Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg
Presseerklärung, 13.11. 2009
Gegen falsches Opfergedenken
– für ein Ende deutscher Kriegseinsätze
Vertreter der Heidelberger Friedensbewegung protestieren gegen Form und
Inhalt der städtischen Gedenkfeier zum Volkstrauertag auf dem
Ehrenfriedhof. Diese lassen kein angemessenes Gedenken an die Opfer der
Weltkriege zu. Die Feier findet am falschen Ort, in militaristischer
Form und unter inakzeptabler Beteiligung kriegführender Armeen statt.
Sie dient, wie öffentliche Gelöbnisse oder das neue Eiserne Kreuz dazu,
alte militaristische Traditionen aufzufrischen und die Bevölkerung
wieder an die Alltäglichkeit von Krieg zu gewöhnen.
Das Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg ruft daher
dazu auf, sich am Sonntag, 15.11.2009 an den Protesten gegen die
militaristischen Feierlichkeiten auf dem sogenannten Ehrenfriedhof zu
beteiligen.
Schon der Ort und die Form der Feierlichkeiten sind für ein
angemessenes Gedenken an die Opfer der Weltkriege, und damit vor allem
deutscher Gewaltpolitik, ungeeignet: Der Ehrenfriedhof ist mit seiner
faschistischen, auf Heldengedenken ausgelegten Ästhetik und seiner
unheilvollen Tradition kein Ort für würdevolles Gedenken und glaubhafte
Friedensbekenntnisse. Schon gar nicht, wenn die Feierlichkeiten durch
militärische Ehrenzeremonielle untermalt werden.
Unangemessen ist auch die Teilnahme von Vertretern der US-Armee, der
Bundeswehr und anderer Nato-Armeen, die aktuell Krieg führen und Länder
besetzt halten. Selbstverständlich sollten wir die Verdienste der USA
bei der Befreiung Deutschlands vom Faschismus nicht vergessen und auch
nicht die dabei gefallenen US-Soldaten.
Aber: Angesichts von Zigtausenden Toten im Afghanistan- und Irakkrieg
ist die Beteiligung von Vertretern der dafür verantwortlichen Truppen
völlig inakzeptabel. Während man sie hier feierlich der Opfer
vergangener Kriege gedenken lässt, produzieren sie dort Tag für Tag
neues Leid. Wie mörderisch der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan
ist, wurde der deutschen Öffentlichkeit vor 2 Monaten auf drastische
Weise vor Augen geführt: Der Befehl eines Bundeswehroffiziers, zwei
Tanklastzüge zu bombardieren, hat allein über 100 Afghanen das Leben
gekostet.
Verdecktes Werben für westliche Kriegspolitik
Hatte die frühere Oberbürgermeisterin Beate Weber zum
Volkstrauertag 2006 immerhin auch an die Opfer der gegenwärtigen Kriege
erinnert – inkl. der 650.000 Menschenleben, die bis dahin bereits Krieg
und Besatzung im Irak gefordert hatten – und die Lehre aus der
Geschichte betont, „dass Krieg und Gewalt keine Lösungen bieten“, so
werben der jetzige Oberbürgermeister, Eckart Würzner und die
Bürgermeister Bernd Stadel, Joachim Gerner und Wolfgang Erichson in
ihrer diesjährigen Erklärung offen für die zu „Friedensmissionen“
verklärten aktuellen Kriege wie auch für zukünftige militärische
Interventionen.
Denn, wenn die Nato-Staaten von „nicht wegschauen dürfen“ reden oder
vom Kampf gegen Terror und Menschenrechtsverletzungen, so waren dies
bisher stets Vorwände, um aus wirtschaftlichem und geopolitischem
Interesse gegen missliebige Staaten vorzugehen. Staatlicher Terror und
Menschenrechtsverletzungen aus den eigenen Reihen und von Verbündeten –
wie z.B. Israel – werden hingegen ignoriert.
Nichts zeigt diese einseitige Sichtweise deutlicher, als das Ansinnen
unserer Bürgermeister, die diesjährige Feier ganz besonders den 81
Bundeswehrsoldaten zu widmen, die seit 1992 bei Auslandseinsätzen
gefallen sind. Allein an die eigenen Gefallenen zu gedenken und kein
Wort über die Opfer der aktuellen Kriege Deutschlands und seiner
Verbündeten zu verlieren, ist ein Skandal und erinnert auf unangenehme
Weise an das frühere Heldengedenken.
Indem sie das Gedenken freimütig auf alle Opfer von Krieg und Gewalt
ausdehnen und dabei vor allem auf die aktuell von Krieg, Verfolgung,
Vertreibung, fanatischem Terror Betroffenen in entfernten Teilen der
Welt zeigen, vermengen sie Täter und Opfer und lenken von dem ab, an
das wir uns in erster Linie erinnern sollten: an die Opfer deutscher
Gewaltpolitik und an den breiten Konsens in Deutschland nach dem
Zweiten Weltkrieg: dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen
soll.
In diesem Sinne fordern wir:
- das sofortige Ende aller Auslandseinsätze der Bundeswehr
- Abzug der US- und NATO-Truppen aus Heidelberg
- Einstellung der militaristischen Feierlichkeiten zum
Volkstrauertag
Wir wollen mit einer Kundgebung dazu beitragen, dass das
militaristische Spektakel nicht unkommentiert bleibt. Wir werden uns
auch in geeigneter Form an der Gedenkveranstaltung beteiligen.
Kundgebung vor dem Ehrenfriedhof:
Sonntag, 15.11.2009, 10.00 – 11.00 Uhr
Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg