meisten palästinensischen Organisationen unter der Führung der Ezzedine Al-Qassam Brigaden (militärischer Flügel der Hamas) zusammengeschlossen sind, war eine Überraschung, nicht nur wegen des gewählten Zeitpunkts, sondern auch wegen seines Ausmaßes, seines Organisationsgrades und der militärischen Kapazitäten, die es unter anderem ermöglichten, die israelischen Militärstützpunkte zu überrennen.
Er vereinte alle Palästinenser und fand breite Unterstützung in der gesamten arabischen Welt.

... Jedes Mal, wenn die Palästinenser rebellieren, spricht der Westen, der den Widerstand der Ukrainer so gerne verherrlicht, von Terrorismus. ... Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass viele terroristische Organisationen, die im Laufe der jüngeren Geschichte als solche an den Pranger gestellt wurden, keine Parias mehr sind, sondern zu legitimen Gesprächspartnern geworden sind. Die Irisch-Republikanische Armee (IRA), die Algerische Nationale Befreiungsfront, der Afrikanische Nationalkongress (ANC) und viele andere sind abwechselnd als "Terroristen" bezeichnet worden, ein Wort, das dazu dient, ihren Kampf zu entpolitisieren und ihn als eine Konfrontation zwischen Gut und Böse darzustellen.
... 

Wie der israelische Journalist Haggai Matar beobachtet hat:
Im Gegensatz zu dem, was viele Israelis behaupten (...) ist dies kein 'einseitiger' und 'unprovozierter' Angriff. Der Schrecken, den die Israelis, mich eingeschlossen, gerade jetzt erleben, ist nur ein winziger Bruchteil dessen, was die Palästinenser jeden Tag unter dem Militärregime erleben, das seit Jahrzehnten im Westjordanland wütet, und unter der Belagerung und den wiederholten Angriffen auf Gaza

... Wie in jedem Krieg kann man die zivilen Opfer nur bedauern, aber gibt es "gute Zivilisten", für die man eine Träne vergießt, und "schlechte Zivilisten" wie die Palästinenser, die jeden Tag im Westjordanland getötet werden und deren Tod so wenig Empörung hervorruft?

Rücktrittsschreiben von Craig Mokhiber, Leiter des New Yorker Büros des UN-Kommissars für Menschenrechtein (OHCHR), 1.11.2023

Als Menschenrechtsanwalt mit mehr als drei Jahrzehnten Erfahrung auf diesem Gebiet weiss ich sehr wohl, dass der Begriff Völkermord oft politisch missbraucht wird. Doch der gegenwärtige Massenmord am palästinensischen Volk auf der Grundlage einer ethno-nationalistischen Siedlerkolonialideologie, welche die jahrzehntelange systematischen Verfolgung und ethnische Säuberung eines Volkes fortsetzt, nur weil die Menschen Araber sind, und die mit ausdrücklichen Absichtserklärungen führender Vertreter der israelischen Regierung und des Militärs einhergehen, lässt keinen Raum für Zweifel oder Debatten.

Im Gazastreifen werden zivile Gebäude, Schulen, Kirchen, Moscheen und medizinische Einrichtungen mutwillig angegriffen und Tausende von Zivilisten massakriert. Im Westjordanland, einschließlich dem besetzten Jerusalem, werden Häuser beschlagnahmt und neu zugeteilt, und israelische Militäreinheiten begleiten gewalttätige Siedlerpogrome. Überall im Land herrscht Apartheid. Dies ist Völkermord wie aus dem Lehrbuch.
Craig Mokhiber betont, dass „wichtige Teile der UNO vor der Macht der USA und der Angst vor der Israel-Lobby kapituliert“ und „sich vom Völkerrecht selbst zurückgezogen“ hätten. Das größte Versagen der UNO sei in Palästina zu beobachten .

Es ist eine verblüffende historische Ironie, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im selben Jahr verabschiedet wurde, in dem die Nakba am palästinensischen Volk verübt wurde. … In gewissem Sinne versprachen die Verfasser Menschenrechte für alle, außer für das palästinensische Volk. Und wir sollten uns auch daran erinnern, dass es die Vereinten Nationen selbst waren, die die Erbsünde begingen, die Enteignung des palästinensischen Volkes zu erleichtern, indem sie das europäische Siedlerkolonialprojekt ratifizierten, das sich palästinensischen Landes bemächtigte und es den Kolonisten überließ. Es gibt viel, wofür wir büßen müssen.
 

Norman Paech, „Schwerter aus Eisen“ – ein Völkermord in Gaza
NachDenkSeiten, 3. November 2023

... Die Abgeordneten des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag werden mit einem Papier „Schwerter aus Eisen“ von Israels Botschafter Ron Prosor gefüttert  ...
Bundeskanzler Olaf Scholz hält an der Fiktion fest, dass Israel „ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien“ sei und die israelische Armee sich an die Regeln des Völkerrechts halten werde. Da ist es nur folgerichtig, einen Waffenstillstand abzulehnen, um das ohnehin nach Aussage der UNO schon seit 2020 unbewohnbare Gaza endgültig in Schutt und Asche zu legen. In der UNO-Generalversammlung, die mit 120 Stimmen einen Waffenstillstand fordert, enthält sich die deutsche Regierung, bekräftigt aber vor den Türen ihre Ablehnung und besteht auf dem Recht auf Selbstverteidigung nach Art. 51 UN-Charta.

Was geht da vor? Welche Perversion hat diese Politik ergriffen? Ist dieser Krieg, der ununterbrochene Bombenhagel, dieses ungehinderte tägliche und nächtliche Massaker überhaupt noch mit den allgemeinen Kategorien der Genfer Konventionen und ihrer beiden Zusatzprotokolle erfassbar? Schutz der Zivilisten, ..., Schutz der Krankenhäuser und des medizinischen Personals ... Verbot unterschiedsloser Angriffe und der Aushungerung als Mittel der Kriegsführung, Verbot, die Versorgung mit den notwendigsten Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten zu behindern.

Appelle, diese Regeln zu beachten, sind seit dem 7. Oktober vollkommen hilflos, ja lächerlich.

Dieser Krieg ist schon lange nicht mehr ein Verteidigungskrieg gegen die Hamas. Er ist ein Krieg gegen das Volk in Gaza, welches nach jüngsten Plänen der Regierung vollständig in die Sinai-Wüste nach Ägypten vertrieben werden soll. Das alte Siedlungskonzept „Land ohne Volk“ lebt wieder auf. Dieser Krieg hat alle Regeln hinweggefegt, mit ihnen ist er nicht mehr zu regulieren bzw. zu „humanisieren“.
Wir müssen uns eingestehen, das ist Völkermord! Ein hässliches Wort, dem man seine Hässlichkeit auch nicht mit dem Begriff Genozid nehmen kann. Gerade in der deutschen Geschichte erinnert es an die äußersten Verbrechen, die nie mehr geschehen dürfen. Und ich zögere, es zu gebrauchen.

... Das Internationale Recht ist nüchtern und emotionslos. Es hat seine Kriterien für den Völkermord ... Übereinstimmend heißt es da, dass „Völkermord eine der folgenden Handlungen (sei), die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Zu diesen Handlungen gehören die „Tötung von Mitgliedern dieser Gruppe“, wobei die Anzahl nicht von Bedeutung ist. Sodann heißt es, die „Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe“ sowie „vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen“.

 

Eine Sprache, die man noch nie gehört hat
Aufrufe zum Völkermord sollten die Alarmglocken schrillen lassen
BIP-Aktuell #277:

Das bekannteste Zitat stammt von Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant: „Ich habe eine vollständige Belagerung des Gazastreifens angeordnet. Es wird keinen Strom geben, keine Lebensmittel, keinen Treibstoff, alles ist geschlossen. Wir kämpfen gegen menschliche Tiere, und wir handeln entsprechend.“ ...  sowohl eine entmenschlichende Sprache („menschliche Tiere“) als auch die klare Absicht ... einen Völkermord zu begehen ...  „Ich habe alle Fesseln gelöst“. Er sagte weiter: „Der Gazastreifen wird nicht mehr so sein wie vorher. Wir werden alles liquidieren.“
...
Der israelische Premierminister Netanjahu erklärte: „Ich sage den Bewohnern des Gazastreifens: Verschwindet jetzt von dort, denn wir werden überall und mit aller Kraft handeln […] Gaza ist die Stadt des Bösen, wir werden alle Orte, an denen sich die Hamas aufhält und versteckt, in Trümmer verwandeln
... Israels Staatspräsident Isaac Herzog sagte: „Es ist eine ganze Nation da draußen, die verantwortlich ist."
... sagte May Golan, die israelische Ministerin für die Förderung der Stellung der Frau, dass „alle Infrastrukturen im Gazastreifen zerstört und der Strom sofort abgeschaltet werden müssen … Die gesamte Infrastruktur des Gazastreifens muss bis auf die Grundmauern zerstört werden ...  Der Krieg richtet sich nicht gegen die Hamas, sondern gegen den Staat Gaza“.

...  Doron Ben David, ein berühmter Schauspieler: „Gaza muss ausgelöscht werden!!!, ausgelöscht!!! Mit allem, ohne auch nur ein Staubkorn von dem Ort zu hinterlassen, aus dem solche humanoiden Tiere kommen. Punkt.“
... Prof. Dr. Michael Barnett, ein Wissenschaftler auf dem Gebiet des Völkermords, stellte die Frage: „Steht Israel am Rande eines Völkermords?“. Die Antwort kam von Prof. Dr. Raz Segal, einem Holocaust-Forscher, in einem Artikel in den Jewish Currents: „a textbook case of genocide“. Sowohl Barnett als auch Segal, jüdische Gelehrte auf dem Gebiet des Völkermords, haben diesen Begriff nie leichtfertig verwendet.... In seinem Interview für Democracy Now! erklärte Segal, dass eine Kombination aus der Entmenschlichung der anderen Seite, Rassismus, Gewalteifer, dem Wunsch nach Rache und dem Gefühl der Straffreiheit, keine internationale Kritik fürchten zu müssen, eine tödliche Kombination ist, die zum Völkermord führe.



Gaza-Streifen, aus Wem nützt die Hamas?, Le Monde diplomatique, 09.11.2023