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OSTERMARSCH RHEIN-NECKAR 2010
am Karfreitag 2.4.2010

Einleitender Beitrag bei der Abschlusskundgebung vor dem US-Hauptquartier
von Joachim Guilliard
, Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg
 

Liebe Friedensfreunde,

ich denke die Radrundfahrt hat allen Teilnehmer/innen recht eindrücklich gezeigt, in welchem Maße Heidelberg militarisiert ist. In den Einrichtungen sind ja nicht um irgendwelche Reserveeinheiten untergebracht, alle sind heute in die aktuellen Kriege involviert. Von hier aus wird Krieg geführt.
Man staunt auch, wenn man darum herumfährt, welch große Flächen die Kasernen und sonstigen Liegenschaften okkupieren. Ich hoffe die Fahrt hat geholfen die Fantasie anzuregen, sich zu überlegen was man draus machen kann, wenn wir mal den kompletten Abzug der US- und NATO-Truppen durchgesetzt haben.

Zur Kaserne vor uns muss ich nicht mehr viel sagen. Hier am Eingang zu den US- und Nato-Hauptquartieren standen wir ja in den vergangenen zwei Jahrzehnten schon oft, um mal mehr und mal weniger zahlreich zu protestieren: u.a. gegen den ersten und zweiten Irakkrieg, den Jugoslawienkrieg, den Afghanistankrieg.

Der aktuelle Irakkrieg jährte sich vor kurzem, am 20. März zum 7. Mal, der Jugoslawienkrieg am 24. März zum 11. Mal. Ich will die Gelegenheit nutzen, hier an geeigneter Stelle vor diesem Kriegshauptquartier daran erinnern.

50 Jahre gegen Atomwaffen und Krieg

Mit unserer heutigen Randrundfahrt zu den Militäreinrichtungen stehen wir in guter Tradition. Heute vor 50 Jahren starte der erste Ostermarsch in Deutschland. Er ging von Hamburg zum Truppenübungsplatz Bergen-Hohne.

Die ersten OM richteten sich vor allem gegen die atomare Bewaffnung und standen ganz im Zeichen des Blockgegensatzes, des sogenannten „Kalten Krieges“ der bekanntlich leider nur in Europa kalt blieb.

Widerstand gegen Atomwaffen ist aber nicht nur Tradition, sondern hat leider ungebrochene Aktualität. Denn trotz Atomwaffensperrvertrag halten die traditionellen Atommächte immer noch ein gewaltiges Vernichtungspotential einsatzbereit, der Kreis der Staaten mit solchen Massenvernichtungswaffen hat sich sogar erweitert.

Hoffnung auf Obama?

Viele setzen nun große Hoffnungen auf den US-Präsidenten Barack Obama, der Montag vor einem Jahr in Prag von seiner Vision einer Welt ohne Atomwaffen sprach. Doch zum „unerwarteten Freund der Anti-Atombewegung“ wie die FR schreibt, wurde der Präsident der größten Nuklearmacht der Welt noch lange nicht.

Mich hätte seine Rede nur dann überzeugt, wenn er dabei auch konkrete Abrüstungsschritte genannt hätte, mit der die USA in Vorleistung gehen würde. Die USA könnten ohne weiteres den größten Teil ihres Arsenals verschrotten, ohne ihr Abschreckungspotential zu verlieren. Stattdessen forschen sie an der Perfektion sogenannter taktischer Atombomben die sie verharmlosend „Mini Nukes“ nennen. Und sie halten auch unter Obama an der Option fest, als erstes Atomwaffen einzusetzen und dies u.U. auch gegen Staaten, die selbst keine haben.

Kriegsdrohungen gegen den Iran

Das einzige Konkrete das Obama in seiner Rede ankündigte, war, konsequent gegen die atomare Bewaffnung eines einzelnen Landes vorzugehen. Eines Landes, das noch über keine Atomwaffen verfügt und im Moment auch keine baut. Dennoch will uns Obama ausgerechnet verschärfte Sanktionen und Kriegsdrohungen gegen den Iran als erste Schritte bei der Verwirklichung einer atomwaffenfreien Welt verkaufen.

Wir wenden uns entschieden gegen dieses perverse Doppelmoral und verlangen, dass zu allererst die Abrüstung der Staaten ganz oben auf der Agenda steht, die über die größten Arsenale verfügen.

Wir halten die Nutzung von Kernenergie generell für unverantwortlich, auch die zivile. Sie kontaminiert die Umwelt und ist, wie u.a. Tschernobyl zeigte, extrem gefährlich. „Zwischen Störfall und Unfall liegt oft nur der Zufall“ heißt sehr treffend der aktuelle Appell der IPPNW. Jede zivile Nutzung beinhaltet auch die Gefahr der militärischen, in jedem Land, auch in Deutschland.

Wir sind daher selbstverständlich für sehr strenge Kontrollen der zivilen Nutzung von Atomanlagen, auch im Iran. Wir wenden uns aber entschieden gegen die auf zweierlei Maß basierende Interventionspolitik gegen den Iran. Die als „Diplomatie“ umschriebene Sanktionspolitik, an der sich auch die Bundesregierung an vorderster Front beteiligt, ist nicht auf Kompromisse angelegt, die für alle Seiten akzeptabel sind. Allen Angeboten der iranischen Seite wird mit der Maximalforderung abgeblockt: Einstellung des Kernenergieprogramms.
Offensichtlich zielt die Politik der USA und der EU auf eine generelle Schwäche des zur Regionalmacht aufgestiegenen Landes. Es ist letztlich eine Eskalationsstrategie, die angesichts konkreter Angriffspläne seitens der USA und Israels rasch zum Krieg führen kann.

Truppen raus aus Afghanistan!

Zentrales Thema der diesjährigen Ostermärsche ist der Krieg in Afghanistan, an dem Deutschland unmittelbar mit eigenen Soldaten beteiligt ist. Ich glaube man muß an dieser Stelle nicht mehr viel dazu sagen. Es ist klar, dass die ausländischen Besatzungstruppen nichts zu Frieden und Stabilität am Hindukusch beitragen können. Sie sind selbst das größte Problem und keinesfalls Teil der Lösung.
Wir wissen auch, dass es um Frieden und Stabilität gar nicht in erster Linie geht. Im Kern ging es von Anfang an um geo-strategische Interessen. Mittlerweile wurde der Krieg in Afghanistan, der hierzulande immer noch nicht so heißen darf, zum existenziellen Testfall für die Nato.
Für Deutschland geht vor allem um die Normalisierung von Kampfeinsätzen der Bundeswehr. Gegen Jugoslawien führte die BRD zum ersten Mal Krieg, allerdings noch aus der Distanz, aus der Luft. In Afghanistan können nun dt. Truppen zum ersten Mal nach 1945 wieder praktische Erfahrungen in Kampfeinsätzen am Boden machen.

Trotz all der geballten Propaganda der Regierung, von SPD und Grünen und den meisten Medien konnte die Mehrheit der Deutschen nicht auf Kriegskurs gebracht. Doch ungeachtet der mehrheitlichen Ablehnung halten die Bundesregierung und eine große Mehrheit im Bundestag am Einsatz in Afghanistan fest. Wir hingegen fordern den sofortigen Abzug.

Mit der Mehrheit der Bevölkerung sagen wir Nein zu mehr Truppen, mehr Krieg und mehr Toten.

Schluss mit der Besatzung im Irak und Palästina

Wir fordern zudem das sofortige Ende der US-Besatzung im Irak, das leider trotz der Zusagen und Versprechungen der USA nicht in Sicht ist. Eine überdimensionierte Botschaft, so groß wie Vatikanstadt, und riesige Militärbasen – um ein vielfaches größer als wir heute gesehen haben – zeigen deutlich, dass die Pläne einer permanenten Präsenz in dieser strategisch wichtigen Region auch unter Obama nicht aufgegeben wurden.

Wir fordern ein Ende der deutschen Beteiligung an diesem Krieg, die u.a. darin besteht, den USA die Benutzung dieses Hauptquartiers vor uns oder den Flughafen in Ramstein zu gestatten.

Während wir hier unsere Ostermärsche abhalten ist die Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung noch stärker eingeschränkt als sonst. Der Gazastreifen ist seit 3 Jahren nahezu vollständig abgeriegelt. In den letzten Wochen wurden auch die Zugänge zum Westjordanland und Ostjerusalem häufig willkürlich eingeschränkt. Seit Tagen sind wegen des jüdischen Pessachfestes vollständig gesperrt.
Wir fordern den vollständigen Rückzug Israels aus den 1967 besetzten palästinensischen Gebieten. Insbesondere fordern wir Israel auf, die mörderische Blockade des Gaza-Streifen unverzüglich zu beenden und den Ausbau von Siedlung in Ostjerusalem und Westjordanland einzustellen. – Schluss mit der deutschen Unterstützung für die israelische Besatzungspolitik!

Gegen Aufrüstung und Militarisierung – für eine konsequente Friedenspolitik

Mit der andauernden Wirtschaftskrise und der zunehmenden Angst um Arbeitsplätze bieten sich Bundeswehr und Rüstungsfirmen verstärkt als Arbeitgeber an. Statt in Bildung, ausreichende Sozialausgaben und sinnvolle Arbeitsplätze werden Unsummen in Militär, Aufrüstung und weltweite Bundeswehreinsätze gesteckt. Wir fordern ein Ende der Aufrüstung zur Angriffsarmee, der Rekrutierung von Berufssoldaten via Arbeitsagenturen und Werbung in den Schulen.

Durch Politik und Medien werden Terrorismushysterie und Islamophobie geschürt. Damit werden der Abbau demokratischer Grundrechte, Aufrüstung und völkerrechtswidrige Angriffskriege zur Durchsetzung geostrategischer Interessen vorangetrieben. Die wahren Probleme der Menschheit sind jedoch andere: Armut, Hunger und drohende Klimakatastrophe erfordern gemeinsame Anstrengungen der Menschheit. Ohne eine konsequente Friedenspolitik ist keines dieser Problem lösbar.

Wir sind nach wie vor überzeugt: Krieg ist immer Terror!